Familiennamen hörten, verstanden diese es gar nicht, warum
sie überhaupt auf der Liste standen. Sie meinten, Fábián wäre
ein madjarischer Name, warum sollten sie umsiedeln?! Mein
Schwiegervater erwiderte, dass der Name womöglich ein madja-
rischer sei, aber wir Schwaben seien. Jedes Mal, als der Wagen
sie abholen wollte, schickte ihn der Gendarm weg, unter dem
Vorwand, sie würden noch Brot backen oder mit dem Packen
beschäftigt sein. Er konnte es bis zum Nachmittag hinauszögern,
da mussten sie zum Bahnhof. Ehe sie den Bahnhof erreichen
konnten, hat man sie unterwegs zurückgeschickt, da die Wagen
bereits voll waren. Der Zug startete erst am Abend.
Die Eisenbahnschienen verliefen nah an unserem Grundstück,
und es ertönte die Stimme der wartenden Schwaben. Ich kann
mich noch recht gut an das Lied, was sie sangen, erinnern:
Burschen, wir gehen weg,
Wir können dieses kleine Dorf nie wieder sehen.
Wir können das Gittertor nie wieder sehen,
Sagt dem, der heimkommt,
Dass ich im fremden Boden ruhe.”
Franz Rácz
„Die Familie meines Onkels / meiner Tante mütterlicherseits ha-
ben die Neusiedler („telepesek”) aus ihrem Haus geschmissen,
deswegen zogen sie zu uns. Als man uns 1947 vertreiben wollte,
lebten sie bereits bei uns, sie haben das vordere Zimmer des
Hauses erhalten. Wir standen auch auf der Liste und mussten
an dem besagten Tag auch packen. Wir durften nur ein Bündel
zusammenstellen, alles andere mussten wir zurücklassen. Rund
ums Haus lebten viele Tiere, da mein Vater als Fleischer arbeite-
te. Seine Nutztiere blieben auch hier, umsonst hat er sie aufge-
zogen. Aber nicht nur die Tiere, Möbelstücke, Kleidungsstücke,
alles.
Nachmittags gegen zwei-drei ging die Vertreibung zu Ende, die
Eisenbahnwaggons waren voll. Diejenigen, die bislang nicht
weggebracht wurden, durften bleiben, so wie wir. Es gab sehr
viele leere Häuser in Kirne, wo Madjaren aus dem ehemaligen
Oberungarn einquartiert wurden. Sie durften all ihre Besitztümer
mitnehmen, Schränke, Kleidung, Möbel, alles, was sie tragen
konnten. Inzwischen kamen auch aus den südlichen Komitaten
Neusiedler. Sie gingen von Haus zu Haus und was ihnen gefiel,
nahmen sie mit und zogen in das Haus ein, was sie angespro-
chen hat. Oft schlugen sich die Menschen, um zu entscheiden,
wer in dem jeweiligen Haus wohnen darf.
Im Jahre 1949, bei der Verstaatlichung, gelangte alles in staat-
liche Hände, und man wollte auch unser Zuhause wegnehmen.
Ich war Maurer von Beruf, aber musste im Bergwerk arbeiten,
damit ich Geld für die Ablösung des Hauses hatte. Auch so konn-
te ich nur das Gebäude kreditfinanziert bezahlen, den Garten
kaufte später die Familie meiner Tochter zurück. Es gab welche,
die ihr Grundstück nicht kaufen konnten, so hat man es ihnen
weggenommen. Die Fleischerei meines Vaters musste geschlos-
sen werden, da es nicht erlaubt war, privaten Kleinhandel zu be-
treiben. Er arbeitete eine Zeit lang am Bahnhof als Nachtwäch-
ter, danach habe ich meine Eltern zusammen mit meiner Frau
unterstützt, da sie keine Rente erhielten.”
Gehe nun im Leide
Wie im Festtagskleide,
Hast mit Küssen, Liebster,
Mich so reich geschmückt.
Will mit deinen Klagen
Dir nur eines sagen,
Ewig leiden müssen,
Ist, was mich beglückt.
SoNNTAGSBLATT
Mikrokosmos Ost- und Mitteleuropa
s
Deutsche Volksgruppen
Ohne Sprachgebrauch
keine Identität
Interview mit Dr. Zsuzsanna Lampl-Mészáros, Leiterin der
Sektion Demografische und Soziologische Studien des
Fórum-Instituts Sommerein/Šamorín und wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der Konstantin-Universität Neutra/Nitra
SB: Frau Dr. Lampl, in den letzten Monaten konnte man auch
im Ausland viel über innenpolitische Ereignisse in der Slo-
wakei lesen. Helfen Sie uns, was passiert bzw. was ist in der
Slowakei passiert?
ZSL: Februar vergangenen Jahres wurden ein Journalist und
seine Frau ermordet. Sowas ist in der Slowakei noch nie vor-
gekommen. Die Medien meinten bereits am Tag des Mordes
zu wissen, dass das eine Tat der italienischen Mafia gewesen
wäre, die eng mit der Regierung verwoben wäre. Wenige Stun-
den nach der Bekanntgabe des Mordes begannen im Facebook
die Vorbereitungen auf die Antiregierungsdemos, diejenigen
Kundgebungen, von denen wir später und seitdem überall lesen
konnten, dass sie spontan zustande gekommen wären, unter der
Führung von lediglich einigen unabhängigen Studenten im Hin-
tergrund. Aufgrund des großen Drucks dankte nach einiger Zeit
der Innenminister, dann der Ministerpräsident ab, die Regierung
wurde aber nicht gestürzt. Die Ermittlungen wurden von Anfang
an misstrauisch beobachtet, die Medien und die Opposition woll-
ten sofort Ergebnisse haben, während sie daran zweifelten, dass
die slowakischen Behörden sowas überhaupt vollbringen kön-
nen. Seitdem wurden die Täter des Doppelmordes gestellt, einer
der möglichen Drahtzieher wurde verhaftet, der ein bekannter
slowakischer Unternehmer ist, aber der Fall ist nicht abgeschlos-
sen. Ich halte jeden Mord für furchtbar und intolerabel und auch
die Liquidierung dieser zwei jungen Menschen ist inakzeptabel
wie auch die von anderen Journalisten in der Welt vor und nach
dieser Tat. Aber für mich ging es bei diesen Ereignissen vorder-
gründig um die Macht der Medien und die Manipulation durch
die Medien. Die Stimmungsmache, der zügellose Hass ohne Be-
weise und der „Hyänismus”, die ich erlebt habe, waren erschre-
ckend.
SB: Eine Besonderheit der diesjährigen Präsidentschafts-
wahlen ist, dass es zwei slowakeimadjarische Kandidaten
gibt: Einer tritt als Kandidat der Partei der Madjarischen Ko-
(Fortsetzung auf Seite 22)
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