Sonntagsblatt 1/2020 | Page 22

Wir waren schon immer ein Teil dieses Landes Interview mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Jugendverbands der Ungarländischen Slowaken (Orga- nizácia slovenskej mládeže v Maďarsku, OSMM), Ben- ce Püski, anlässlich des 30. Jubiläums des Vereins im vergangengen Herbst SB: Herr Püski, wann und mit welchem Ziel wurde Ihre Orga- nisation gegründet und wer waren die Gründer des Jugend- verbandes? BP: Unser Verband wurde 1989 gegründet, als erster in Ungarn mit dem Ziel eine Alternative zum Verband der Slowaken in Un- garn (Zväz Slovákov v Maďarsku) zu bieten. Bereits damals traten der Organisation so viele Menschen bei, dass man Ortsgruppen, Filialen, gründen musste, beispielsweise in Čaba/Békéscsaba. Zum damaligen Zeitpunkt hatte der Verband seinen Sitz noch in Budapest. Unter den Gründern möchte ich gerne hervorheben: den bekannten ungarländisch-slowakischen Dichter Imrich Fuhl, den jetzigen Parlamentarischen Sprecher Anton Paulik, Štefan Kraszlán, der im Ministerium für Humane Ressourcen für den Nationalitätenunterricht zuständig ist, und Gabriel Hattinger, der leider nicht mehr unter uns ist. Ich würde noch gerne Mária Ma- tejdeszová erwähnen - in ihrer Amtsperiode wurde der Sitz der Organisation nach Čaba verlegt. SB: Wie stark ist der Verband zahlenmäßig? täten des Landesverbands? BP: Die regionalen Unterschiede sind recht groß, aber das ist darauf zurückzuführen, dass man unsere Organisation vielerorts nicht gut genug kennt. Die Aktivitäten in der Großen Tiefebene sind im Landesverband haushoch vertreten; das resultiert unter anderem daraus, dass wir unseren Sitz in Čaba haben, wo es auch ein slowakisches Gymnasium gibt. Wir haben noch sehr aktive Mitglieder in Budapest, die aber nicht zwangsläufig Buda- pester sind, sondern das dortige slowakische Gymnasium be- suchen. SB: Wie würden Sie die demografische, sprachliche und kul- turelle Lage der Slowaken in Ungarn beschreiben, insbeson- dere im Hinblick auf die Jugend? BP: Die Lage der ungarländischen Slowaken ist auf den ersten Blick in jeder Hinsicht ernüchternd, aber ich denke, dass nicht alles verloren ist. Wir arbeiten alle dafür, dass wir jedem Jugend- lichen ein „Identitätspaket“ mit auf den Weg geben. Denn es ist gerade das Lebensalter, in dem uns am schwersten fällt, uns zu definieren. Auch hier bedarf es kleinerer und größerer Verände- rungen und ich bin der Meinung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich muss hinzufügen, dass wir eine große Verantwortung haben, denn höchstwahrscheinlich werden aus unseren Reihen die späteren Führungspersönlichkeiten der ungarländischen Slo- waken kommen. Und wenn nicht von uns, dann woher? SB: Kehren wir für einen Moment zur Sprache zurück – wie ist die slowakische Jugend sprachlich aufgestellt? BP: Gott sei Dank konnten wir in der jüngsten Vergangenheit einen Zuwachs verzeichnen. Das führe ich darauf zurück, dass wir stellvertretenden Vorsitzenden (der Verband hat vier Vizevor- sitzende: Brigitta Horváth, Géza Háló, Vilmos Mezősi und Bence Püski, R. G.) in unterschiedlichen Teilen des Landes wohnen und versuchen, durch Besuche in den Nationalitätenschulen immer mehr Jugendliche in die Arbeit des Verbands einzubeziehen. Aber die überwiegende Mehrheit unserer Mitglieder stammt aus einer der slowakischen Gemeinden auf der Großen Tiefebene. BP: Leider ist Slowakisch heute nicht mehr unsere Mutterspra- che. Die Generation unserer Eltern spricht kaum Slowakisch, das die Muttersprache unserer Großeltern ist. Die Bewahrung des Čabaer Slowakischen ist meine Herzensangelegenheit und dazu führt der Weg über die gründliche Kenntnis der slowakischen Schriftsprache. SB: Wie leicht lassen sich heute Jugendliche gewinnen und mit welchen Programmen versuchen Sie dies zu erreichen? BP: In der Organisation benutzen wir beide Sprachen, da wir nicht nur diejenigen jungen Menschen ansprechen wollen, die die slowakische Sprache solide beherrschen, sondern auch die- jenigen, in deren Familien nur noch die alten slowakischen Tradi- tionen gepflegt werden. BP: Ich denke, im Laufe der Jahre hat sich die SMA, die Slo- wakische Jugendakademie, zu einem wahren Flaggschiff der OSMM entwickelt. Das ist Jugendlager in Sarvaš am Ufer der Toten Kreisch ein Jugendlager, das seit Jahren veranstaltet wird. Darüber hinaus nehmen wir regelmäßig an landesweiten Veran- staltungen der Slowaken teil und bieten auch zahlreiche eigene Programme an oder schließen uns als Koorganisatoren an. SB: Was sind die größten Herausforderungen auf dem Ge- biet der Jugendarbeit? BP: Ich denke, dass es in unserer Welt zunehmend schwierig wird, die Themen und Bereiche zu finden, die die Jugendlichen ansprechen – bis auf die Festivals und die Unterhaltung gera- de in einer schnelllebigen und überaus globalisierten Welt. Es ist umso schwerer, wenn wir uns auf einen solchen Bereich fo- kussieren, der nicht zu den populärsten in Ungarn gehört - und das ist kein geringerer als das Nationalitätendasein. Genauso schwierig ist die richtige Form und Plattform der Ansprache zu finden, in einer Zeit, in der fast wöchentlich neue und neue Platt- formen und Impulse auftauchen, die einen großen Einfluss auf die heutige Jugend ausüben, da sie daran gewöhnt ist. Alles in allem kämpfen wir entschlossen und voller Stolz und versuchen unsere Sprache und Identität zu bewahren und diese an die nachfolgenden Generationen zu übergeben. SB: Gibt es regionale Unterschiede hinsichtlich der Aktivi- 22 SB: Hat das Konsequenzen für den Sprachgebrauch in der Organisation? SB: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Landes- selbstverwaltung? BP: Jeder landesweite Jugendverband ist von existenzieller Be- deutung für die Nationalität und dessen ist sich auch die Lan- desselbstverwaltung der Ungarnslowaken bewusst. Es ist von Vorteil, dass unser Vorsitzender Mitglied der Landesselbstver- waltung ist, die selbst über eine Jugendkommission verfügt. SB: Wie sind die Beziehungen zum Mutterland Slowakei zu bewerten? BP: Der Gebrauch des Begriffs „Mutterland“ ist auch bei uns zu- nehmend angesagt, aber für einen durchschnittlichen älteren Slowaken stellt die Slowakei kein Mutterland dar. Die Migration im 18. Jahrhundert war letztendlich eine Binnenmigration, denn diese Slowaken lebten auch auf dem Gebiet des historischen Ungarn (auf Slowakisch „Uhorsko“ genannt). Die Tschechoslo- wakei wurde 1918 ausgerufen, was nur für mehr Distanz sorgte – darüber hinaus wurde das Slowakentum auf der Tiefebene durch die Grenzziehungen viergeteilt. Die Slowakei selbst ist ein junger Staat, so dass viele ältere Slowaken immer noch von „Tsche- choslowakei“ spricht. Wir haben keine Anekdoten über Kyrill und Method und halten Milan Rastislav Štefánik auch nicht für einen SoNNTAGSBLATT