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2015.02.12.
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Schachern und Schuften, darum sein ganzes Leben voller Plagen,
Mühen, ohne Rast und allzu oft auch ohne viel Glück und Fröh -
lichkeit.
Dieser Ernst kennzeichnet vor allem seine Arbeit; kennzeichnet
sein Heim und auch sein Dorf, in dem er daheim ist. Auf sein
Haus ist er gerade so stolz wie auf seine Gemeinde. Und mit vol-
lem Recht. Die kleinsten Dörfer sind Träger seines Fleißes, seiner
Tüchtigkeit und seiner Reinlichkeit. Drei Eigenschaften, die den
Schwaben in der Schwäbischen Türkei überall kennzeichnen.
Auch der Bildungseifer verleiht diesem Menschen einen schönen
Charakterzug. Er schickt seine Kinder mit großer Freude zur
Schule. Auch als gereifter Mann strebt er noch nach Erweiterung
der Fachkenntnisse, Gerne liest er auch Bücher, die ihm über
Geschehnisse in der weiten Welt, über große Kriege und von ge -
mütlichen Geschichten erzählen. Nichts gilt als schändlicher wie
Rückständigkeit und Unkenntnis. Menschen, die er als dumm
erkannt hat, verlieren in seinen Augen allen Wert. Nach seinem
Ermessen ist Bildung und Wissen das höchste Gut des Menschen.
Auf seine studierten Söhne ist darum ein jeder Schwabe besonders
stolz. Biederer Stolz und wohlberechtigtes Selbstbewusstsein
gehören überhaupt zum Volkscharakter des ungarländischen
Schwa ben. Ob Bauer oder Handwerker, unser Schwabe ist sich
seines Wertes, seiner Arbeitsleistung stets bewusst. Dieses gesun-
de Selbstbewusstsein zeigt sich auch in seinem Gehaben. Da er
aber von Hause aus ein friedliches Herz und eine gutmütige Seele
hat, ist es sehr leicht, mit ihm gut auszukommen. Es gehört zu sei-
nen schönsten Eigenschaften, dass er allen seinen Vorgesetzten
gegenüber aufrichtigen Respekt bewahrt. Der Pfarrer ist in seinen
Augen ein begnadeter Mann, dessen Wort ihm immer viel galt.
Auch die weltlichen Behörden kommen leicht mit ihm aus, weil er
ihre Überlegenheit und Macht natürlicherweise anerkennt.
Man hätte vom deutschen Bauer der Schwäbischen Türkei aber
einen falschen Begriff, dächte man, er kenne nur Arbeit, Vor -
wärtsstreben, Sparsamkeit, Ernst und sei sonst ein hölzerner, lang-
weiliger Mensch. Im Sommer, wo er ganz und gar in seiner Arbeit
aufgeht, ist freilich schwer an ihn heranzukommen. Umso mehr
Zeit und Lust findet er aber im Winter für die gemütlicheren
Zeiten des Lebens.
Wen die ersten Anzeichen des nahenden Winters sich melden
und die bis spät in den Herbst hinein betriebene Arbeit draußen
zu ruhen beginnt, da vollzieht sich ein eigentümlicher Wandel in
den Häusern und Herzen unserer Schwaben. Schon im Spätherbst
beleben sich die „Spinnstuben”, wohin sich allabends die Dorf -
jugend zu Spinn- und Strickarbeit, zu Spiel und Singsang versam-
melt und wo – wie ein altes Mütterlein es einmal sagte – auch die
ersten schüchternen Schritte zu vielen Ehebünden getan werden.
Kommt dann später der erste Frost, so beginnt das von allen mit
großer Freude erwartete Schweineschlachten, das dann am Abend
bei geselligem Beisammensein der „Freundschaft” als Sautanz,
Wurstsuppe oder Stichbraten großartig, ja festlich gefeiert wird.
Auch an gutem Wein – den sie ohnedies nicht verkaufen können –
fehlt es natürlich nicht. Manchmal bedient man sich sogar der
beliebten Blechmusikkapelle, damit auch an fröhlichem Tanz kein
Mangel sei. Beim Schmaus im Freundeskreis zeigt sich unser
Bauer von ganz anderer Seite. Ist der schwäbische Bauer sonst
zumeist wortkarg, sorgenbeladen und auch etwas schwerfällig, so
kommt hier gerade seine wahre Freude am Leben ungeschminkt,
oft wirklich rührend in seiner Schlichtheit und Natürlichkeit, zum
Vorschein. Da werden alte, gemütstiefe, echte Weisen gesungen
über Liebe, Treue und Kriegskameradschaft, da werden auch
recht kräftige Scherze auf verschmitzte Art erzählt und der impro-
visierte Tanz bei einfacher Gelegenheitsmusik, dem beliebten
Harmonikaspiel, wird auch nicht verschmäht.
Wirkliche Feste, voll kräftiger Freude und erquickender
Lebenslust, sind aber die zumeist im Winter veranstalteten Hoch -
zeiten, die oft zwei–drei Tage hindurch dauern. Auch die Ärmsten
bleiben bei solchen Anlässen hinter den Wohlhabenderen nicht
zurück. Zu solchen hochfeierlichen Festen werden oft über hun-
dert Gäste geladen. Die Hochzeit wird in der Schwäbischen
Türkei mit getreuer Bewahrung ältester Sitten gefeiert. Beson -
dere Bräuche dienen zum Abholen der Braut aus dem Elternhaus,
wie zum Einlass des jungen, sich anvertrauten Ehepaares. Überall
werden hierbei althergebrachte Sprüche mit besonderer Zere -
monie verwendet. Ganz urhafte Bräuche kommen beim Braut -
kranzabholen, bei der Bescherung der Braut und der Beglück -
wünschung des jungen Ehepaares zum Vorschein. Die am Abend
des Hochzeitstages bis spät in die Nacht hinein aufgeführten
Gesellschaftstänze, wie der Teufelstanz, Scheitertanz, Nonnentanz
usw. sind alle ältestes Brauchtum, die zum größten Teil noch aus
der Urheimat herstammen.
Auch sonst ist das deutsche Bauerntum der Schwäbischen
Türkei noch heute sehr reich an alten Sitten, Spielen, Sprüchen,
Zauberformeln, Tänzen, Märchen, an verheimlichtem und ängst-
lich behütetem Volksglauben. Unwillkürlich wirft sich die Frage
auf: Wieso kommt es, dass dieses deutschungarische Bauerntum,
sich in so unverfälschter Artung bis auf den heutigen Tag erhalten
hat? Man kann ruhig behaupten, dass dies vor Allem einer bald
bewussten, bald unbewussten Zähigkeit und einem blutbedingten
Festhalten an seiner Volklichkeit, als dessen stolzer, ja glücklicher
Träger sich der Bauer fühlt, zuzuschreiben ist. Dass die letzten
zwei Jahrhunderte aber sein Wesen und seine Art fast um nichts
in der neuen Heimat schmälerten, dass der deutsche Volkcha -
rakter sich in seiner Urkräftigkeit erhalten hatte, ist auch dem
Umstande zu danken, dass die Dörfer dieser ihrer Herkunft nach
zumeist fränkischen Siedler zum größten Teil abseits vom großen
Verkehr – also von Bahnen und größeren Städten – liegen. Man
muss auch heute noch oft 3–4 Stunden im hügeligen Gelände wan-
dern oder mit Wagen fahren, bis man eine Eisenbahnlinie
erreicht. Wenn dann im Herbst die regnerische Zeit anhebt, sind
auf den unwegsamen Landstraßen viele der Gemeinden fast nicht
zu erreichen. In letzter Zeit wurde auch in der schwäbischen
Türkei ein großzügiger Landstraßenbau unternommen. Bis vor
kurzem aber waren im Winter die Dörfer vollständig eingeregnet
und eingeschneit, und die Bauern verließen nur in äußerst wichti-
gen Angelegenheiten ihre Gemarkung, um in eine der nächsten
kleinen Städte zu fahren. Für die restlose Erhaltung ihres
Volkstums war auch der Umstand äußerst förderlich, dass sich der
überwiegende Teil der deutschen Gemeinden der Schwäbischen
Türkei in einem nahezu geschlossenen Siedlungsraum befindet.
Die an der Grenze dieser deutschen Siedlungsfläche liegenden,
also an den großen ungarischen Volkboden angrenzenden deut-
schen Gemeinden zeigen diesen unverkümmerten Ahnencha -
rakter in ihrer Mundart sowohl, wie in ihren Sitten an einzelnen
Stellen schon nicht mehr auf. Diese Fälle sind aber von ganz
geringem Ausmaß.
Wenn man von einem Rückgang spricht, so erstreckt sich die
Abschwächung des ursprünglichen Volkscharakters, besonders
aber die Verkümmerung bäuerlicher Mundart und deutscher
Sprach kenntnis, sowie die Auflockerung althergebrachter deut-
scher Volksbräuche nur auf einzelne Gemeinden des Bakonyer
Waldes und des Somogyer Komitates.
Fortsetzung folgt
Das LESEN des Sonntagsblattes
weckt das NACHDENKEN
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