Sonntagsblatt 1/2019 | Page 24

len Slowakisch als Fremdsprache lernt, was deren Position als Amtssprache nicht gefährden würde. Denn gegenwärtig beginnt man auf einem Niveau, als würden die Kinder Slowakisch bereits können. Es ist so, als würde man einem Kleinkind ohne Deutsch- kenntnisse Deutsch beibringen wollen, als wäre es Deutscher. SB: In den letzten Monaten war ich mehrfach im ostslowa- kischen Kaschau. Einer meiner Gesprächspartner, eine Leh- rerin slowakischer Nationalität, hat darüber berichtet, dass man in der Kaschauer Innenstadt die Kunden noch in den 1980er Jahren eher auf Ungarisch angesprochen habe. Ist der ungarische Sprachgebrauch in den vergangenen drei- ßig-vierzig Jahren weniger geworden und wenn, wie stark war dieser Rückgang (oder gibt es neue Schauplätze des Sprachgebrauchs) bzw. kann man regionale Unterschiede feststellen? ZSL: Die statistischen Daten zeigen, dass in den von Madjaren bewohnten Landkreisen und Gemeinden in der Südslowakei der Anteil der Slowaken kontinuerlich steigt. Dessen Folge ist das Zurückgehen des ungarischen Sprachgebrauchs. Nicht nur deshalb, weil die zugezogenen Slowaken slowakisch sprechen, sondern weil sich ein Teil der alteingesessenen Madjaren ihnen anpasst und selbst auch eher slowakisch spricht, auch dort und dann, wo und wann er auch ungarisch sprechen könnte, zum Beispiel im Geschäft, auf dem Amt oder sogar in der Familie. Ja, auch in den Familien, denn in diesem aufgeweichten Nationali- tätenmilieu ist die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von (eth- nisch) gemischten Beziehungen größer und es kommt oft vor, dass in dem Moment, wenn ein Slowake auftaucht, die Madjaren sofort ins Slowakische wechseln, auch in dem Falle, wenn die- ser Slowake Ungarisch versteht. Die Madjaren sind sehr tolerant: 81% von ihnen stört es gar nicht, wenn in der Familie jemand eine andere Sprache spricht, 62% tolerieren es voll und ganz, wenn die Slowakeimadjaren slowakische Wörter beimischen. Dass es in der Südslowakei auf den öffentlichen Plätzen zwei- sprachige - slowakisch-ungarische - Aufschriften gibt, die wich- tige Elemente des virtuellen Sprachgebrauchs sind, halten Drei- viertel von ihnen wichtig. SB: Für die ungarländischen Deutschen spielt Deutschland als Mutterland eine sehr geringe Rolle. Wie ist es im Falle der Slowakeimadjaren: Welche Rolle spielt Ungarn in (natio- nal)politischer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht im Leben der Slowakeimadjaren? ZSL: In jeder Hinsicht eine große! Der Großteil der Slowakeima- djaren betrachtet sich als Teil der ungarischen Nation, ihre Na- tionalität entspringt nach eigenem Empfinden der Muttersprache und der eigenen Kultur, also in nationalpolitischer Hinsicht spielt es eine sehr wichtige Rolle. Jedoch spüren es die Slowakeimad- jaren auch, dass sie anders sind als die Madjaren im Mutterland und die anderen Madjaren außerhalb der Landesgrenzen, was sich darin zeigt, dass sich 37% als Slowakeimadjaren, 27% als Oberlandmadjaren („felvidéki”, ehem. Oberungarn) und 31% als Madjaren ohne jegliches Attribut betrachten. Die ungarländische madjarische/ungarische Kultur ist Teil des Lebens der Mehrheit der Slowakeimadjaren, denn sie verfolgen das ungarische Fernsehen und andere Medien, lesen ungarisch- sprachige Zeitungen und Bücher, fahren auch aus kleineren Ort- schaften regelmäßig nach Ungarn ins Theater oder machen dort einen Ausflug. Was den Bereich Wirtschaft anbelangt, habe ich neulich gelesen, dass in den vergangenen zwei Jahren 1521 Un- ternehmer und 128 Kindergärten Finanzmittel aus ungarischen Programmen erhielten, und daneben existieren ja noch andere Fördermaßnahmen von unterschiedlichen kulturellen und Bil- dungsorganisationen, aber darüber kann ich wenig berichten, denn ich verfolge dieses Gebiet nicht. Gleichzeitig fühlt sich ein Großteil der Slowakeimadjaren mit der Slowakei eng verbunden und betrachtet sich als Teil der slowaki- 24 schen Nation – im Sinne einer Staatsnation. Deswegen beklagen sich viele darüber, dass die slowakische Verfassung nicht klar und deutlich ausspricht, dass die Nationalitäten Teil der slowa- kischen Nation sind. Die Slowakeimadjaren, da sie Slowakisch sprechen, werden nicht daran gehindert, den slowakischen Me- dien und der Kultur zu folgen und diese zu kennen. Sie interes- sieren sich in erster Linie für ihre eigene Situation, was völlig nor- mal ist. Zuletzt interessierten sich 60% der Befragten für Fragen rund um die Slowakeimadjaren, 48% für Fragen rund um die Slo- wakei und 40% für die, die Ungarn betreffen. Gleichzeitig ist es interessant zu beobachten, dass ein Teil der Slowakeimadjaren Minderwertigkeitskomplexe gegenüber den Madjaren/Ungarn in Ungarn haben, was sich dadurch offenbart, dass es zwar sehr viele erfolgreiche Slowakeimadjaren - sogar international erfolg- reiche - gibt, aber diese betrachten sie nicht als mit den erfolgrei- chen Madjaren/Ungarn in Ungarn gleichwertig. Als ob wir selbst auch nur „zweitrangige” Madjaren wären! Das zeigt sich auch in den Umfragen. Die Slowakeimadjaren bewerten die Madjaren/ Ungarn in Ungarn viel positiver als sich selbst und das ist nicht nur ein Zeichen von Bescheidenheit. Deswegen hebe ich auf al- len Foren die erfolgreichen Madjaren hervor. Neuerdings halte ich Grundschülern Vorträge darüber, wie sie auch als Madjaren erfolgreich und wertvoll sein können. SB: In Ihrem Vorstellungsvideo aus den Jahren 2014/15, das man auf der Internetseite des Fórum-Instituts ansehen kann, sprechen Sie von dem schlechten Gesundheitszustand der Slowakeimadjaren, als gewissermaßen ein nationalitätenbe- zogenes Spezifikum. Haben Sie in den vergangenen Jahren in diesem Themenbereich weitere Forschungen durchge- führt? ZSL: In der Tat zeigen die überregionalen Gesundheitsstatis- tiken, dass der Anteil der an Zivilisationskrankheiten verstor- benen Frauen und Männer im erwerbsfähigen Alter in vielen Landkreisen mit madjarischer Mehrheitsbevölkerung höher ist als der Landesdurchschnitt. Das haben slowakische Demo- grafen festgestellt. Natürlich kann man aus diesen Daten nicht eindeutig den Schluss ziehen, dass dieser negative Trend den dort ansässigen Madjaren zu „verdanken” ist, aber ausschlie- ßen kann man das auch nicht. Eine Forschung, die sich auf die Untersuchung dieses (möglichen) Zusammenhanges richtete, konnte ich nicht durchführen, aber mit Lebensqualität und da- bei den gesundheitsschädigenden und -schützenden Faktoren habe ich mich mehrfach beschäftigt. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass 84% der Madjaren im Großen mit ihrem Leben zufrieden sind. Subjektiv betrachten sich Dreiviertel als gesund, darunter waren 31% schon seit längerem nicht mehr krank, 44% erkran- ken ein-zweimal im Jahr; 8% sind öfters krank, aber haben keine schwerwiegenden Erkrankungen, 11% stehen unter ständiger Behandlung und 5% sind frühverrentet. Was schlecht ist: 30% rauchen (EU-Durchschitt: 28%), unter ihnen 15% ständig oder oft; im Übrigen rauchen die Madjaren häufiger und mehr als die Slowaken. Nur 20% treiben regelmäßig Sport, d. h. täglich oder mehrmals in der Woche, so wie es die Weltgesundheitsorgani- sation WHO empfiehlt; 80% bewegen sich nicht oder zu wenig. Im Übrigen könnten unsere schlechten statistischen Ergebnisse auch eine andere nationalitätenbezogene Facette haben. Unter den genannten Landkreisen gibt auch solche, in denen viele Roma leben und auch ihr Gesundheitszustand könnte zu den negativen Trends beitragen. Und damit die Sache noch kompli- zierter wird, bekennt sich ein Teil der Roma zum Madjarentum. SB: Wie erwähnt war ich vor kurzem in Kaschau, wo eini- ge vom kontinuerlichen Verschwinden des Mantakischen berichtet haben. Ich weiß nicht, inwiefern sie die Lage der Karpatendeutschen, die ja zahlenmäßig eine viel kleinere Minderheitengemeinschaft ist, beobachten. ZSL: 2001 bekannten sich 5407 Menschen, 2011 4690 Men- SoNNTAGSBLATT