eine neue Gemeinde aufbauen oder übernehmen und sich an die- se Gemeinschaft gewöhnen. Die Gemeinde muss sich auch an den neuen Priester gewöhnen. Welche positiven und welche negativen Auswirkungen hat so ein Umzug? Das kann vor allem positive Auswirkungen haben für die Priester. Man ist wieder mehr gefordert, man kommt auf neue Ideen, die einem auf dem alten Platz nicht mehr eingefallen sind. Neue Möglichkeiten erschließen sich, und die Gemeinde bekommt auch eine neue Sichtweise, die Predigten verändern sich, es kommt was Neues, es wird was weggelassen. Es gibt auch welche, denen es nicht passt, und auch welche, die sich darüber freuen. Wie ist es für Sie persönlich gewesen, von Nadasch nach Bonnhard zu ziehen? Das war nicht einfach Ich war dreizehn Jahre in Nadasch, ich hatte sehr viele persönliche Kontakte geknüpft, es hat mir dort gut ge- fal len, aber im Priestertum ist es drin, dass man manchmal umziehen muss. Also es kommt nie unerwartet, dass man eine Dispo- sition bekommt. Ich bin mit Freude hier nach Bonnhard gekommen und hab Nadasch meinem Nachfolger hinterlassen. Ist es im Falle der ungarndeutschen Orte oder Priester eine zusätzliche Aufgabe, für die deutschen Messen zu sorgen? Wird das berücksichtigt bei den Umzügen? Wenn der Nachfolger deutsch spricht, wie jetzt in Nadasch mein Nachfolger, dann kann er die Messe auf Deutsch lesen, aber er pre digt nicht deutsch. Der Bischof nimmt ein bisschen Rücksicht, sicher. Aber da gibt es so viel, was er bedenken muss, ich weiß nicht, ob das in der ersten Reihe steht, ob einer deutsch spricht oder nicht. Wichtig ist, dass dort, wo Anspruch auf die deutsche Sprache ist, die Leute deutsch singen und beten können, während und außerhalb der Messe, dass der Priester es zulässt, dass die Leu te den Glauben in der Muttersprache ausüben können, und sofern er deutsch spricht, hilft er da mit. Wie sieht es derzeit mit diesem Anspruch aus? Ich kenne keine Probleme, mehr oder weniger ist das gelöst. Natürlich ist die deutsche Sprache als Minderheitensprache sehr zurückgegangen, schon in den letzten Jahrzehnten. Seit dem letzten Jahr hat sich nichts verändert. Was ist Ihre Aufgabe in diesem Bereich als Referent für Nationalitä- ten der Diözese Fünfkirchen? Zum Beispiel, wenn ein Priester nicht Deutsch kann, aber die Gemeinde eine deutsche Messe möchte zum Kirchweihtag oder zu einem besonderen Fest, dann kann der Priester mich rufen und ich lese die deutsche Messe oder verschiedene Gottesdienste. Im Sommer habe ich auch mehrere Trauungen in deutscher Sprache gehalten. Meine Aufgabe ist, die deutschen Wallfahrten zu organisieren. Alles, was mit deutscher Minderheit und Glauben zu tun hat gehört zu mir. Tauscht man sich unter den Pfarrern auch aus, gerade bei so einem Umzug? Ja, wir treffen uns regelmäßig, da wird darüber gesprochen, wie die eine und wie die andere Gemeinde ist, was man hier und dort gemacht hat, was zu machen wäre, was habe ich nicht gemacht, aber was ich dem anderen rate zu machen. Was ist Ihr Ziel hier in Bonnhard? Ich lerne die Leute kennen. Es gibt hier mehrere kleine Ge- meinschaften. Wir hatten auch viel mit dem Religionsunterricht zu tun. Das Pfarrhaus muss renoviert werden. Wie oft gibt es denn in Bonnhard eine deutsche Messe? Normalerweise einmal im Monat, am ersten Sonntag im Monat, um halb acht in der Früh. Gab es keine Anfrage bezüglich einer Erhöhung dieser Zahl? Da gab es keine Anfrage und ich möchte das jetzt auch nicht er- weitern. Aber wenn eine größere Gruppe kommt, mehr als zwanzig Leute, oder eine Pilgergruppe, die eine deutsche Messe haben möchte, dann besteht die Möglichkeit, dazu eine Extramesse in deutscher Sprache einzusetzen.
Christina Arnold( Entnommen aus Neue Zeitung, Budapest)
Ja, Pfarrer Wiegand steht auch anderenorts gerne zur Verfü- gung, wenn er gefordert wird. Dazu ein Beispiel:
„ Septemberfest” in Nagykozár
Jedes Jahr organisiert die Deutsche Selbstverwaltung in Nagyko- zár einen „ Deutschen Nationalitäten Nachmittag”, mit dem die Deutsche Tradition wiederbelebt werden soll. Sie fand im letzten Jahr am 26. September statt. Das Programm begann mit einer deutschsprachigen Römisch- Katholischen Messe, die von Pfarrer Stefan Wigand zelebriert wurde.
Weiter ging es um 17.00 Uhr mit einer bunten Kulturveranstal- tung im Kulturhaus, wo unsere örtlichen Kulturgruppen mit Sang, Tanz und Blasmusik auftraten.
Im Anschluß wurden die Gäste mit einem Pörkölt, Pogatschen und Getränken bewirtet.
Der Tag endete jedoch nicht mit einem deftigen Mahl: Die An- wesenden konnten bei einem Ball noch einmal kräftig das Tanz- bein schwingen.
Wir freuen uns sehr, dass wir mit unserer Initiative aus unseren Traditionen schöpfen und diese hierdurch Fortleben lassen können.
Mária Baron-Herbely Präsidentin der Deutschen Selbstverwaltung Nagykozár
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Handlungen aus dem geschichtlichen Kontext betrachtet
Blickwechsel Ungarn: die Wahrheit dazwischen?!
Dass aktuelle ungarische Positionen und Reaktionen oft auf Unverständnis bei deutschen Gemütern stoßen, ist eine Tatsache. Zurückzuführen ist die wohl darauf, dass der Blick für die gewachsene Geschichte dahinter fehlt, um sich ein Urteil bilden zu können. Das wurde den 50 Teilnehmern des Fairen Frühstücks am 28. November deutlich. Der Diözesanfachausschuss „ Verantwortung für die Eine Welt” des Kolpingwerkes hatte einen Kenner sowohl der ungarischen als auch deutschen Geschichte eingeladen. Prof. Nelu Bradean-Ebinger ist tätig an der wirtschafts wissen schaft- lichen Corvinus-Uni ver sität in Budapest. Eben falls war er Profes- sor für germanistische Lin guistik an der Uni ver sität in Miskolc. Seine deutschen Vorfahren kamen als sog. Do nau schwa- ben nach Un garn.
Selbst Teilhabender an der ungarischen Ge schichte gab Bradean-Ebinger einen kur- zen Abriss über die Ge- schichte Un garns, die klar die Unterdrückung des Vol- kes für lange Jahrzehnte unter wechselnden Herr-
v. l.: Erwin Fath, Alois Zeller, Prof. Nelu Bradean- Ebinger, Sonja Tomaschek, Franz Mayer
schaf ten widerspiegelt. Er hob hervor, dass Ungarn heute frei und eine parlamentarische Republik sei – demokratisch organisiert. Das kleine Land, bevölkerungszahlenmäßig kleiner als Bayern, erlebte 2010 einen politischen Wechsel, der 2014 eine Bestätigung erhielt.
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