Sonntagsblatt 2/2017 | Page 20

Ein Eckpfeiler in der Geschichte der Donauschwaben
Letztes Schuljahr und Jugendzeit Es war ein verkürztes Schuljahr, das erst Mitte Oktober 1926 be- gon nen hat, weil der neue Lehrer erst dann in unser Dorf kommen konnte. Er war ein Kind schwäbisch-bäuerlicher Eltern aus der Schomodei, ein großartiger Pädagoge und Singleiter, aber er repräsentierte doch schon weitgehend jenen Geist, von dem der Schul- inspektor in dem Roman » Die Glocken der Heimat « von A. Mül- ler-Guttenbrunn sagte, dass die » neue Schule andere Ziele habe «. Wir mussten nun nach Diktat deutsche und ungarische Aufsätze schreiben, die auch benotet wurden. Ungarisch, selbstverständlich. Nun wurde » Thal « zu » Tal « und » Heimath « zu » Heimat « usw. Man lernte von ihm in beiden Sprachen korrekt schreiben und lesen, wogegen wir zunächst auch garnichts hatten. Bei der Auswahl an ungarischen Gedichten schien es schon problematischer zu werden, und die Schulgebete wurden nun in beiden Sprachen gesprochen. Unterwegs mussten wir diszipliniert paarweise gehen und im Chor die Erwachsenen ungarisch grüßen, was bis dahin in unserem Dorf nicht üblich war. Bei der Schul- abschluss Feier, die letzte für mich, wurden auch schon viele ungarische Gedichte » hergesagt «, doch sie hielten sich noch im Rahmen einer korrekten Doppelsprachigkeit. Einige Jahre später hörte man auch schon das Gedicht » Ich bin ein Madjare, als Madjare bin ich geboren / Madjarisch sprach meine Amme / Madjarisch lernte mich meine Mutter beten « usw. Zu der schon erwähnten korrekten Doppelsprachigkeit gehörte auch, dass er Heimatkunde einführte, die wir nach Diktat aufschreiben und auswendig lernen mussten. Aber die ungarische Geschichte hieß jetzt » Történelem « und die großen Helden hießen jetzt nicht mehr » Franz Rákóczi « oder » Gabriel Bethlen « sondern Ferenc und Gábor. Man lernte ungarisch, dass unsere Ahnen durch die Enge von Verecke aus Asien nach Ungarn kamen, in der Heimatkunde jedoch den Satz: » Unsere Voreltern sind aus dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt nach Ungarn gekommen «. Hier haben sich die ersten seelischen Konflikte angekündigt, die einige Jahre später unsere jungen Jahre belasten sollten. Inzwischen war eine Orts- gruppe des » Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins( UDV)« gegründet worden. Nach erfolgtem Stimmbruch ging ich in den » Singverein « und kam somit wieder mit meinem verehrten Lehrer zusammen. Er wurde in jenen Jahren, als sich die Polemik zwischen den Repräsentanten des ungarischen Staates( Dorf- intelligenz genannt) und den Mitgliedern des genannten UDV schon merklich zuspitzte, niemals ausfällig, wäre wahrscheinlich mit dabei gewesen, doch er war jung und die Karriere verlangte ihren Preis.
Fortsetzung folgt
Das Jahr 1906 –

Ein Eckpfeiler in der Geschichte der Donauschwaben

Gründung der Ungarländischen Deutschen Volkspartei( UDVP) im Jahre 1906, am 31. Dezember, vor 110 Jahren.
Reden wir über „ Geschichte der Ungarndeutschen”, so ist allgemein die Ansiedlung oder eben die Vertreibung das Thema. Was dazwischen geschah ist leider immer noch von dichten Nebel- schwa den umwoben, Volksbund / Franz Basch werden als „ heiße Eisen” betrachtet. Volksbildungsverein / Jakob Bleyer gelten bereits als „ altes Eisen”. Und was hat es sonst noch gegeben in der schon viele Jahrhunderte langen Geschichte des Ungarländischen Deutsch tums? Ach ja, da ist noch der Freiheitskampf 1848 – 49. Da haben auch die Deutschen Ungarns fest mitgemacht. Wie sie mit dabei waren, darüber wird aber nur die eine Seite des Geschichts- blattes beleuchtet.
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Und es gibt noch sehr vieles worüber nicht geredet wird, worüber jedoch objektiv und ausführlich gesprochen werden müsste, damit wir unsere ungarndeutsche Vergangenheit wirklich kennen lernen, worauf dann eine ungarndeutsche Zukunft gebaut werden kann, Wenn wir eine solche überhaupt bauen wollen(?).
Parteigründung Dem ungarischen Freiheitskampf von 1848 – 49 folgten 18 Jahre Ab solutismus, dann 1867 der Ausgleich, 1868 das „ beste” Minder- heitengesetz Ungarns, leere Versprechungen, nie eingehaltene Ga- rantien den Minderheiten Ungarns gegenüber, weitere einschränkende Gesetze, Verordnungen, Drosselung der Muttersprache, Verschwinden deutscher Schulen, Unzufriedenheit im Kreise des Ungarländischen Deutschtums.. Josef Volkmar Senz beschreibt in seinem Buch „ Geschichte der Donauschwaben” die Lage wie folgt:
„ Alles, was den Schwabenahnen genommen oder in madjarischem Sinne umgestaltet werden sollte, wurde als gefährlicher Verlust erkannt. Die Verdrängung und Überfremdung des deutschen Volkstums konnte bei gerechter Beurteilung nie mals als zweckdienlich und nützlich für die Freiheit und Würde der do- nau schwäbi schen Staatsbürger angesehen werden. Mit der Ab- leh nung allein war es nicht getan. Der auflösenden, zerstörenden Macht mußte sich ein erhaltender, aufbauender Wille entgegenstellen. Es mußte deshalb eine Zusammenfassung und Wachrüt- telung der Donauschwaben angestrebt werden, weil nur in einer Gemein schaft der nationale Behauptungswille entwickelt und eingesetzt werden konnte. Das Streben nach Behauptung als na- tionale Gemeinschaft fand in der völkischen Bewegung seinen Aus druck und hatte das völkische Erwachen der Donau schwa- ben zur Folge …”
Edmund Steinacker( 1839 – 1929), Erwecker und Führer der Donauschwaben Vorkämpfer in dem Bestreben nach Zusammenfassung der Deutschen in Ungarn zum Zwecke ihrer nationalen, wirtschaftlichen, kulturellen und politi schen Behauptung wurde Edmund Steinacker. Er ist am 23. August 1839 in Debrezin geboren. In Stuttgart besuchte er die Hochschule.
Er war nach Vollendung seiner Studien Sekretär der Ofenpester Handels und Gewerbekammer geworden. Hier bekam er einen tiefen Einblick in den Aufbau des ungarischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. In seiner Tätigkeit auf vorgeschobenem Posten hatte er reichlich Ge legenheit, die Leis- tungen des Deutschtums im Wirtschafts- und Kulturleben Un- garns kennenzulernen. Er sah aber auch mit offenen Augen, wie durch das machtpolitische Vordringen der Madjaren auf allen Gebieten dieses Deutsch tum immer mehr entrechtet wurde. Steinacker griff deshalb in das politische Leben ein. Im Parlament erstrebte er eine tatsächliche nationale Gleichberechti gung in Ungarn und machte sich zum Wortführer der zwei Millionen Deutschen im Lande. Um auch mit einer inneren Berechtigung im Namen der Donau schwaben auftreten zu können, verlegte er seine nationalpolitische Aufklä rungsarbeit in die schwäbischen Sied- lungsgebiete. Gelegentlich der Wahlen fühlt er im Batscher Land, im Banat und in Westungarn vor. Er kandidierte in Apatin und Weißkirchen. Er knüpft persönliche Beziehungen mit völkisch ein satzbereiten und regsamen Männern und nährt auf diese Weise den Gedanken nationaler Selbstbesinnung. Diese Bemühungen sind die Saat für spätere Erfolge. Seine Tat steht am Anfang. Die nationalpolitische Willensbildung einer Volksgruppe ist ohne eigene Partei nicht möglich. Um eine solche eigene Partei aufzubauen, musste zuerst ein Kern nationalbewusster und einsatzbereiter Männer gefunden, zusammengeschlossen und aktiviert werden. Es musste die sen Männern ein klares, erreichbares politisches
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