Nationalhelden. Wir haben eigene ehrwürdige historische Per-
sönlichkeiten.
SB: Die Frage stellte ich auch deshalb, weil ich weiß, dass
Sie und Ihr Verbandsvorsitzender, Bence Szeljak, im Mutter-
land studieren. Wie sind Ihre Erfahrungen, wie werden Sie
wahrgenommen: als Slowake, Madjare oder Ungar?
BP: Ich glaube, ich kann auch im Namen der anderen behaup-
ten, dass die Universität in Neutra/Nitra eine sehr gute ist. Es
herrscht eine familiäre Atmosphäre und die Lehrer sind größten-
teils sehr anständig. Was mich überrascht hat, ist das hohe Maß
an Toleranz und Hilfsbereitschaft, die die Lehrpersonen und die
Kommilitonen uns gegenüber zeigen. Die Lehrer wissen, dass es
uns gibt - viele von ihnen waren bereits in Čaba und Umgebung
- aber die Studenten haben keine Ahnung. Sie sind aber sehr
interessiert und fragen, was uns bewegt hat in Neutra/Nitra zu
studieren und wie die Situation bei uns zu Hause ist. Gegenbei-
spiele gibt es natürlich auch immer. Ich persönlich benutze das
Attribut „Slowake“ hierzulande lieber als dort - vor allem, wenn
ich mit Slowakeimadjaren spreche; bei ihnen habe ich generell
schlechtere Erfahrungen gesammelt, aber man kann natürlich
nie verallgemeinern. Wir kämpfen gemeinsam gegen das Ge-
fühl der Minderwertigkeit - das heißt Angehörige einer Minderheit
zu sein. Unser Ziel ist es, auch ihnen die ungarländisch-slowa-
kische Kultur näherzubringen. Einmal haben wir Bryndzové ha-
lušky, also Brimsennocken und Čabianska klobása, also Wurst
aus Čaba mitgebracht. Ich muss nicht sagen, wie sehr es allen
geschmeckt hat.
SB: Herr Püski, vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Richard Guth.
Sonntagsblatt und Wirtschaft
s
„Hinter jedem Produkt
steckt eine Philosophie”
Von Richard Guth
Das Restaurant Schieszl in Kalasch/Budakalász
Schieszl – für viele in und rund um Budapest ein Inbegriff für
„Gastronomie und Wein”. Das steht in Anführungsstrichen, denn
diese Aussage stammt vom Juniorchef des Familienbetriebs,
dem gelernten Koch Konrad Schieszl jun., der seit 2001 in fünfter
Generation die Gastwirtschaft in der Hauptstraße von Kalasch/
Budakalász führt. Dafür, dass diese Aussage keine bloße Eigen-
werbung ist, bürgt meine Frau, eine wahre Gastroliebhaberin
mit (manchmal unverständlich) hohen Ansprüchen, die auf mei-
ne Anfrage hin wohl etwas mit dem Namen Schieszl anfangen
konnte.
SoNNTAGSBLATT
An diesem Dreikönigswochenende sind Restaurant und Wein-
stube gut besucht – nicht nur die Kellner haben aber alle Hän-
de voll zu tun, sondern auch Konrad Schieszl junior. Er taucht
plötzlich auf, begrüßt mich und läuft zu seinen Mitarbeitern, die
er ebenfalls mit Händedruck begrüßt – willkommen im Familien-
betrieb Schieszl.
In die Geschichte des Betriebs gewährt der Seniorchef, Konrad
Schieszl sen., einen ausführlichen Einblick. Die Geschichte der
Familie Schieszl (ursprünglich Schiessl) reicht nach seinen Erin-
nerungen in das Jahr 1896 zurück, als der Urgroßvater von Kon-
rad Schieszl sen., Johann Schieszl, beschlossen hatte, seinen
selbst angebauten Wein in einer eigenen Weinschenke, die im
Eingangsbereich des Weinkellers eingerichtet wurde, zum Kauf
anzubieten. Die Familie gehört zu den ersten deutschen Ansied-
lern von Kalasch, die sich wenige Jahre nach der Vertreibung
der Osmanen aus Ofen und Umgebung 1686 in der Gemeinde
niederließen. Oberhalb des Kellers gab es damals noch Wein-
gärten, Haus und Hof, die sich immer noch im Familienbesitz
befinden, gehörten zu den ältesten Siedlerhäusern. Nicht lange
währte jedoch das Glück von Johann Schieszl, denn die Reblaus
zerstörte die Weinplantagen - nicht nur in Kalasch, sondern in
der ganzen Umgebung – davon könnten die Braunhaxler von Alt-
ofen ein Lied singen. Der Großvater war nach Konrad Schieszls
Erinnerungen gezwungen sich neu aufzustellen. Er kaufte in
Kecskemét und Gyöngyös Trauben an, verarbeitete sie zum
Wein und bot diesen im Weinhandel an. 1914 wurde von seinem
Sohn Konrad (der erste von den drei Konrads) ein Restaurant
eröffnet, das 1940 von seinem Sohn Sebastian übernommen
wurde. Konrad widmete sich fortan dem Weinhandel – immerhin
gingen 2000 Hektoliter Wein pro Jahr über die Tresen.
Die Jahre 1945 (Einmarsch der Sowjets) und 1946 (die Vertrei-
bung) waren schicksalsträchtig für die Familie: Sebastian konnte
sich und seine Angehörigen befreien lassen, nicht so Großvater
Konrad, der in die Nähe von Schorndorf vertrieben wurde und
acht Jahre später dort starb. 1949 folgte die Verstaatlichung
des Familienbetriebs. Der Staat versuchte den 25 Joch großen
Grundbesitz des Vaters zu kollektivieren und Sebastian musste
aus gesundheitlichen Gründen diesem Druck der ständigen Re-
quirierungsmaßnahmen 1952 nachgeben: Er arbeitete zunächst
im Steinbruch, dann als Kellner an der Technischen Universität
in Budapest. Die Familie von Sebastian musste darüber hinaus
1949 binnen 24 Stunden das Haus verlassen und wurde in ein
nahegelegenes Gehöft zwangsumgesiedelt – die Verbannung
dauerte ein ganzes Jahr. Die Familie, so auch mein Gesprächs-
partner Konrad Schieszl sen., der damals neun Jahre alt war,
durfte aber dank einem Parteifunktionär, der früher Sebastians
Schulkamerad war, als Mieter wieder in das Haus einziehen, das
sie neun Jahre später zurückkaufen „durfte” - für 60.000 Forint -
was damals dem Preis dreier Einfamilienhäuser entsprach.
Sebastian Schieszl betrat 1959 wieder teilweise den Pfad der
Selbstständigkeit: Er übernahm ein Áfész (Genossenschafts-)
Restaurant in Kalasch, das früher einer anderen deutschen Fa-
milie gehörte und das er bis 1970 leitete. 1969 fing Sebastian
mit seinem Sohn Konrad sen. zusammen an (der damals bei der
LPG von Bogdan/Dunabogdány arbeitete - „unter Schwaben”
- wie er sagt), die alte Weinschenke wieder in Betrieb zu neh-
men, damals im Verbund mit der örtlichen LPG, die die Bänke
anfertigte und für den Transport des Weins aus Gyöngyös sorg-
te. Nach Erinnerungen des Seniorchefs zahlte die LPG damals
2,5 Forint pro Liter, aus denen man alle Ausgaben finanzieren
musste. 1989 wurde das Weingut der LPG in Brand gesteckt, die
politische Wende hat das alte Geschäftsmodell, was Konrad sen.
als erträglich beschrieb, ohnehin in Frage gestellt. Neben dem
Verkauf von Wein zuletzt aus Willand entschied sich Konrad sen.
eigenen Wein anzubauen – 1979 erwarb er das erste Grund-
stück im Plattenseeoberland und setzte Weinstöcke. Mittlerweile
(Fortsetzung auf Seite 24)
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