Sonntagsblatt 1/2019 | Página 21

Familiennamen hörten, verstanden diese es gar nicht, warum sie überhaupt auf der Liste standen. Sie meinten, Fábián wäre ein madjarischer Name, warum sollten sie umsiedeln?! Mein Schwiegervater erwiderte, dass der Name womöglich ein madja- rischer sei, aber wir Schwaben seien. Jedes Mal, als der Wagen sie abholen wollte, schickte ihn der Gendarm weg, unter dem Vorwand, sie würden noch Brot backen oder mit dem Packen beschäftigt sein. Er konnte es bis zum Nachmittag hinauszögern, da mussten sie zum Bahnhof. Ehe sie den Bahnhof erreichen konnten, hat man sie unterwegs zurückgeschickt, da die Wagen bereits voll waren. Der Zug startete erst am Abend. Die Eisenbahnschienen verliefen nah an unserem Grundstück, und es ertönte die Stimme der wartenden Schwaben. Ich kann mich noch recht gut an das Lied, was sie sangen, erinnern: Burschen, wir gehen weg, Wir können dieses kleine Dorf nie wieder sehen. Wir können das Gittertor nie wieder sehen, Sagt dem, der heimkommt, Dass ich im fremden Boden ruhe.” Franz Rácz „Die Familie meines Onkels / meiner Tante mütterlicherseits ha- ben die Neusiedler („telepesek”) aus ihrem Haus geschmissen, deswegen zogen sie zu uns. Als man uns 1947 vertreiben wollte, lebten sie bereits bei uns, sie haben das vordere Zimmer des Hauses erhalten. Wir standen auch auf der Liste und mussten an dem besagten Tag auch packen. Wir durften nur ein Bündel zusammenstellen, alles andere mussten wir zurücklassen. Rund ums Haus lebten viele Tiere, da mein Vater als Fleischer arbeite- te. Seine Nutztiere blieben auch hier, umsonst hat er sie aufge- zogen. Aber nicht nur die Tiere, Möbelstücke, Kleidungsstücke, alles. Nachmittags gegen zwei-drei ging die Vertreibung zu Ende, die Eisenbahnwaggons waren voll. Diejenigen, die bislang nicht weggebracht wurden, durften bleiben, so wie wir. Es gab sehr viele leere Häuser in Kirne, wo Madjaren aus dem ehemaligen Oberungarn einquartiert wurden. Sie durften all ihre Besitztümer mitnehmen, Schränke, Kleidung, Möbel, alles, was sie tragen konnten. Inzwischen kamen auch aus den südlichen Komitaten Neusiedler. Sie gingen von Haus zu Haus und was ihnen gefiel, nahmen sie mit und zogen in das Haus ein, was sie angespro- chen hat. Oft schlugen sich die Menschen, um zu entscheiden, wer in dem jeweiligen Haus wohnen darf. Im Jahre 1949, bei der Verstaatlichung, gelangte alles in staat- liche Hände, und man wollte auch unser Zuhause wegnehmen. Ich war Maurer von Beruf, aber musste im Bergwerk arbeiten, damit ich Geld für die Ablösung des Hauses hatte. Auch so konn- te ich nur das Gebäude kreditfinanziert bezahlen, den Garten kaufte später die Familie meiner Tochter zurück. Es gab welche, die ihr Grundstück nicht kaufen konnten, so hat man es ihnen weggenommen. Die Fleischerei meines Vaters musste geschlos- sen werden, da es nicht erlaubt war, privaten Kleinhandel zu be- treiben. Er arbeitete eine Zeit lang am Bahnhof als Nachtwäch- ter, danach habe ich meine Eltern zusammen mit meiner Frau unterstützt, da sie keine Rente erhielten.” Gehe nun im Leide Wie im Festtagskleide, Hast mit Küssen, Liebster, Mich so reich geschmückt. Will mit deinen Klagen Dir nur eines sagen, Ewig leiden müssen, Ist, was mich beglückt. SoNNTAGSBLATT Mikrokosmos Ost- und Mitteleuropa s Deutsche Volksgruppen Ohne Sprachgebrauch keine Identität Interview mit Dr. Zsuzsanna Lampl-Mészáros, Leiterin der Sektion Demografische und Soziologische Studien des Fórum-Instituts Sommerein/Šamorín und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Konstantin-Universität Neutra/Nitra SB: Frau Dr. Lampl, in den letzten Monaten konnte man auch im Ausland viel über innenpolitische Ereignisse in der Slo- wakei lesen. Helfen Sie uns, was passiert bzw. was ist in der Slowakei passiert? ZSL: Februar vergangenen Jahres wurden ein Journalist und seine Frau ermordet. Sowas ist in der Slowakei noch nie vor- gekommen. Die Medien meinten bereits am Tag des Mordes zu wissen, dass das eine Tat der italienischen Mafia gewesen wäre, die eng mit der Regierung verwoben wäre. Wenige Stun- den nach der Bekanntgabe des Mordes begannen im Facebook die Vorbereitungen auf die Antiregierungsdemos, diejenigen Kundgebungen, von denen wir später und seitdem überall lesen konnten, dass sie spontan zustande gekommen wären, unter der Führung von lediglich einigen unabhängigen Studenten im Hin- tergrund. Aufgrund des großen Drucks dankte nach einiger Zeit der Innenminister, dann der Ministerpräsident ab, die Regierung wurde aber nicht gestürzt. Die Ermittlungen wurden von Anfang an misstrauisch beobachtet, die Medien und die Opposition woll- ten sofort Ergebnisse haben, während sie daran zweifelten, dass die slowakischen Behörden sowas überhaupt vollbringen kön- nen. Seitdem wurden die Täter des Doppelmordes gestellt, einer der möglichen Drahtzieher wurde verhaftet, der ein bekannter slowakischer Unternehmer ist, aber der Fall ist nicht abgeschlos- sen. Ich halte jeden Mord für furchtbar und intolerabel und auch die Liquidierung dieser zwei jungen Menschen ist inakzeptabel wie auch die von anderen Journalisten in der Welt vor und nach dieser Tat. Aber für mich ging es bei diesen Ereignissen vorder- gründig um die Macht der Medien und die Manipulation durch die Medien. Die Stimmungsmache, der zügellose Hass ohne Be- weise und der „Hyänismus”, die ich erlebt habe, waren erschre- ckend. SB: Eine Besonderheit der diesjährigen Präsidentschafts- wahlen ist, dass es zwei slowakeimadjarische Kandidaten gibt: Einer tritt als Kandidat der Partei der Madjarischen Ko- (Fortsetzung auf Seite 22) WIR WENDEN UNS AN UNSERE LANDSLEUTE IN UNGARN, LASSEN SIE DAS 1 % IHRER STEUER UNSEREM VEREIN ZUKOMMEN. Unsere Steuernummer: 18044830-1-13 WIR DANKEN FÜR IHRE HILFSBEREITSCHAFT! jakob bleyer GEMEINSCHAFT e . V . 21