Sonntagsblatt 1/2020 | Page 28

loszufahren. Trotz des Sonntags wurde nämlich auf den Feldern die reiche Ernte mit viel Fleiß und Mühe für den bevorstehenden Winter eingebracht. Die große Maschine fing an sich langsam aber sicher in Bewegung zu setzen. Die mutigeren Buben hat- ten auf der Eisenstange zwischen den beiden Anhängern Platz genommen - unter ihnen auch der schüchterne Hansi - in der Hoffnung, bei Beschleunigung des Traktors rechtzeitig herunter springen zu können. „Hochruck“ - riefen sie, und mit einem riesigen Sprung hatten sie es schon geschafft. Nur der arme Hansi blieb mit seiner kurzen Hose am Riegel der Eisenstange hängen und fiel so unter den Anhänger, sodass das große hintere Rad ihn glatt überfuhr. Das Malheur war somit passiert. Jedoch Glück im Unglück, er lebte noch! Er war nämlich auf die Seite gefallen, sodass der Anhän- ger ihn seitwärts am Becken zerquetschte, die jungen Knochen platzen ließ, aber die Innereien im Bauch dadurch nicht berühr- te. Er lag da im Staub in einem blutigen Laken. Der Riegel der Eisenstange hatte ihm den After aufgerissen, was die ungestillte Blutung verursachte. Alle Nachbarn liefen zusammen, um den schwer verletzten, doch noch lebenden Hansi zu bemitleiden. Auch seine Eltern stürzten aus dem Haus heraus, um ihren Sohn aus dem Straßenstaub zu heben und in die Obhut des altehrwür- digen Familienhauses zu tragen. Bis der Krankenwagen aus der nahe liegenden Kreisstadt Groß- sanktnikolaus (rum. Sânnicolaul Mare, ung. Nagyszentmiklós) ankam, fragten alle sich: „Wird er nun überleben oder muss die- ser doch so fromme Bub sein noch so junges Leben lassen?“ Die Zeit schien stehen zu bleiben, vom langen Warten und Bangen. Endlich kam der Rettungswagen an, die beiden Ärzte sprangen aus dem Auto und eilten im Laufschritt zum leidenden Hansi, der sich vor Schmerzen krümmte, aber bei vollem Bewusstsein war. Der ältere Arzt konnte sofort eine erste Diagnose geben: Becken- bruch, gerissener blutender After und große Unsicherheit, ob es auch lebensgefährliche innere Verletzungen gibt. So wurde der elfjährige Hansi mitten im Schuljahr sofort nach Großsanktniko- laus ins Krankenhaus geliefert, wo er schnellstens operiert wer- den musste. Gott sei Dank konnte ihm durch den schnellen und fachgerechten Eingriff das Leben gerettet werden. Er musste aber drei Monate lang das Bett hüten, und zwar in einem harten Gips um sein ganzes Becken herum. Drei Monate lang er unbeweglich im Bett im Ungewissen, jemals wieder laufen zu können. Um das Schuljahr, d.h. die 5. Klasse, nicht zu verlieren, haben sich alle rumäniendeutschen Lehrer der Grundschule in Bogarosch bereit erklärt, einmal wöchentlich den genesenden Hansi aufzusuchen und mit ihm den Lehrstoff durchzugehen. Das war für den noch immer niedergeschlagenen Jüngling eine neue Motivation, fleißig zu lernen und frische Le- benskraft zu gewinnen. Während der Genesungszeit von Oktober bis Dezember war er ständig ans Bett gebunden, konnte aber Freunde, Klassenkolle- gen, Verwandte und auch den katholischen Priester empfangen, die ihm neuen Lebensmut einflößten. In diese Zeit fiel auch das Attentat gegen US-Präsident John Kennedy am 22. November 1963 in Dallas, was den nachdenk- lichen Schüler wochenlang beschäftigte. Er hatte nämlich neben sich ein altes Orion-Radio stehen, wo er auf „Europawelle Saar“ die Tagesnachrichten aus der ganzen Welt und deutsche Schla- ger hören konnte. So war er fast den ganzen Tag mit der Außen- welt verbunden, oft auch bis spät in die Nacht hinein. Die große Welt war Anfang der 1960er Jahre aus allen Fugen geraten, es drohte sogar ein neuer Weltkrieg, der sich zu einem Atomkrieg hätte entwickeln können. Die beiden Supermächte, die USA und die Sowjetunion, hatten sich in der Schweinebucht vor Kuba in einen sich immer stärker zuspitzenden Konflikt hin- einmanövriert, der zum Ausbruch des III. Weltkrieges hätte füh- ren können. 28 Kurz vor Weihnachten teilte ihm der Facharzt mit, dass er nach einer Kontrolle im Krankenhaus den Gips entfernen wird, aber das würde mit großen Nachschmerzen einhergehen und er müs- se wieder gehen lernen. Die Krücken standen schon bereit und der schmächtige Hansi übte täglich stundenlang das Gehen mit Krücken im Schlafzim- mer. Es folgten mühsame Wochen, bis er wieder gehen lernen konnte. Kaum genesen, erfasste ihn eine innere Sehnsucht nach end- loser Bewegung: Der Frühling des Jahres 1964 trieb ihn auf die grüne Wiese am Ende der Gasse, wo er jeden Nachmittag nach dem Schulschuss und am Wochenende die große Freiheit ge- noss. Er lief und lief, flog mit dem Wind über die üppige Wiese und fühlte sich wie im Himmel. Es war der Fußball, der ihn faszinierte: Allein mit dem Ball auf weitem Feld trainierte er wie ein Wahnsinniger bis zum Umfallen und träumte davon, Fußballstar zu werden. So wurden der Herbst 1963 und der darauf folgende Winter nicht nur zu einer Periode der Genesung für ihn, sondern auch zu ei- ner Zeit der Besinnung, ja sogar zu einer Wiedergeburt aus dem Rachen des Todes. Buchempfehlung Für den Eucharistischen Kongress (Budapest, 2020) ist erschie- nen: Salamin András – Herein Mária: MAKKOS MÁRIA – MARIA EICHEL, ein zweisprachiges (ungarisch-deutsches) Gedenk- buch auf 412 Seiten, mit 546 Bildern Zahlreiche Studien und Bücher sind über die Geschichte des ein Vierteljahrtausend Jahre alten, sich im Wald von Wudigess/Bu- dakeszi befindenden Maria Eichler Gnadenortes erschienen; so könnte schon fast alles über das Leben des namhaften Gnaden- ortes bekannt sein. Als aber die in Deutschland lebende gute Be- kannte, Frau Anna von Staden - die Nachfahrin des ehemaligen Mieters/Besitzers des Maria-Eichler-Ruinenfelds -, den Autoren im Jahre 2016 zahlreiche, im Laufe ihres Lebens gesammelte, sich auf die Geschichte des Gnadenortes beziehende Dokumen- te brachte, stellte sich heraus, dass noch viele, gar nicht oder kaum bekannte besondere Ereignisse würdig sind, Allgemeingut zu werden. - Wie merkwürdig ist es, dass es auch in Bayern und in Schwaben Maria Eichel gibt (Maria Eich, Heilig Eiche), die mit der Maria Eichler Erscheinung irgendwie verbunden sind. - Die Autoren bringen die Maria verehrenden Leser mit reichem Bild- material auf geschichtliche „Streifzüge”. Das Buch ist zu kaufen: E-Mail: [email protected] Handy: +36 30 475 15 30 (András Salamin) +36 30 202 53 22 (Maria Herein) Unsere Zukunft wird auf Deutsch geschrieben! WERDEN SIE MITGLIED DER JAKOB BLEYER GEMEINSCHAFT FÜR EINE PROSPERIERENDE UNGARNDEUTSCHE ZUKUNFT! UNSER SCHICKSAL LIEGT IN UNSEREN HÄNDEN! SoNNTAGSBLATT