Sonntagsblatt 1/2025 | Page 22

Sein Interesse an Sprachen rührt womöglich auch aus dieser bilingualen Erfahrungswelt her: István Hiller kam mit 18 Jahren nach Budapest und fing nach abgeleistetem Wehrdienst an der Loránt-Eötvös-Universität( ELTE) mit einem Studium der Klassischen Philologie( Latein, Altgriechisch) und der Geschichte an. Hier habe er seine Frau kennen gelernt, mit der er zwei Söhne hat – einer von ihnen lebt heute in Japan. Hiller gehört zu den wenigen Menschen im Land, die fließend Latein sprechen: Davon erhielt die ungarische Öffentlichkeit bei der parlamentarische Debatte rund um die Umbenennung der Regierungspräsidenten( ung. kormánymegbízott) in Obergespane( ung. főispán) einen überzeugenden Vorgeschmack. Nach eigenem Bekunden beherrscht Hiller noch die Sprachen Englisch und Italienisch.
Seine Deutschkenntnisse durfte er als „ Angehöriger des Eötvös-Collegiums” 1987( ähnlich wie viele Mitglieder der heutigen politischen Elite in Ungarn) als Soros-Stipendiat an der Uni Heidelberg vertiefen: Bis heute sei er Mitglied des Heidelberger Alumni-( Ehemaligen-) Kreises. Der Kontakt zum ungarisch-amerikanischen Milliardär jüdischer Herkunft György Soros sei über einen Dozenten von Hiller entstanden, der früher Soros’ Lateinlehrer gewesen sei. Nach Abschluss des Studiums arbeitete der Junghistoriker am Historischen Seminar bei Prof. Dr. Ágnes Várkonyi. Seine Forschungsschwerpunkte waren die Habsburgerdiplomatie im 16. und 17. Jahrhundert sowie die internationalen Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Auch sein erstes Buch widmete er dieser Zeit: Palatin Nikolaus Fürst Esterházy in der Diplomatie; es erschien 1992 beim renommierten Böhlau Verlag Wien. Zur Buchvorstellung sei sogar der damalige Wissenschaftsminister und Vizekanzler Erhard Busek( ÖVP) erschienen. Die Esterházys beschäftigen Hiller nach eigenem Bekunden bis heute: So arbeite er an einer Monografie über die Geschichte dieser hochadligen Familie, die bis 1945 den mit Abstand größten privaten Grundbesitz in Ungarn besaß.
Nach der Habilitation 1990 folgte das nächste Stipendium: „ Mit dem Lise-Meitner-Stipendium, das vergleichbar mit dem deutschen Humboldt-Stipendium ist, kam ich an das Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien. Darauf folgten rund um das Jubiläum 350 Jahre Westfälischer Frieden Vorlesungsreihen in Münster, Leipzig und Osnabrück. Dabei hatte ich die Möglichkeit für eine vielfältige Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem Fachbereich”, berichtet der Historiker. 1999 wurde er „ Professor des Jahres”. Auch der damalige Kultusminister und langjährige Bezirksbürgermeister( Budapest 12) Zoltán Pokorni habe zur Auszeichnung gratuliert.
Sein Weg in die Politik begann erst Anfang des neuen Jahrtausends: „ Obwohl ich 1989 Gründer der Ungarischen Sozialistischen Partei( MSZP) war, hatte ich wenig Kontakt zur Politik. 2000 habe ich im Parteiprogramm mitgewirkt- in den Kapiteln zur universitären Bildung und Kulturpolitik- und damit auch Wahlkampagne gemacht. Heute kaum zu glauben: Wir hielten Foren im ganzen Land vor vollen Kulturhäusern”, schwärmt Hiller. „ Während einer Vorlesung an der Universität wiederum winkte mir eine Mitarbeiterin des Seminars zu, ich werde am Telefon verlangt. Am anderen Ende der Leitung war der designierte Ministerpräsident Péter Medgyessy, der mich zum Kultusminister berufen wollte. Jedoch konnten sich die Liberalen von SZDSZ mit ihrem Kandidaten Bálint Magyar durchsetzen und ich wurde für 10 Monate Staatssekretär. Im Mai 2003 wendete sich das Blatt und ich wurde Minister für Kulturelles Erbe. Mit einer kleinen Unterbrechung war ich bis 2010 Minister, zuletzt zuständig für Kultus”, erinnert sich der Politiker, der 2005 Parteivorsitzender der Sozialisten wurde. Als einen der größten Erfolge betrachtet er das neue Collegium Hungaricum in Berlin. Genauso wichtig sei ihm die Unterstützung der Andrássy-Universität gewesen, deren erster Ehrensenator er wurde.
Auch nach dem Regierungswechsel 2010 blieb István Hiller Mitglied des Ungarischen Parlaments( Wahlkreis Pestelisabeth / Schorokschar / Kleinpest): Zwischen 2014 und 2022 bekleidete er das Amt des Vizepräsidenten. Bis heute ist er Vizepräsident der Interparlamentarischen Union, einer Organisation von Parlamentariern aus 180 Ländern, die seit 130 Jahren besteht. Darüber hinaus ist er Vorstandsmitglied( Beisitzer) des Deutsch-Ungarischen Jugendwerks, dem die langjährige Hauptdirektorin der UBZ Baaja und Personalvorstand der Audi Hungaria AG Dr. Elisabeth Knab vorsteht. Aber nicht nur zu Dr. Knab habe er Kontakte, sondern zu vielen anderen Ungarndeutschen: „ Ich habe zwar über die Jahre viele Kontakte zur ungarndeutschen Öffentlichkeit aufbauen können, aber ich bin nie deren Teil geworden”, sagt der ungarndeutsche Abgeordnete.

AUCH IN DER DIASPORA FÜR DIE DEUTSCHE SACHE

Michael Frühwirth erhält hohe Auszeichnung für jahrzehntelange Arbeit
Von Richard Guth
„ Es war eine schöne Überraschung, regelrecht ergreifend, ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so einen Preis erhalte. Mir war auch nicht bewusst, wer vorschlagen kann. Dafür war ich erleichtert, dass ich nicht alleine da war, weil ein Wemender Bekannter, Michael Mausz, der früher beim Wemender Quartett gespielt hat, den Preis auch erhalten hat”, erinnert sich Michael Frühwirth aus Wetschesch / Vecsés, der 2024 für sein Lebenswerk den Pro-Cultura-Minoritatum Hungariae-Preis erhalten hat. Der Preis wird seit 2005( seit 2017 vom Ministerium für Humane Ressourcen bzw. der Staatskanzlei) an solche Persönlichkeiten aus den Reihen der 13 nationalen und ethnischen Minderheiten
22 verliehen, die Großes für die eigene Volksgruppe geleistet haben. Michael Frühwirth, der im Februar seinen 85. Geburtstag gefeiert hat, gehört ohne Zweifel dazu.
Michael Frühwirth oder Onkel Mischi( Misi bácsi), wie man ihn in der nahe des internationalen Flughafens gelegenen Stadt liebevoll nennt( der Name soll eigentlich ein Erbstück honoris causa sein, das er nach dem Ableben eines anderen Wetschescher Onkel Mischi erhalten habe, ergänzt er schmunzelnd), ist ein Urgestein in der Wetschescher und ungarndeutschen Öffentlichkeit. Der Träger der Ehrennadel( 2017), des Pro Urbe-Preises und der