len Slowakisch als Fremdsprache lernt, was deren Position als
Amtssprache nicht gefährden würde. Denn gegenwärtig beginnt
man auf einem Niveau, als würden die Kinder Slowakisch bereits
können. Es ist so, als würde man einem Kleinkind ohne Deutsch-
kenntnisse Deutsch beibringen wollen, als wäre es Deutscher.
SB: In den letzten Monaten war ich mehrfach im ostslowa-
kischen Kaschau. Einer meiner Gesprächspartner, eine Leh-
rerin slowakischer Nationalität, hat darüber berichtet, dass
man in der Kaschauer Innenstadt die Kunden noch in den
1980er Jahren eher auf Ungarisch angesprochen habe. Ist
der ungarische Sprachgebrauch in den vergangenen drei-
ßig-vierzig Jahren weniger geworden und wenn, wie stark
war dieser Rückgang (oder gibt es neue Schauplätze des
Sprachgebrauchs) bzw. kann man regionale Unterschiede
feststellen?
ZSL: Die statistischen Daten zeigen, dass in den von Madjaren
bewohnten Landkreisen und Gemeinden in der Südslowakei
der Anteil der Slowaken kontinuerlich steigt. Dessen Folge ist
das Zurückgehen des ungarischen Sprachgebrauchs. Nicht nur
deshalb, weil die zugezogenen Slowaken slowakisch sprechen,
sondern weil sich ein Teil der alteingesessenen Madjaren ihnen
anpasst und selbst auch eher slowakisch spricht, auch dort und
dann, wo und wann er auch ungarisch sprechen könnte, zum
Beispiel im Geschäft, auf dem Amt oder sogar in der Familie. Ja,
auch in den Familien, denn in diesem aufgeweichten Nationali-
tätenmilieu ist die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von (eth-
nisch) gemischten Beziehungen größer und es kommt oft vor,
dass in dem Moment, wenn ein Slowake auftaucht, die Madjaren
sofort ins Slowakische wechseln, auch in dem Falle, wenn die-
ser Slowake Ungarisch versteht. Die Madjaren sind sehr tolerant:
81% von ihnen stört es gar nicht, wenn in der Familie jemand
eine andere Sprache spricht, 62% tolerieren es voll und ganz,
wenn die Slowakeimadjaren slowakische Wörter beimischen.
Dass es in der Südslowakei auf den öffentlichen Plätzen zwei-
sprachige - slowakisch-ungarische - Aufschriften gibt, die wich-
tige Elemente des virtuellen Sprachgebrauchs sind, halten Drei-
viertel von ihnen wichtig.
SB: Für die ungarländischen Deutschen spielt Deutschland
als Mutterland eine sehr geringe Rolle. Wie ist es im Falle
der Slowakeimadjaren: Welche Rolle spielt Ungarn in (natio-
nal)politischer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht im
Leben der Slowakeimadjaren?
ZSL: In jeder Hinsicht eine große! Der Großteil der Slowakeima-
djaren betrachtet sich als Teil der ungarischen Nation, ihre Na-
tionalität entspringt nach eigenem Empfinden der Muttersprache
und der eigenen Kultur, also in nationalpolitischer Hinsicht spielt
es eine sehr wichtige Rolle. Jedoch spüren es die Slowakeimad-
jaren auch, dass sie anders sind als die Madjaren im Mutterland
und die anderen Madjaren außerhalb der Landesgrenzen, was
sich darin zeigt, dass sich 37% als Slowakeimadjaren, 27% als
Oberlandmadjaren („felvidéki”, ehem. Oberungarn) und 31% als
Madjaren ohne jegliches Attribut betrachten.
Die ungarländische madjarische/ungarische Kultur ist Teil des
Lebens der Mehrheit der Slowakeimadjaren, denn sie verfolgen
das ungarische Fernsehen und andere Medien, lesen ungarisch-
sprachige Zeitungen und Bücher, fahren auch aus kleineren Ort-
schaften regelmäßig nach Ungarn ins Theater oder machen dort
einen Ausflug. Was den Bereich Wirtschaft anbelangt, habe ich
neulich gelesen, dass in den vergangenen zwei Jahren 1521 Un-
ternehmer und 128 Kindergärten Finanzmittel aus ungarischen
Programmen erhielten, und daneben existieren ja noch andere
Fördermaßnahmen von unterschiedlichen kulturellen und Bil-
dungsorganisationen, aber darüber kann ich wenig berichten,
denn ich verfolge dieses Gebiet nicht.
Gleichzeitig fühlt sich ein Großteil der Slowakeimadjaren mit der
Slowakei eng verbunden und betrachtet sich als Teil der slowaki-
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schen Nation – im Sinne einer Staatsnation. Deswegen beklagen
sich viele darüber, dass die slowakische Verfassung nicht klar
und deutlich ausspricht, dass die Nationalitäten Teil der slowa-
kischen Nation sind. Die Slowakeimadjaren, da sie Slowakisch
sprechen, werden nicht daran gehindert, den slowakischen Me-
dien und der Kultur zu folgen und diese zu kennen. Sie interes-
sieren sich in erster Linie für ihre eigene Situation, was völlig nor-
mal ist. Zuletzt interessierten sich 60% der Befragten für Fragen
rund um die Slowakeimadjaren, 48% für Fragen rund um die Slo-
wakei und 40% für die, die Ungarn betreffen. Gleichzeitig ist es
interessant zu beobachten, dass ein Teil der Slowakeimadjaren
Minderwertigkeitskomplexe gegenüber den Madjaren/Ungarn in
Ungarn haben, was sich dadurch offenbart, dass es zwar sehr
viele erfolgreiche Slowakeimadjaren - sogar international erfolg-
reiche - gibt, aber diese betrachten sie nicht als mit den erfolgrei-
chen Madjaren/Ungarn in Ungarn gleichwertig. Als ob wir selbst
auch nur „zweitrangige” Madjaren wären! Das zeigt sich auch in
den Umfragen. Die Slowakeimadjaren bewerten die Madjaren/
Ungarn in Ungarn viel positiver als sich selbst und das ist nicht
nur ein Zeichen von Bescheidenheit. Deswegen hebe ich auf al-
len Foren die erfolgreichen Madjaren hervor. Neuerdings halte
ich Grundschülern Vorträge darüber, wie sie auch als Madjaren
erfolgreich und wertvoll sein können.
SB: In Ihrem Vorstellungsvideo aus den Jahren 2014/15, das
man auf der Internetseite des Fórum-Instituts ansehen kann,
sprechen Sie von dem schlechten Gesundheitszustand der
Slowakeimadjaren, als gewissermaßen ein nationalitätenbe-
zogenes Spezifikum. Haben Sie in den vergangenen Jahren
in diesem Themenbereich weitere Forschungen durchge-
führt?
ZSL: In der Tat zeigen die überregionalen Gesundheitsstatis-
tiken, dass der Anteil der an Zivilisationskrankheiten verstor-
benen Frauen und Männer im erwerbsfähigen Alter in vielen
Landkreisen mit madjarischer Mehrheitsbevölkerung höher ist
als der Landesdurchschnitt. Das haben slowakische Demo-
grafen festgestellt. Natürlich kann man aus diesen Daten nicht
eindeutig den Schluss ziehen, dass dieser negative Trend den
dort ansässigen Madjaren zu „verdanken” ist, aber ausschlie-
ßen kann man das auch nicht. Eine Forschung, die sich auf die
Untersuchung dieses (möglichen) Zusammenhanges richtete,
konnte ich nicht durchführen, aber mit Lebensqualität und da-
bei den gesundheitsschädigenden und -schützenden Faktoren
habe ich mich mehrfach beschäftigt. Die jüngsten Zahlen zeigen,
dass 84% der Madjaren im Großen mit ihrem Leben zufrieden
sind. Subjektiv betrachten sich Dreiviertel als gesund, darunter
waren 31% schon seit längerem nicht mehr krank, 44% erkran-
ken ein-zweimal im Jahr; 8% sind öfters krank, aber haben keine
schwerwiegenden Erkrankungen, 11% stehen unter ständiger
Behandlung und 5% sind frühverrentet. Was schlecht ist: 30%
rauchen (EU-Durchschitt: 28%), unter ihnen 15% ständig oder
oft; im Übrigen rauchen die Madjaren häufiger und mehr als die
Slowaken. Nur 20% treiben regelmäßig Sport, d. h. täglich oder
mehrmals in der Woche, so wie es die Weltgesundheitsorgani-
sation WHO empfiehlt; 80% bewegen sich nicht oder zu wenig.
Im Übrigen könnten unsere schlechten statistischen Ergebnisse
auch eine andere nationalitätenbezogene Facette haben. Unter
den genannten Landkreisen gibt auch solche, in denen viele
Roma leben und auch ihr Gesundheitszustand könnte zu den
negativen Trends beitragen. Und damit die Sache noch kompli-
zierter wird, bekennt sich ein Teil der Roma zum Madjarentum.
SB: Wie erwähnt war ich vor kurzem in Kaschau, wo eini-
ge vom kontinuerlichen Verschwinden des Mantakischen
berichtet haben. Ich weiß nicht, inwiefern sie die Lage der
Karpatendeutschen, die ja zahlenmäßig eine viel kleinere
Minderheitengemeinschaft ist, beobachten.
ZSL: 2001 bekannten sich 5407 Menschen, 2011 4690 Men-
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