Sonntagsblatt 1/2019 | Page 10

tig, deswegen konnte man erwarten, dass die Teilnehmer von ihm begeistert sein würden, was wirklich geschah. Am ersten Tag kamen allerdings „lediglich“ Kennenlernspiele zu Stande. Es war aber kein Wunder, weil die Mehrzahl der Teilnehmer eine stun- denlange Reise hinter sich hatte; während der Kennenlernspiele erfuhren wir, dass einige Teilnehmer knapp 11 Stunden gereist waren. Der erste Tag war folglich eher ruhigerer Prägung, dafür war am nächsten Tag programmtechnisch volle Pulle angesagt. Die Mitglieder der GJU bereiteten für die Teilnehmenden eine tolle Stadtbesichtigung vor, in deren Rahmen sowohl die bekanntes- ten Orte als auch die geheimnisvollen Gässchen und Ecken der Stadt besucht wurden. Die Orte wie die evangelische Kirche, die Markthalle, die Kettenbrücke und die Burg wurden selbstredend auch nicht ausgelassen und die TeilnehmerInnen hatten auch die Möglichkeit, die Stadt auf eigene Faust zu entdecken. Im Anschluss an die Stadtbesichtigung wurde das sogenannte „Modell Europaparlament“ gespielt: Die Beteiligten nahmen also die Rolle von Abgeordneten des EU-Parlaments ein und handel- ten, als wären sie richtige Politiker und Parteien. Diese Aktivität fand bei allen Anwesenden einen richtigen Anklang und wurde als einer der besten Programmpunkte bewertet. Wem würde übrigens nicht gefallen, Entscheidungen über kostenloses Bier oder günstige Reisen auf den Mond treffen zu dürfen. Der Sonntag wurde mit einem Gottesdienst in der hiesigen deut- schen Gemeinde begonnen, dem sich ein kurzes – dafür aber sehr angenehmes und aufschlussreiches - Gespräch beim Kaf- fee und Kuchen anschloss. Die TeilnehmerInnen nutzten dann sofort die Gelegenheit, ein Foto vom Parlament zu machen, denn es befindet sich direkt gegenüber der Kirche. Weil Buda- pest eine große Stadt ist, hätte nur eine einzige Stadtbesichti- gung auf keinen Fall genügt. Die Teilnehmenden wurden daher noch einmal in die Innenstadt geschickt, um ihre Schönheiten und Geheimnisse zu enthüllen. Im Gegenteil zur ersten Besichti- gung wurde die Aktivität diesmal in Form einer Stadtrallye ausge- richtet; die TeilnehmerInnen traten während der Rallye in Kontakt mit Einheimischen, lernten interessante und in den Reisführern nicht angeführte Sehenswürdigkeiten und Gepflogenheiten ken- nen und drehten Videos, die später vor allen präsentiert wurden. Den Tag rundete ein Vortrag des slowakischen Schriftstellers und Publizisten Michal Hvorecký ab, der über die Haltung der Viseg- rád-Länder Deutschland gegenüber referierte. Am letzten Tag des Jahres wurde den TeilnehmerInnen ermög- licht, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und das auf folgende Art und Weise: Erstens am Vormittag in Kreativen Arbeitskreisen und anschließend am Nachmittag in Arbeitskreisen. In Kreativen Arbeitskreisen stellten die Teilnehmenden alle zur Party vorzube- reitenden Sachen und Dekorationen her wie z. B. Fotoecke oder Schmuckdecken. Thematisch wurde an Stephanskronen gebas- telt. In den Arbeitskreisen kam hingegen die intellektuelle Krea- tivität der TeilnehmerInnen zur Geltung, weil sie sich über die großen gesellschaftlichen Fragen unserer heutigen Welt – wie „Jung und Alt“, oder „Arm und Reich“ – Gedanken machen und etwaige Lösungen finden sollten. Es darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dass einige der Lösungen wahrhaft gescheit waren. Der Tag ging unglaublich schnell zu Ende und das Jahr unver- züglich zur Neige. Nach dem intellektuellen und produktiven „Schmaus“ begaben sich deshalb alle ins Hostel, um sich in Schale zu schmeißen. Diesen Vorbereitungen folgte eine gro- ße Silvesterfeier. Sie wurde traditionell mit einem Paarspiel und Standardtanz in Angriff genommen, denen eine richtige Party folgte. Die Teilnehmenden unterhielten sich bis tief in die Nacht und nicht unterlassen wurde es selbstverständlich, das Feuer- werk um Mitternacht anzusehen. Im Laufe des Abends sprach man ebenfalls Dankesworte aus und die Junge Aktion nahm Abschied von einer ihrer Freiwilligen, für die die Silvesterbegeg- 10 nung die letzte Veranstaltung als EVS darstellte: Folglich von mir. Am ersten Tag des Jahres wurde lediglich die Evaluation durch- geführt und am Nachmittag fingen alle an, den Weg in Richtung Heimat einzuschlagen. Alle Teilnehmenden der Silvesterbe- gegnung rutschten ins Neue Jahr mit einer guten und positiven Laune, und es muss keinen gegeben haben, der mit der Ver- anstaltung unzufrieden gewesen war. Das Programm war viel- fältig, aufschlussreich und unterhaltsam, und bot auch genug Zeit, die Stadt zu genießen und ihre Atmosphäre vollkommen einzusaugen. Ich kann mir schwerlich eine andere Veranstaltung vorstellen, wo ich mich von meinem EVS sowie von dem ganzen Jahr besser hätte verabschieden können. Das ganze Jahr war unglaublich toll – das beste Jahr meines Lebens – und die Be- gegnung hat es perfekt abgerundet. s Merkwürdigkeiten Nur mit mehr Ködj noch kein Erfolg Ein Kommentar von Richard Guth zur Rede von Emmerich Ritter in München Eine treffende Analyse der Situation der deutschen Minderheit in Ungarn! Ich kann dem von Emmerich Ritter formulierten Ziel, „mögen auch unsere Nachkommen die deutsche Muttersprache unserer Vorfahren kennen lernen”, voll und ganz zustimmen. Es ist richtig, dass die Ungarndeutschen nicht nur ein Sprach-, sondern auch ein Identitätsproblem haben. Vertreibung und Ver- schleppung hatten ihren Anteil daran, aber viel entscheidender war eine Minderheitenpolitik, die die Assimilierung der autochto- nen Minderheiten in Ungarn zum Ziel hatte – der Anspruch des sozialen Aufstiegs über die Madjarenwerdung in früheren Zeiten, die fehlende Intelligenz (jedenfalls in Trianon-Ungarn) als Wah- rer und Förderer einer (ungarländisch) deutschen Identität und der Sprachverlust aufgrund fehlender Schulen damals und auch weitgehend heute noch. So ist die Feststellung Ritters, dass es nur wenige Kinder gebe, die die Gelegenheit hätten, mit der deutschen Muttersprache aufzuwachsen (an dieser Stelle stellt er seine eigene Familie als positives Beispiel dar), folgerichtig. Die Gründe sind vielschich- tig, da hat der Abgeordnete Recht, wir können es dennoch ganz einfach auf den Punkt bringen: Die deutsche Sprache ist für die große Mehrheit der Deutschen in Ungarn keine Muttersprache mehr. Es scheint, als hätte sich der Kreis geschlossen, gäben es nicht die (leider wenigen) positiven Beispiele, die Ritter nennt - vielfach geht es da um junge Erwachsene, die die Gelegenheit hatten, die Sprache, nunmehr als fremde Großmuttersprache, an entsprechenden Einrichtungen, die es durchaus, wenn nicht flä- chendeckend, gibt, zu erlernen. Es bedarf - in einem stark unga- rischsprachigen Umfeld, mit den Kindern deutsch zu sprechen - besonderer Anstrengungen (damit beschäftigt sich auch mein Beitrag „Mut und Ausdauer können Berge versetzen” in dieser Ausgabe). Der familiäre Hintergrund ist wichtig, aber – wie die Erfahrungen der befragten deutschsprachigen ungarndeutschen Eltern zeigen - der Einfluss der Bildungseinrichtungen ist auch nicht zu unterschätzen. Daher, da stimme ich Emmerich Ritter zu, bedarf es genügend Krippen, Kindergärten und Schulen, vor allem aber auch in qualitativer Hinsicht - Einrichtungen, die „den Kindern Deutsch als Muttersprache zurückgeben können”, so der LdU-Abgeordnete. Ein hehres Ziel, was man versucht mit mehr Geld zu erreichen: Über die Erhöhung der so genannten Nationalitätenzulage von 10 auf nun 30 % und perspektivisch 40 % des Grundgehalts – was der Untergrenze einer Schulleiterzulage und der Obergren- ze für Stellvertreter entspricht, was durchaus für Konfliktpotenzial sorgen kann –, die Ausweitung bestehender Stipendienprogram- SoNNTAGSBLATT