Sonntagsblatt 1/2018 | Page 26

Seele ihre deutsche Nationalität behält und die deutsche Sprache als das Erbe der Ahnen pflegt ? Vielleicht machen sich einige von Ihnen auch Gedanken über diese Frage ”, so der Leserbrief von Maria Hasenfratz-Macher aus Saar in der „ Neue Zeitung ” ( 36 / 2017 ). Die von der Komitatsselbstverwaltung erwartete Antwort lasse immer noch auf sich warten , so die ehemalige Einzelhandelskauffrau , und wiederholt ihre ( rhetorische ) Frage , ob die Repräsentaten nicht uns vertreten sollten .
„ Ich bin eine Schwäbin , „ Ungarndeutsche ” passt irgendwie nicht zu mir ”, sagt sie zu Beginn des Gesprächs in ihrem Saarer Einfamilienhaus , das lange auch als ihr Arbeitsplatz diente . Ihre Familie ( Hasenfratz ) und die ihres Mannes ( Macher ) gehörten zu den ersten 29 Familien , die 1729 den Ort besiedelten . Heute seien sie das einzige Ehepaar in Saar , wo beide Ehepartner den ersten Ansiedlern entstammten . Sie selbst gehört einer Generation an , die in der Schule kein Deutsch hatte ( bis auf die zwei Nachmittagsstunden ), so erlernte sie – mit gewissen Mundartkenntnissen im Hintergrund – die Hochsprache beim Lesen und Radiohören . Auch der Kontakt zu den heimatvertriebenen Saarern hätte ihr dabei geholfen , wobei man mit ihnen in erster Linie „ Saarisch ” sprechen würde . Es ist mittlerweile fast 72 Jahre her – die Vertreibung fand in Saar am 11 . Mai 1946 statt –, dass 553 Dorfebewohner ihre Heimat verlassen mussten . Von den 1000 verbliebenen Deutschen wurden 1948 wiederum 28 Familien enteignet und nach Vérteskozma vertrieben : Nach der Rückkehr mussten sie ihr Hab und Gut zurückkaufen . Die darauf folgenden Jahrzehnte hat Hasenfratz-Macher als die des großen Wandels erlebt : „ Noch in den Siebzigerjahren haben mich meist ältere Frauen im Laden auf Schwäbisch angesprochen . Jeder kannte damals jeden . Aber durch den Zuzug von Ortsfremden ist das heute nicht mehr so . Wenn ich heute mit meiner 86-jährigen Mutter durch die Gassen spaziere , sagen wir uns immer , in welchen Häusern noch Alteingesessene wohnen . In vielen Häusern wohnen mittlerweile Neuzugezogene .”
Auch hinsichtlich Identität erlebt die Schwäbin einen Wandel , wenngleich sie die Bemühungen der Jugend hoffnungsvoll beobachte . Für sie selbst steht fest : Keine Doppelidentität , wie das ihr Vater damals lehrte : „ Seine Sprache und seinen Glauben soll man nie aufgeben .” Für sie war es auch ein wichtiger Moment , als sie noch vor der Wende den alten Familiennamen zurückgenommen hat : Der Großvater ließ kurz dem nach Krieg und der Vertreibung den Familiennamen Hasenfratz ( ein Familienname Werischwarer Ursprungs ) in „ Harmat ” ändern lassen . „ Ich war aber leider die Einzige in der Großfamilie , die diesen Schritt vollzogen hat ”, so Hasenfratz-Macher .
Maria Hasenfratz-Macher liege dabei viel daran , der Jugend Mut zu machen , es nicht aufzugeben , insbesondere die Kultur und das Glaubensleben . Gerade im religiösen Leben schmerzt es sie , dass es keine deutschen Messen in regelmäßigen Abständen gibt . Es hätte Versuche gegeben , die aber nicht von langer Dauer gewesen wären . Ihr sind darüber hinaus die Reisen im Land wichtig : in andere ungarndeutsche Gemeinden , unter anderen vom Landesrat organisiert , wo „ man erleben kann , wie es bei anderen Schwaben ist . Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit , dass wir nicht alleine sind , ist unbezahlbar .”
Ein Gefühl , das nach ihren Worten die heimatvertriebenen Saarer immer noch so schmerzlich vermissen würden . Wie sie zu sagen pflegten : „ Wir haben olles , nur wir sind nicht daham .”
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Einsichten – Ansichten - Wahlen
Das Dilemma der Ungarndeutschen
- eine kritische Meinung zu den bevorstehenden Wahlen

Von Dr . Jenő Kaltenbach s

Fidesz machte damals ein „ Geschenk “ für die Nationalitäten mit dem Gesetz , das – theoretisch - die lange ungelöste parlamentarische Vertretung möglich machte . Dabei haben sie es so gedreht , dass nur zwei Nationalitäten , die Roma und die Deutschen , überhaupt dazu eine reale Chance haben sollen . Bei den Roma war es durch die Alleinherrschaft des Fidesz-Manns Florián Farkas bereits gewährleisten , dass nur ein fidesznaher Kandidat zum Zuge kommen kann , und die Deutschen haben Herrn Ritter zum Kandidaten gekürt , der vorher ein Fidesz-Bürgermeisterkandidat in Wudersch war . Ganz schön schlau . Oder eher hinterhältig ?
Ein weiterer Vorteil für Fidesz war , dass sie mit diesem Schachzug , durch die weitere Zersplitterung der Stimmen , gleichzeitig die Chancen der Opposition geschmälert haben . Auch nicht schlecht .
Die Minderheitenbürokraten waren verständlicherweise glücklich , sie bekamen doch eine Garantie , dass einer von ihnen zumindest als Sprecher einen Sessel im Parlament ergattert . Die Minderheitenwähler spielten aber nicht ganz ( bzw . nur beim Sprecher , was nichts kostet ) mit , weil sie das Spiel , vermutlich , durchschaut haben , und nicht bereit waren ihre Möglichkeit , die Geschicke des Landes mitbestimmen zu können , für einen fast wertlosen Posten ( bzw . einen Posten , wo die Aufwand nicht im Verhältnis zum Gewinn steht ) aufzugeben .
Jetzt stehen wir wieder vor den Wahlen , und die LdU rührt die Werbetrommel für Herrn Ritters erneute Kandidatur . Ich habe in den letzten vier Jahren kaum etwas über die Erfolge unseres Parlamentssprechers erfahren , obwohl ich ein fleißiger Zeitungsleser bin . Es steht zwar auf ihrer Internetseite , dass die LdU Herrn Ritter erneut zum Spitzenkandidat gewählt hat ( vermutlich einstimmig ), aber ich habe kein Dokument unseres Sprechers gelesen , in dem er über seine bisherige Erfolge , geschweige sein Programm , berichtet hätte . So ist die Gefahr ziemlich groß , dass die vielgepriesene Parteineutralität der LdU nur eine Ausrede ist um sich parteipolitisch engagierte Ungarndeutsche aus der regierungsnahen LdU fernzuhalten .
Es ist übrigens äußerst fragwürdig , ob so eine Personalpolitik mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsprinzip zu vereinbaren ist . Die ungarndeutsche Gemeinschaft ist auch politisch keine Insel , sondern ein gut integrierter Teil der Gesellschaft . Laut LdU kann man nicht gleichzeitig als Ungarndeutscher und als ungarischer Staatsbürger Verantwortung übernehmen , es sei denn , man ist loyal zur Regierung . Demokratieverständnis wie im Mittelalter .
Nun müssen sich die Ungarndeutschen wieder entscheiden , ob sie als Bürger des Landes ihre Zukunft mitgestalten wollen , oder sie schenken ihre Unterstützung einem Kandidaten , dessen Möglichkeiten , milde ausgedrückt , ziemlich begrenzt sind . Die LdU beschreibt zwar mit blumigen Worten die großen Vorteile eines richtigen Abgeordneten , aber die bisherige Geschichte lehrt uns , dass im ungarischen Parlament nicht nur ein einziger Abgeordneter , sondern selbst eine relativ große Oppositionsfraktion nichts bewegen kann . ( Es sei denn , die zwei aussichtsreichen Kandidaten , nämlich der Kandidat der Roma und der der Deutschen , haben es eigentlich nur vor mit ihrer „ Regierungstreue “ manche Almosen herausholen zu können .) Da ein Sprecher eigentlich fast „ nichts kostet “, wäre das die klügste Lösung , weil jede Stimme , die in der Hoffnung auf einen deutschen Abgeordneten , auch mit Blick auf diese nicht unwahrscheinliche parteipolitische Gefahr , wahrlich eine Verschwendung wäre .
Der einzige Fall , wo ein deutscher Abgeordneter wahrlich wichtig wäre , ist , wenn er das Zünglein an der Waage spielen könnte , aber danach sieht es überhaupt nicht aus . Ungarn steht vor einer Schicksalswahl . Entweder bleibt Fidesz und damit eine korrupte Autokratie , oder die Menschen dieses vielgescholtenen Landes nehmen ihr Schicksal in die eigene Hand . Da zählt jede Stimme , und es ist eigentlich eine Schande , dass die LdU ihre Wähler in die Irre führt .
Übrigens , die anständige Lösung für die Parlamentsvertretung der Nationalitäten wäre gewesen , wenn nicht die Stimmen auf der Landesliste als Maßstab gelten würden , sondern wenn man , nach dem bekannten Prinzip der personellen Autonomie , gesagt hätte , die Nationalitäten sind zwar nicht geografisch , aber personell eigentlich ein Wahlkreis , also man bekommt ein Mandat ,
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