Sonntagsblatt 2/2017 | Page 25

nicht viel über meine Abstammung. Aber als ich ein Schulkind wurde, interessierte ich mich für die ungarndeutsche Kultur all- mählich mehr und fragte meine Eltern immer häufiger nach unse- rer Herkunft. SB: Du besuchst eine deutsche Nationalitätengrundschule. Wie be - schäftigt ihr euch mit dem Ungarndeutschtum? In welcher Form taucht das Ungarndeutsche im Schulalltag auf? Donat Kovács: Wir haben z. B. jede Woche Volkskunde und eine Volkstanzstunde. In den Volkskundestunden können wir über die ungarndeutsche Kultur, Geschichte, Feste und auch z. B. über die berühmten ungarndeutschen Personen viel erfahren und in den Volkstanzstunden einfachere Tänze erlernen. Aber auch in den Deutschstunden kommt das Ungarndeutschtum vor. Wir haben in der Schule regelmäßig Programme, durch die die Kinder die ungarndeutschen Feste kennen lernen können. Zum Beispiel am Martinstag haben wir immer einen Laternenumzug, an Weih - nach ten gibt es eine Christkindlgruppe, die schöne Lieder singen, oder die Erstklässler bekommen an ihrem ersten Schultag eine sog. Schultüte, die voll mit Süßigkeiten ist. SB: Wie würdest du dich bezeichnen? Bist du ein Deutscher, Ungar, Ungarndeutscher? Donat Kovács: Ich fühle michals Ungarndeutscher. Ich bin ein Ungar, aber meine Vorfahren kamen aus Deutschland, und darauf bin ich stolz. Das bedeutet mir Ungarndeutscher zu sein. SB: Was sind deine Pläne in der Zukunft? Wird das Ungarndeutsche in deinem Leben, in deiner schulische Karriere weiterhin eine Rolle spielen? Donat Kovács: Leider nicht so wie heute, denn ich werde kein deutsches Nationalitätengymnasium besuchen, weil ich neben Deutsch auch andere Sprachen kennen lernen muss, aber Deutsch wird immer meine Lieblingssprache bleiben. Natürlich möchte ich meine Abstammung nicht vergessen und dieses Erbe später auch an meine Kinder weitergeben. SB: Donat, vielen Dank für das Gespräch. • Literatur – Bücher • WALTER FLEX deutscher Schriftsteller und Lyriker. Walter Flex wurde vor 130 Jahren – am 6. Juli 1887 – in Eisenach geboren. Er ist vor 100 Jah - ren – am 16. Oktober 1917 – im Ersten Welt - krieg an der Ostfront bei Pöide (Peude) den Heldentod ge storben. Walter Flex wurde als Sohn des politisch und kulturell vielfach engagierten nationalliberalen Gymnasialprofessors Rudolf Flex und seiner Ehefrau Margarete geb. Pollack geboren. Er besuchte das Karl-Friedrich-Gymnasium (heute: Martin-Luther-Gymnasi - um) in Eisenach und verfasste bereits als Schüler poetische und dra matische Texte (z. B. Die Bauernführer). 1906 legte er sein Abitur ab. Darauf begann Flex ein Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität Erlangen und wurde gleichzeitig Mitglied der Burschenschaft der Bubenreuther. 1908 setzte er sein Studium in Straßburg fort und veröffentlichte nebenher Erzäh lun - gen, Novellen und Gedichte. Sein ursprüngliches Vorhaben, wie sein Vater das Staatsexamen zu machen und danach als Gymna - siallehrer tätig zu werden, gab Flex auf. Ein erstes Disserta - tionsprojekt an der Universität Straßburg wurde nicht abgeschlos- SONNTAGSBLATT sen. Stattdessen ging Flex 1910 nach Erlangen zurück und wurde hier 1911 zum Thema Die Entwicklung des tragischen Problems in den deutschen Demetriusdramen von Schiller bis in die Ge - gen wart promoviert. Die Bekanntschaft mit der Familie des verstorbenen Reichs - grün ders Otto von Bismarck, bei der er in den Jahren 1910 bis 1913 als Hauslehrer, zunächst in Varzin (Hinterpommern) und dann in Friedrichsruh bei Hamburg tätig war, beeinflusste sein literarisches Schaffen. 1913 kam es zu einem – nach außen sorgfäl- tig kaschierten – Bruch mit seinen Arbeitgebern, da für Flex die international zusammengesetzte Adelsfamilie von Bismarck zu „undeutsch” war. Flex blieb jedoch bemüht, sich in den Fußstapfen seines Vaters Rudolf Flex als literarischer Vertreter des nationalis- tischen Bismarck-Kultes der Kaiserzeit zu etablieren. Es entstan- den die Bismarck-Novellen und das Drama Klaus von Bismarck, das 1913 am Hoftheater in Coburg uraufgeführt wurde. Vom Militärdienst wurde der Dichter wegen einer Sehnenverletzung an der rechten Hand befreit. Die anderthalb Jahre bis zum Kriegs - ausbruch im August 1914 verbrachte Flex als Hauslehrer einer Landadelsfamilie von Leesen bei Rawitsch in der Provinz Posen. Flex meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger in Posen und dien- te im 3. Niederschlesischen Infanterie-Regiment Nr. 50. Im selben Jahr starb sein jüngster Bruder Otto in der Marneschlacht. Im Oktober 1914 zog sein Regiment nach Lothringen. Im März 1915 wurde Flex zu einer Offiziersausbildung in das Warthelager bei Posen beordert. Zum Leutnant befördert, diente er seit Mai 1915 zumeist an der Ostfront, vor allem in Nordostpolen und im Baltikum. In diesem Zusammenhang lernte er den kriegsfreiwilli- gen Studenten der Theologie Ernst Wurche (24. November 1894 – 23. August 1915) kennen. Mit ihm verband Flex bald eine innige Beziehung. Der Tod Wurches während eines Patrouillengangs bei Simnen war für Flex ein einschneidendes Erlebnis. Der Versuch, dieses Trauma zu verarbeiten, fand seinen literarischen Nieder - schlag in der autobiografisch orientierten Erzählung Der Wande - rer zwischen beiden Welten. Sie erschien im Oktober 1916 und wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem sensationellen Erfolg. Es wurde das erfolgreichste Buch eines deutschen Schriftstellers im Ersten Weltkrieg und eines der sechs erfolgreichsten deutschen Bücher im 20. Jahrhundert überhaupt. Das im Wanderer enthaltene Gedicht Wildgänse rauschen durch die Nacht ... wurde bald mehrmals vertont und zu einem der bekanntesten deutschen Gedichte überhaupt. Ebenso avan- cierten der Titel des Buches und einige Aphorismen aus seinem Inhalt zu populären Schlagwörtern. 1917 wurde Flex wegen seines literarischen Ruhms nach Berlin abkommandiert, um im Auftrag des Generalstabs an der Publika - tion Der Krieg in Einzeldarstellungen mitzuwirken. Obwohl die Publikation von Flex auftragsgemäß fertiggestellt wurde, blieb der Aufenthalt in der Etappe Episode. Auf eigenen Wunsch wieder an die Ostfront versetzt, wurde Flex im Unternehmen Albion mit der Führung einer Kompanie Infanterie be - traut. Dabei erlitt er während eines mili- tärisch bedeutungslosen Scharmützels in der Nähe des Peudehofs eine Ver - wundung, der er einen Tag später im La za rett von Peudehof erlag. Begraben wurde Flex 1917 auf dem Dorffriedhof von Pöide, wo das Holz - kreuz bald verfiel. An seine Stelle kam eine Gedenktafel, die nach Kriegsende entfernt wurde; als namenloses Grab blieb die Stätte aber erhalten. An der Symbolisches Grabmal ursprünglichen Grabstätte in Pöide für Walter Flex auf dem Friedhof in Eisenach (2015) (Fortsetzung auf Seite26) 25