SONNTAGSBLATT UND WISSENSCHAFT
„ WIR WOLLEN REICH SEIN UND IM AUSLAND LEBEN!“
Die Abwanderung der Arbeitssuchenden hat auch die ungarndeutschen Dörfer dezimiert(„ Gazdagok szeretnénk lenni és külföldön élni!” – A munka miatti elvándorlás megtizedelte a sváb falvakat is)
Ein Artikel von Robert Balogh; erstmalig erschienen am 10. 12. 2021 beim unabhängigen regionalen Internetportal szabadpecs. hu; entstanden im Rahmen der Medienkooperation „ Helyi Járat“ von sechs regierungskritischen Zeitungsredaktionen( Átlátszó, Mérce, Magyar Hang, G7, Szabad Pécs, Partizán) Deutsche Übersetzung: Armin Stein
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Teil 3 Und in Wemend? Zoltán Szalonna, Bürgermeister von Wemend
Wemend hat unter den deutschen Siedlungen in Ungarn eine ziemlich bedeutende literarische Geschichte, aber welche Zukunft sehen Sie für das Dorf? Wie viele junge Menschen gibt es noch in Wemend?
Gegenwärtig gibt es nur wenige Möglichkeiten für junge Menschen, hier zu bleiben. Die Wirtschaft und die Gesellschaft müssen sich ändern, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Ich war 25 Jahre in ganz Europa unterwegs und verfüge über den finanziellen Hintergrund, um in diesem Land eine Existenz aufzubauen. Ich will niemanden davon abhalten, denn früher schickte man die Gesellen zum Lernen auch auf Wanderjahre ins Ausland. Diese Facharbeiter reisten nicht nur durch Ungarn, sondern auch durch ganz Europa. Die Aufgabe dieser Gemeinschaft ist es, jungen Menschen einen Ort zu geben, an den sie zurückkehren können: damit ihre Wurzeln stark sind, damit diejenigen, die es wollen, zurückkommen können, wenn sie eine schallende Ohrfeige vom Leben bekommen! Ich hatte eine Verbindung über Tanz und Musik zu dieser Ortschaft. Wemend war immer ein Fixpunkt in meinem Leben. Egal, ob ich in Fünfkirchen oder Budapest zur Schule ging, ich kam immer übers Wochenende nach Hause. Von Wien aus kam ich nur einmal im Monat nach Hause. Die Aufgabe eines jungen Menschen besteht darin, zu lernen und die- geistigen und kulturellen- Werte, die er oder sie gelernt hat, weiterzugeben. Jetzt ist es meine Aufgabe, das
Wissen darüber, was die Welt uns aufzeigt, an andere weiterzugeben.
Vor dreißig Jahren war Wemend eine Siedlung mit 3000 Einwohnern. Wie groß ist sie jetzt?
Hier leben um die 1400 Seelen hier. Sind viele junge Deutsche gegangen?
Viele! Ich bin 47 Jahre alt, die Generation über mir ist zuerst aufgebrochen. Sie sind nie zurückgekommen. Aber fünf Familien sind in den letzten Jahren zurückgekommen. Das sind fünfzehn Kinder. Und es ist eine Freude, dass die Fundamente erhalten geblieben sind. Wir haben etwas, worauf wir aufbauen können. Der zweisprachige Kindergarten und die Schule spielen dabei eine große Rolle. Als Kind schien mir Wemend ein ideales Dorf zu sein, aber jetzt, als Erwachsener, der hierhergezogen ist und den schweren Alltag der ungarischen Provinz und des Dorflebens mitgemacht hat, ist der Idealismus eines Kindes der realistischen Zukunftsgestaltung gewichen.
Was hat sich verändert?
Die Menschen lieben sich nicht mehr so wie früher. Die jungen Leute sind weg, die Alten sind hiergeblieben. Heute baut kaum noch einer der jungen Leute Gemüse an. Heute streben die Menschen nicht mehr danach sich selbst zu versorgen. Heute gibt es immer weniger Gemeinschaftsarbeit, immer weniger gegenseitige Hilfe. Aber es gibt gute Beispiele, die gefördert werden müssen. Es gibt weniger Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Heute kommen sie ins Büro des Bürgermeisters und sagen, dass der