Sonntagsblatt 1/2015 | Page 28

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wichtiger Teil meiner Identität, aber die Sprache allein genügt m. E. nicht um das „ schwäbische” Bewusstsein am Leben zu erhalten. Viele bestreiten diese Meinung, aber wenn man beachtet, dass man eine Sprache in einer Sprachschule auch genauso perfekt erlernen kann und man bekommt dadurch keine emotionale Bindung zu dem Volk, dessen Muttersprache die jeweilige Sprache ist, dann denke ich, dass ich Recht habe. Sprache allein hilft nicht die Identität zu stärken. Man braucht die Traditionen, die Rückerinnerung an die Vergangenheit, an die Alltage und Feste unserer Ahnen – selbst dann, wenn sie keine lebende Tradi- tionen mehr sind.
Ich bin froh, dass ich in eine ungarndeutsche Familie hineingeboren wurde und bin meinen Eltern sehr dankbar dafür, dass sie ihre Identität nicht aufgegeben und sie mir vererbt haben. Ich bin bestrebt, auch dasselbe zu tun und meinen drei Kindern mein un- garndeutsches Bewusstsein weiterzugeben.

Unser Volk, unser Stolz, unser Glück

von Dr. Franz Anton Basch –( Fortsetzung – 2. Teil)
Wir bringen nachstehenden Artikel, der im „ Deutscher Volkskalender des Un- gar ländischen Deutschen Volksbildungsvereins”( Jahrgang 1933 – S. 88 – 103) erschienen ist in vollem Wortlaut, jedoch in Fortsetzungen, da seiner Länge we gen dies nur so möglich ist.
Der erste Teil ist in der letzten Nummer des Sonntagsblattes( 6 / 2014) ge- bracht worden.
Es ist empfehlenswert, den vollständigen Artikel zu lesen, weil wir dadurch die andere, die menschliche Seite des als „ Kriegsverbrecher und Vaterlands verräter” zum Tode verurteilten und hingerichteten Volksgruppenführers Dr. Franz Anton Basch wohl als Märtyrer seines ungarndeutschen Volkes kennenlernen dürfen.
Aber auch viele andere, von Generation zu Generation vererbten Sitten und Bräuche leben noch immer unversehrt in den deutschsprachigen Dörfern. So die alten Christkindlspiele, Herodes-, Ge- no veva-, heil. drei König-, Weihnacht- und Osterspiele, die wir im Ofner Bergland ebenso vorfinden, wie im Schildgebirge oder in der Schwäbischen Türkei( Komitat Tolna, Baranya und Somogy). In der Umgebung von Mór im Bakonyer Wald, dieser auch in Österreich ihres guten Weines wegen bekannter deutscher Groß- gemeinde sind noch alte Faschingsbräuche und ganz urhaft anmutende Hochzeitssitten vorhanden. Die durch den deutschungarischen Führer Dr. Jakob Bleyer geförderte deutsche volkskundliche Forschung entdeckte in den letzten Jahren eine ganze Reihe von uralten deutschen Sitten und Bräuchen, wie die des Mai- baumsetzens, des Pfingstlümmelreitens, des Kukurutzstrohtrei- bens, des Hutzelsonntags usw. Alle diese Bräuche sind noch lebendiges Volkstumsgut. Wan- dert man durch die milde, sanft behügelte Schwäbische Türkei, durch die hier befindlichen über 200 deutsche Gemeinden, so kann man gesundes, unverfälschtes Volkstum in ein-zwei Tagen kennenlernen.
Auch hier ist der Träger dieses Volkstums der deutsche Bauer. Und dieser Bauer hat schwer und zäh zu arbeiten. Er muss seinen Pflug bergauf und bergab ziehen lassen und im Schweiße seines Angesichts sein tägliches Brot und jährliches Vorwärtskommen erkämpfen. Es werden hier oft Berge bis zur Spitze mit Weizen und Roggen bebaut und Reben bepflanzt. Eine Arbeitsleistung, die von den Ungarn stets mit aufrichtiger Bewunderung bestaunt wurde. Aber nicht nur seine mustergültige Saatbestellung, auch seine mit aller Sorgfalt betriebene Viehzucht kennzeichnet den deutschen Bauern der Schwäbischen Türkei als erstrangigen Land wirten. Die Viehzucht ist hier der Augapfel der bäuerlichen Wirtschaft. Auf diesem Wirtschaftsgebiet ist er auch heute noch von allen Seiten aufrichtig bewundertes Muster, dem auch die Viehzucht des Landes viel zu verdanken hat. Fast in allen Gemeinden der Schwäbischen Türkei, wo der Grundbesitz infolge des beschränkten Raumes im vorherrschenden Hügelgelände niemals ein bescheidenes Maß übersteigt, gehört es zu der auffallenden Eigentümlichkeit des Bauerhofes, dass die Stallungen an Größe und baulicher Schönheit das Wohnhaus zumeist übertreffen. Das hat einen sehr einfachen Grund. Als sich nämlich am Ende des( Ersten) Weltkrieges die Räumlichkeiten des Bauern- hauses als zu klein oder zu wenig erwiesen, sahen sich viele schwäbische Bauern gezwungen, neu zu bauen. Zum Neubau des ganzen Hauses reichten die Mittel zumeist nicht. Man ließ also wenigstens neue moderne und nach allen Regeln der neuzeitlichen Landwirtschaft ersonnene Stallungen für Kühe, Pferde, oft sogar auch für Schweine erbauen. Der Bauer selbst begnügte sich mit dem alten Wohnhause, mit den kleinen Stuben, an denen an der Zimmerdecke die gemeißelten Balken herausstanden und der Holzboden noch zumeist fehlte und war froh, dass der Vater wenigstens das Stroh- und Schilfdach mit einem Ziegeldach ersetzte. Darüber, dass er auf seinen Viehstand mehr Gewicht legte als auf sich und seine Familie, darüber zu witzeln wäre aber sehr ungerecht. Der Bauer, dieser gesündeste Mensch deutschen Schlages – wie Nietzsche sagt – und besonders dieser Bauer des Siedlergeschlechtes, lebt niemals für sich, für seine Bequem- lichkeit oder sein persönliches Wohlergehen. Dieser Bauer lebt nur für die Zukunft aller kommenden Familienglieder. Wer viel unter Bauern lebt, wer in ihnen seine Ahnen verehrt, wird das verstehen. Wäre dem nicht so, wie sollte man denn den bei unseren Bauern so stark entwickelten Sinn für Sparsamkeit, sich selbst nichts vergönnen, anders erklären? Keine andre Menschenklasse lebt in so blind hingegebener, sich selbst nur als Werkzeug be- trachtender Fürsorge für das kommende Geschlecht wie gerade der Bauer. Dieser prächtige Naturtrieb ist bei unseren deutschungarischen Bauern, weil er von seinem natürlichen Gemeinschafts- geist noch sehr wenig eingebüßt hat, in alter ungeschwächter Urkraft auch heute noch vorhanden. Man muss einen solchen Bauern einmal lebhaft vor sich haben, versuchen an ihn heranzukommen, durch gütige und aufrichtige Worte zu sein Schicksal anknüpfen, ihn langsam und mit Geduld anwärmen wie einen Kachelofen, – dann enthüllt sich der prächtige Mensch, der er ist, von selbst. Unzählige Mal war ich Augenzeuge folgender Szene: Da sitzt ein älterer Bauer, verschlossen, karg, herb und einfach, der alle seine Gefühle sorgfältigst unter der harten Kruste seines knorrigen Herzens verbirgt, allem aufmerksam zuhört, nicht ja sagt, aber auch nicht nein sagt, von Kopf bis zur Sohle voll höflichen Misstrauens ist, keine Miene verzieht, vielleicht im Ge- heimen nur an seine Sorgen und an seine Arbeit denkt … Er brächte es fertig, das stundenlang so zu machen. Da geschieht auf einmal etwas Seltsames. Die Tochter nimmt das kleine Enkelkind aus der wiege und legt das schreiende winzige Geschöpf in die Arme des Alten. Und siehe: Der alte Bauer, der mit seinen Worten so kargte, der alte Knabe, der nie lächerlich sein wollte, immer seinen harten Ernst bewahrte, fängt an vor meinen Augen herumzuhüpfen, gibt lallende Laute von sich und gebärdet sich so drollig als möglich, alles nur, um dieses kostbarste kleine Menschenkind lächelnd und glücklich zu sehen. Herrlich, rührend, unendlich menschlich ist so ein alter Bauer!
Für solche kleine Menschenkinder, in denen er unbewusst nur Keten kommender Geschlechter sieht, lebt, arbeitet, schafft und opfert er sich. Darum sein Knausern und Knickern, darum sein
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