Die großzügigen und energischen Maßnahmen brachten ihre Früchte. In der Mitte des Jahres 1946 war schon ein System der Na tionalitätenschulen ausgebaut. Bis zu der Zeit wurden 21 Schu- len mit Serbo – Kroatisch als Unterrichtssprache eingerichtet, außer dem gab es 15 auf Serbisch unterrichtende griechisch-orthodoxe Schulen. Auf Rumänisch unterrichtende Schulen gab es 8, dazu kamen noch die 4 rumänischsprachigen griechisch-orthodoxen Grundschulen. Die Slowaken hatten 11 Schulen mit Slowa- kisch als Unterrichtssprache. Langsam entfaltete sich auch der Mit tel- und Hochschulunterricht der Nationalitäten. In Békés- csaba wurde ein slowakisches Gymnasium, in Tótkomlós eine vierklassige Bürgerschule, in Fünfkirchen( Pécs) und in Frankenstadt( Baja) ein serbo – kroatisches Lyzeum und Lehrerbildungsinstitut eröffnet.
Trotz des guten Willens der ungarischen Regierung war die Entwicklung des Nationalitätenschulsystems nicht reibungslos. So nicht einmal bei den südslawischen Schulen, deren Entwicklung der Regierung – schon als Erwiderung der guten kulturellen Lage des in Jugoslawien lebenden Ungartums – sehr auf dem Herzen lag. Die südslawischen Eltern erhofften nämlich das Fortkommen ihrer Kinder vor allem von der Aneignung der ungarischen Spra- che, so drückten sie sich vor den Nationalitätenschulen. Zur Ent- haltung vermahnte sie auch das Gerücht, dass bei dem Bevöl- kerungsaustausch, über den die Verhandlungen noch liefen, vor allem die Bejaher der südslawischen Schulen ausgesiedelt würden. Im Frühjahr 1947 gab es außer 15 griechisch-orthodoxen serbischen und 2 römisch-katholischen südslawischen Schulen formell noch 42 südslawische Staatsgrundschulen – doppelt soviel also als vor einem Jahr – doch waren in 17 von denen keine südslawischen Schüler eingeschrieben und in 11 von den anderen 25 Schulen erreichte die Schülerzahl nicht einmal die in der Ver- ordnung bestimmte 15 Mann.
Die Lage des rumänischen Unterrichts in Hinsicht der Grundschulen war 1947 praktisch unverändert. Weiterhin gab es 8 staatliche und – den früheren 4 gegenüber – 3 griechisch-orthodoxe rumänisch unterrichtende Schulen. Dem Mittelschulunterricht war es aber ein großer Fortschritt, dass im Schuljahr 1946 / 47 in Jula( Gyula) das rumänische Gymnasium eingerichtet wurde.
1947 klärte sich langsam auch die bisher trübe und unübersichtige Lage der slowakischen Schulen. Obwohl den heimischen Slowaken ab 1945 ein ausreichendes Schulsystem zur Verfügung stand – noch 8 slowakische Grundschulen und 1 Gymnasium( in Békéscsaba) – doch war das Schicksal dieser Schulen lange noch unsicher. Nicht nur der Verzug der tschechoslowakisch – ungarischen Verhandlungen über den Bevölkerungsaustausch verhinderte die slowakische Schulung, sondern auch die – die tschechoslowakische Ansicht teilende – Auffassung der heimischen Slowa- ki schen Leiter, der nach die nationale Minderheiten mittels Be- völ kerungsaustausch beseitigt würden, folglich blieben Zehn- tausende von ungarischen Kindern jahrelang ohne Schule. Die ungarische Regierung war mit dieser Auffassung nicht einverstanden, und nicht einmal als Retorsion wurden in Ungarn die slowakischen Schulen aufgelassen. Diese Schulen wurden aber – auf die Hetze ihrer Leiter – gerade von den heimischen Slowaken boykottiert, soweit, dass das slowakische Gymnasium in Békéscsaba 1947 keinen Schüler hatte.
In der Nationalitätenfrage war aber auch der ungarische Standpunkt nicht konsequent. Während die ungarische Regierung das Auflassen der ungarischen Schulen in der Slowakei verurteilte, hat sie denselben Fehler seiner eigenen Nationalität, den Deutschen gegenüber begangen. Ende September 1945 wurde ein Entwurf über den Nationalitätenunterricht angefertigt, dessen Punkt 23. erklärt: „... die deutschsprachigen Eltern, die Mitglieder des Volksbunds waren, dürfen bis 1. Januar 1950 die in dieser Ver- ordnung gesicherten Rechte nicht ausüben( die Nationalitäten- schu lung also; B. B.).” Am 10. Februar 1947 wurde der Pariser Friedensvertrag zwischen Ungarn und der Tschechoslowakei unterzeichnet und das begünstigte die Beendung der sich verzogenen und komplizierten Beratungen über den Bevölkerungsaustausch. Die Slowaken selbst verlangten jetzt das Einrichten von slowakischsprachigen Schulen in Békéscsaba, Tótkomlós, Szarvas, Gerendás, Csabacsûd und Kenderes. In den ersten zwei Siedlungen wurde gleich mit dem Unterricht angefangen und auch in den anderen wurde eine baldige Lösung versprochen- Die Wende 1947 / 48 in Ungarn schien neue Möglichkeiten für die Lösung der Nationalitätenfrage zu bieten. Das wurde auch von der im Sommer 1948 gegründeten kommunistischen Einheits- partei, von der Partei der Ungarischen Werktätigen versprochen in ihrer Programmerklärung. Die Verpflichtung der Ungarischen Volksrepublik der Gleichberechtigung der Nationalitäten gegenüber bewies auch der Gesetzartikel Nr. LX. des Jahres 1948, der die Verfassung der Organisation der Vereinten Nationen für Er- ziehung, Wissenschaft und Kultur( UNESCO) inartikulierte. Noch größere Bedeutung hatte die im Sommer 1949 verabschiedete Verfassung, dessen § 49. erklärt: „ Die Staatsbürger der Unga- rischen Volksrepublik sind vor dem Gericht gleich und genießen die selben Rechte. Jede nachteilige Unterscheidung der Bürger nach Geschlecht, Konfession oder Nationalität wird gesetzlich streng bestraft. Die Ungarische Volksrepublik sichert jeder Na- tionalität auf ihrem Gebiet die Möglichkeit des Unterrichtes in der Muttersprache und der Pflege der Nationalitätenkultur.”
Obwohl die Verfassung den Nationalitäten zweifelsohne breite Rechte sichert, hat sie einen großen Mangel: die Nationalitäten- rechte werden hier bloß deklariert, aber nicht garantiert. In der künstlich gemachten euforistischen Stimmung der damaligen Zei- ten ist es aber niemandem aufgefallen, umso weniger, da die Ur- sachen, die die Nationalitätenprobleme immer aktuell hielten, sich zu lösen schienen: die deutschen Aussiedlungen und der tsche choslowakisch – ungarische, bzw. jugoslawisch – ungarische Bevölkerungsaustausch.
Die Angst vor dem Bekenntnis der Nationalitätenzugehörigkeit löste sich aber nur sehr langsam auf. Das beweist die erste Volks- zählung nach dem zweiten Weltkrieg, die am 1. Januar 1949 durch geführt wurde. Bei dieser Volkszählung bekannten sich der Muttersprache nach 22 455 als Deutsche, 14 713 als Rumäne, 30 054 als Südslawe und 25 988 als Slowake, die Zahl der Nationalitäten- angehörigen erreichte also kaum die 92 210. Die neugegründete Nationalitätenabteilung des Ministeriums für Kultus und Unterrichtswesen sammelte bis Ende 1948 die Ergebnisse und die bevorstehenden Aufgaben auf dem Gebiet des Nationalitätenunterrichts und veröffentlichte sie. Das Bild machte von beiden Seiten einen positiven Eindruck. Zwar hat sich die Zahl der slowakischen Schulen zur Lage Mitte 1946 von 11 auf 7 vermindert, diese Tatsache ist aber mit den Heimsuchungen des Bevölkerungsaustausches zu erklären. Die Zahl der südslawischen Schulen war der Lage Mitte 1946 gegenüber( 21 staatliche und 15 kirchliche, also insgesamt 36 Schulen) 1948 / 49 auf 60 erhöht. Die Rumänen hatten Mitte 1946 8 staatliche und 4 kirchliche, insgesamt also 12 Schulen. 1948 hatten sie fast das Zwei- fache, 23; 8 davon mit Rumänisch als Unterrichtssprache, 15 mit Rumänisch als Schulfach. Als Vorzeichen der Änderung in der deutschen Nationalitätenpolitik – und damit ja in der Schulpolitik – werden 1950 auf den deutschsprachigen Gebieten einige Schu- len eingerichtet, in denen die Muttersprache als Schulfach. in 2 Stunden pro Woche unterrichtet wird. Diese vielversprechende Entwicklung des Nationalitätenunter- richts wurde von der dogmatischen – sektiererischen Politik, die in
20