Sonntagsblatt 1/2025 | Page 2

LEITARTIKEL

DIE KIRCHENGLOCKEN IM BERGRÜCKEN MAHNEN ZUM HANDELN

Zur Bedeutung des Schutzes des baulichen Erbes der Ungarndeutschen
Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Während die Bundesrepublik Deutschland den Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Wehrkirchen in Siebenbürgen oder der evangelischen Kirchen in Schlesien aktiv unterstützt, droht in Ungarn der Verfall der evangelischen Kirchen in schwäbischen Dörfern aufgrund der sinkenden Zahl der Gläubigen und alteingesessenen evangelischen Schwaben.
Diese Kirchen sind nicht nur aus religiöser Sicht von Bedeutung. Sie prägen das Dorfbild und stehen symbolisch für Heimat. Der Anblick eines Kirchturms weckt oft Gefühle der Zugehörigkeit und Identität. Zudem sind die evangelischen schwäbischen Kirchen Träger der deutschen Sprache – jedenfalls auf der Ebene historischen Erbes-, da deutsche Inschriften fast überall in diesen Kirchen zu finden sind.
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Kirchen im Bergrücken in Gefahr
Ein besonders gefährdetes Gebiet ist der Branauer Bergrücken( ung. Baranyai Hegyhát), einst das Zentrum der evangelischen Schwaben in der Region. Heute sind die dortigen Schwaben in der Branau am stärksten vom Verschwinden bedroht. Im Vergleich zu 2011 hat sich die Zahl der evangelischen Schwaben in der Branau fast halbiert, während die Gesamtzahl der Branauer Schwaben auf etwa 75 % des früheren Bestands gesunken ist.
Mit dem Rückgang der schwäbischen Bevölkerung geraten auch die Kirchen in Gefahr. In Gerienisch / Gerényes erinnert heute nur noch eine Gedenkstätte an die einstige evangelische Kirche. Wenn sich nichts ändert, wird dieses Schicksal weitere Dörfer der Region Bergrücken treffen.
In Meknitsch / Mekényes beispielsweise verschlechtert sich der Zustand der Kirche zunehmend. Die Erhaltung des Gebäudes erfordert große Anstrengungen der lokalen Bevölkerung.
Gerienisch und Meknitsch sind überall
In Wikal / Bikal gibt es noch eine kleine aktive Gemeinde, doch das Kirchengebäude wurde 2023 kurz vor Weihnachten beschädigt, und der Turm musste abgerissen werden. Dies gleicht einer Mahnung: „ Ihr müsst etwas tun!“
Das Schicksal der einst prachtvollen protestantischen Kirche bewegte die Dorfgemeinschaft zutiefst, denn sie gilt als das Symbol des Dorfes. Da die römischkatholische Kirche aufgrund bautechnischer Probleme seit langem nicht mehr nutzbar ist, handelt es sich um das letzte funktionierende Gotteshaus des Ortes.
Mittlerweile zeichnet sich ein Weg zur Rettung der Kirche ab, doch dieser erfordert gemeinschaftliche Anstrengungen. Die Gemeinde sowie die Ungarische Evangelische Kirche versuchen, die nötigen 150 Millionen Forint( 365.000 Euro) zusammenzubekommen. Die Evangelische Kirche Ungarns hat sich auch an die bayerische Evangelische Kirche gewandt, die als Hauptpartner gilt. Wer helfen kann, sollte die Sanierung der Kirche unterstützen.
Doch das Problem endet nicht in Wikal. Fast jedes Dorf hat mit maroden Kirchen zu kämpfen. Die Evangelische Kirche in Ungarn konzentriert ihre knappen Ressourcen verständlicherweise auf Gemeinden, in denen noch Gläubige vorhanden sind.
Die Kirche in Ratzkoslar / Egyházaskozár ist besonders bemerkenswert, da sie unter Joseph II. erbaut wurde und ursprünglich keinen Turm besaß. Dieser wurde erst später hinzugefügt. Solche Bauwerke sind bedeutende kulturelle Zeugnisse und verdienen besonderen Schutz.
Entschiedenes Eintreten erwünscht
Hier kommt die Verantwortung der ungarndeutschen Intelligenz und Elite ins Spiel. Vor Ort gibt es immer weniger Menschen und der Erhalt einer Kirche ist mit hohen Kosten verbunden. Die Gemeinden verfügen leider über immer weniger finanzielle Mittel und können kaum noch etwas ausrichten.
Als ich dieses Thema einmal gegenüber der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen( LdU) ansprach, blieb es leider bei grundsätzlicher Zustimmung, ohne dass konkrete Unterstützungsmöglichkeiten aus Deutschland aufgezeigt wurden. Ich bin jedoch überzeugt, dass die ungarndeutsche politische Führung Möglichkeiten hätte, etwas zu bewegen. Dafür würde man sich aber ein selbstbewuss-