Was ist die Sprache
des Herzens?
Mit diesem Titel fand eine Konferenz am 26. November 2015
statt, organisiert vom Budaörser Jakob Bleyer Heimatmuseum
Viele Ungarndeutsche in meinem Alter liebten schon in ihrer
Kind heit die deutsche Sprache, weil die vertriebenen Verwandten
aus Deutschland ihre Heimat beinahe jedes Jahr aufgesucht hat-
ten. Sie sprachen auf ihren ungarndeutschen Dialekten, erzählten
interessante Geschichten über ihre Kindheit und stellten uns Kin -
dern immer diese Frage: „Was ist Zuhause?”. „Zuhause” bedeu-
tete für sie ihre Heimat, ihr ungarisches Heimatdorf: Heimat war
für diese Generation ein anderes Wort für Paradies, aus dem sie
vertrieben wurden. Ich liebte wegen der Geschichte meiner Groß -
eltern die deutsche Sprache und lernte gerne Deutsch auch in der
Schule. In erster Linie waren für mich jedoch Menschen meine
Heimat, die mir wichtig und heilig waren, wie zum Beispiel meine
Großväter, die nach dem Zweiten Weltkrieg alles verloren hatten
oder die Verwandten in Deutschland, die sich immer nach ihrer
Heimat – nach ihrem verlorenen Paradies – sehnten. Es ist mir lei-
der auch klar, wie schwierig das war, was unsere Großeltern verlo-
ren hatten: ihr Zuhause, ihre Arbeit, ihr Paradies…Denn ihr
Leben nach der Vertreibung, in einem ausgebombten Deutsch -
land war nur von einem bestimmt: vom Mangel an allem. Daran
knüpften auch die Erinnerungen meiner Großeltern und ihrer
Familienmitglieder, wenn wir auf die Jahre nach 1946 zu sprechen
kamen. Trotzdem fühlten sie sich nicht ausgelastet: sie schufteten
und hatten neben ihrem typischen Fleiß eine andere Waffe, ihre
Muttersprache!
Was ist die Sprache unseren Herzens? Welche Sprache sprechen
wir gerne? Unsere Muttersprache? Die ungarische oder die deut-
sche Sprache? Wie sprechen heute die Ungarndeutschen? Diese
Fragen wollten wir auf der Konferenz „Die Sprache des Herzens” –
Eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Sprache der Ungarn -
deutschen, organisiert vom Jakob Bleyer Heimat mu seum (im Ver -
an staltungssaal des städtischen Jugendklubs von Budaörs) beant-
worten. Das Thema wurde in drei Sektionen bearbeitet: in der ers-
ten Sektion wurden mit Hilfe der Universitäts dozentin Frau Dr.
Maria Erb und den Universitätsdozenten Dr. Gábor Ke rekes und
Dr. Koloman Brenner über die gegenwärtige Sprach situation und
Literatur der Ungarndeutschen, über Dia lekte und über weitere
Forschungsergebnisse interessante Vorträge gehalten.
In der zweiten Sektion haben junge ungarndeutsche Dich -
terinnen, Angela Korb und Susi Csilla Szabó, und der Dichter und
Universitätsprofessor Dr. Nelu Bradean-Ebinger ihre Gedichte
vorgelesen.
In der dritten Sektion kamen dann die erfolgreichen Beispiele
auf dem Gebiet der gegenwärtigen ungarndeutschen Sprache und
Kultur: Gabi Jaszmann hat einen interessanten Vortrag über die
ungarndeutschen Heimatmuseen gehalten, dann konnten die
Schauspielerinnen der Schaumarer Amateurenspielgruppe
„Kom panei” – mit Hilfe ihrer Regisseurin, Hilda Hartmann- Hel -
lebrandt – einen Teil aus ihrem Mundartstück zeigen und mit dem
Publikum über ihre Arbeit sprechen, danach hielt der Chef -
redakteur der Neuen Zeitung, Herr Johann Schuth einen Vortrag
über persönliche Erfahrungen.
Der Anteil der Jugendlichen war auf dieser Konferenz erfreu-
lich hoch – es kamen sogar Schülerinnen aus Werischwar, aus dem
Schiller Gymnasium und auch vom Budapester Nationalitäten -
gymnasium. Hiermit möchte ich mich auch für die Arbeit, Hilfe
der Direktorinnen, Pädagogen zahlreicher ungarndeutschen
Schu len, Gymnasien bedanken! Die Konferenz lieferte den An -
wesenden zahlreiche Impulse und Anregungen, was viele
„Arbeiten, Berichte” der ungarndeutschen Schülerinnen bewei-
sen: viele schrieben uns nach der Konferenz– in der Sprache ihres
Herzens, also auf Deutsch – Berichte: „Mir gefiel die Vorlesung auf
jeden Fall, aber ich bin mir ganz sicher, dass es meine Klassenka -
meraden auch überzeugt hat, was wir gehört haben. Der große App -
laus am End eben wies das ganz sicher” (Achtklässler von der Jakob
Bleyer Deutschen Nationalitäten Grundschule Budaörs) Dafür,
für die Förderung der ungarndeutschen Identität, für die Sprache
unseres Herzens arbeiten wir, um Verbundenheit zu schaffen und
ungarndeutsche Kenntnisse, Schätze zu vermitteln. Vielen Dank!
Dr. Kathi Gajdos-Frank,
Direktorin des Jakob Bleyer Heimatmuseums und
Organisatorin der Konferenz
KOMMENTAR zu obigem Artikel
Ein guter Artikel! Eine gut organisierte Veranstaltung! Und wie es
scheint, alle sind zufrieden: die Organisatoren, die Vortragenden
und auch das Publikum. Doch die ‘Nichtdabeigewesenen’ gehen
leer aus. Ihre Neugierde wird nicht befriedigt. Es fehlt aus dem
Artikel die Antwort auf die Frage, die der Veranstaltung als Titel
vorangestellt worden war (und jetzt auch den Bericht darüber ein-
leitet), nämlich: Was ist die Sprache des Herzens? Ja, was ist sie?
Im Sonntagsblatt Nr. 3/2015 endete der Leitartikel „Ein Streif -
zug rund um die Muttersprache” mit der Feststellung „Mutter -
sprache ist die Sprache des Herzens“ oder eben umgekehrt for-
muliert: Die Sprache des Herzens ist die Muttersprache! Diese
Feststellung war als Erklärung und Aufklärung gedacht. Sie sollte
ein Appell an unsere heutige ungarndeutsche Jugend sein, die in
der Statistik der Volkszählung von 2011 beinah vollzählig als
„magyar anyanyelvû” (ungarischer Muttersprache) erscheint. Ein
unmöglicher Zustand, wo doch heute viele unserer Jugendlichen
wieder gut deutsch können, das Deutsche als ihre liebste Sprache
nennen, mit anderen Worten es als die Sprache ihres Herzens
erklären. Dies wieder bedeutet doch, dass die als amtlich betrach-
tete Definition „Muttersprache ist jene Sprache, die wir als Kind
von der Mutter erlernt haben” unhaltbar, also falsch ist. (Un -
garische)Sprache von Müttern erlernt, die aus Zwang der Zeit
auch schon von ihrer kaum ungarisch sprechenden deutschen
Mutter Ungarisch als Muttersprache geerbt haben!
Nun endlich eine Veranstaltung, die, um die von ihr gestellte
Frage zu beantworten, den unhaltbaren Zustand betreffend Mut -
ter sprache der Ungarndeutschen hätte aufdecken und behandeln
sollen/können.
Also, die Frage „Was ist die Sprache des Herzens” bekam bei
dieser Veranstaltung nur eine ‘verwaschene’ Antwort (geschrieben
von Schülern mit ungarischer Muttersprache), mit dem Ergebnis
ungefähr so: …viele schrieben uns nach der Konferenz – in der
Sprache ihres Herzens, also auf Deutsch – Berichte: „Mir gefiel die
Vorlesung…ich bin mir ganz sicher, dass es meine Klassenkameraden
auch überzeugt hat, was wir gehört haben. Der große Applaus am
End eben bewies das ganz sicher”. Überzeugt? Was? Wovon? Über
Muttersprache? Aber nein! Darüber wurde ja nicht gesprochen.
– ri –
O
Dr. Gábor Frank erhielt
den Nationalitätenpreis
Als Anerkennung für seine in den Bereichen der ungarndeutschen
Bildung und Erziehung, sowie der Nationalitätenpolitik ausgeüb-
ten Tätigkeiten konnte am 17. Dezember Dr. Gábor Frank den
Nationalitätenpreis übernehmen.
(Fortsetzung auf Seite 6)
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