sb15-1: sb14-2. qxd 2015.02.12. 8:44 Oldal 14
ken, dass in Wetschesch 1902 die Muttersprache aus der Schule „ gekehrt” wurde, sie wurde nicht mal als Fach unterrichtet. Seit den Achtzigerjahren gibt es gewisse Veränderungen, und wir sind hoffnungsvoll, denn eine der Schulen, in der alle Schüler am Nationalitätenprogramm teilnehmen, wurde von der örtlichen Nationalitätenselbstverwaltung übernommen, das kann inhaltliche Veränderungen bedeuten, das erhoffen wir sehr, und die verbesserte Finanzlage ermöglicht der Schule hoffentlich die Kulturund Traditionspflege zu stärken, und hoffentlich führt es auch zu einer Stärkung des Sprachunterrichts, denn der trägt oft nicht besonders viele Früchte. Und das hat viele Grüne: Es mangelt an einem sprachlichen Umfeld … LS: Die deutsch – ungarischen Beziehungen, die sich über Jahrhun- derte erstrecken, waren im Laufe der Geschichte mal so, mal so, im positiven und negativem Sinne, wie sehen Sie jetzt die Gegenwart und Zukunft? MF: Ich habe gehört, dass diese deutsch-ungarische Kommission nicht nur eine formelle Funktion haben wird, sondern dass es regelmäßig Verhandlungen, Abstimmungen geben wird, dies weckt womöglich Hoffnungen, aber ich denke, dass die Deutschen tausende andere Fragen beschäftigen, was 1990 noch nicht absehbar war. LS: Was möchten Sie noch unbedingt für die Wetschescher Schwa- bengemeinschaft auf die Beine stellen? Denn das Heimatmuseum steht, aber, wie Sie formulierten, bedarf es noch mehr. MF: Die Stadt kaufte das Gebäude, die Einnahmen des Kraut festes wurden sechs Jahre von den Jugendlichen auf ein Stif tungskonto eingezahlt. Diese Summe betrug 2010 5 Millionen Fo rint( 17 000 Euro. R. G.). Aus der Summe ließ diese junge Gene ration das Haus einrichten. Dann haben sie gesagt, dass wir an Stelle der abgerissenen Ställe einen Platz einrichten, der als Ort für Zusammenkünfte dienen kann. Ein Heimatmuseum zum Anschauen nutzt nicht viel, deshalb möchte ich es mit Leben füllen. LS: Dieses stolze Selbstbewusstsein, was damals die Gemeinschaft verspürte, wann könnte es wieder in der damaligen Form nach Wet- schesch zurückkehren? MF: Ich weiß es nicht, dass es in der damaligen Form wiederaufsteht, aber ich sehe es so, dass sich bei der Volkszählung eher die jüngeren Generation als der Nationalität zugehörig bekannte. LS: Wird es gelingen, die richtige Annäherungsweise zu finden, mental, nach Jahrzehnten des Zwanges, in den ja das schwäbische Selbst- be wusstsein verheimlicht und geleugnet werden musste? MF: Ich denke, dass wir hinsichtlich der Heimatliebe vielen ein Beispiel geben können. Wenn wir an Wetschesch denken: Als 200.000 Menschen das Land verlassen haben( nach der Revolution von 1956, R. G.), gingen aus Wetschesch wenige weg, es fehlte die Abenteuerlust. Als die Amnestiegesetze erlassen wurden, kamen ja viele zurück. Darin sehe ich also einen Grund, warum die Mehrheitsbevölkerung uns schätzen soll. Das andere ist die Liebe zur Arbeit, das ist zweifelsohne, und dass wir mit dem Kultur- verein Reisen unter dem Motto „ Besuch in Schwabendörfern” anbieten, das ist ein Beweis für unsere Heimatliebe.
Attila Csernok: Madjaren – Nationalitäten – Trianon
Der Beitrag ist auf der Internetseite www. kommunista. net erschienen. Wir veröffentlichen den Beitrag in mehreren Teilen. Sie lesen Teil 4 – Übersetzung: Richard Guth
Auf einer Internetseite habe ich folgenden Satz gelesen: „ In der Welt geschichte war der Friedensvertrag der ungerechteste und bru talste.” Welchen Zweck hätte heute so ein Satz? Was kann man heute damit anfangen? Erstens: Ich habe Angst, dass wir nicht alle Ungerechtigkeiten der Weltgeschichte kennen. Nicht ein mal die Ungerechtigkeiten aller jemals geschlossenen Frie- densverträge. Einen Großteil dessen hat man weder in Friedensoder in anderer Form verfasst. Ohne jegliche Verträge hat man einige Hunderttausend oder ein – zwei Millionen „ Einheimische”, Indianer, Kurden oder Armenier getötet. Zweitens: Wenn wir im Falle von Trianon nicht nur die territorialen Fragen beleuchten, sondern auch die Bevölkerungsanteile dazu nehmen, dann ist das Bild bei weitem nicht so „ grausam”. Seien wir vorsichtig mit Superlativen. Was sollen die Kurden dazu sagen? Ein Volk mit 26 Millionen Angehörigen, das in der jüngsten Vergangenheit nie eine Heimat hatte und auch heute zerstreut in vier Staaten lebt. Oder die Armenier, die wurden von den Türken massakriert, vor nicht allzu langer Zeit. Drittens: Eine Nation, die 700 000 ihrer Staatsbürger zum Teil ermordete, zum Teil ohne Gewissensbissen auswies und in den Tod schickte – Juden, Roma, Kommunisten, bürgerliche Demokraten, Sozialdemokraten –, tut es besser, nicht derartige Begriffe in den Mund zu nehmen wie „ am ungerechtesten und am brutalsten”. Auch deshalb nicht, weil beispielsweise nach dem Trianon-Vertrag, der als „ brutalsmöglich” deklariert wurde, der madjarische Bauer unter tschechoslowakischer Herrschaft als Bürger eines demokratischen Staates aufgrund der Bodenreform der Regierung Bodenbesitz erhielt, im Gegensatz zu seinem in Ungarn verbliebenen Genossen.( Wir können nicht gerade stolz darauf sein, dass nach 1938, als sie in den Schoß des Mutterlandes zurückkehrten, die feudalistische, ständische Macht diesen Bodenbesitz ihnen wegnahm und den alten Grundherren zurückgab.) Im Gegensatz dazu wurden die in die Todeslager deportierten, als Arbeitsdienstler auf die Front geschickten oder in der Heimat gebliebenen Landsleute vergast, auf Minenfelder getrieben oder in Massengräber geschossen. Von 700.000 kehrten nur 17 % zurück, also 120.000 zermürbte, gebrochene Menschen.( Kende, 1989, 32 – 33)
Viele unserer Landsleute sind sich im Klaren, dass es nicht sonderlich klug wäre, die Ergebnisse der Volkszählung von 1910 zu leugnen. Ein Großteil von ihnen mag es auch nicht, wenn sie mit diesen Daten konfrontiert werden. Sie flüchten vor den Zahlen. Sie wollen den Tatsachen nicht ins Auge schauen, ihre Welt ist die des Glaubens, eine mystische Welt, so dass es viel einfacher ist zu schreien. Es ist viel erhebender, die Karte von Großungarn hochzuhalten, zwei- und dreifarbige Fahnen wehen zu lassen, als sich mit „ gefälschten”, „ landesverräterischen”, „ kommunistischen”, gar „ Kádár’ schen” statistischen Angaben zu beschäftigen. Die Gebildeteren, die etwas Gemäßigteren, die Wenigen, die bereit sind über statistische Angaben, über Anteile der Madjaren und der Nationalitäten zu sprechen, versuchen die Nationalitäten- mehrheit derart zu erklären( und dabei den Widerspruch aufzulösen), dass sie behaupten, es gäbe kein Volk, das man Nationalität nennt.( Es hat mich überrascht, was sich meine lieben und erfinderischen Landsleute einfallen lassen, um unser Minderheiten- dasein im eigenen Land zu kompensieren. Ideenreich waren wir schon immer.) Lieber Leser! Ein Volk namens „ Nationalität” gibt es in der Tat keines, das ist die Wahrheit. Es ist auch wahr, dass die im Karpatenbecken ansässige Bevölkerung nichtungarischer Sprache – Deutsche, Kroaten, Rumänen, Ruthenen, Serben, Slo- waken und Slowenen – nie eine Einheit bildete. Jede Nationalität hatte ihre eigenen Interessen, sie beschritten eigene Wege. Höchstwahrscheinlich waren sie sogar zerstritten. Aber lediglich
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