SchollZ außen war der Weihnachtsmarkt friedlich und schön, aber wenn man das Treiben hier genauer betrachtete, merkte man, dass etwas nicht stimmte: die heimlich hin und her huschenden Blicke, das verschwörerische Augenzwinkern... Hier lief nicht alles so wie es sollte; heimliche Geschäfte, schreckliche Versprechen. Wenn in dem Punsch etwas drin war, das da nicht rein gehörte, dann wäre meine ganze Ausbildung umsonst, ich würde alles vergessen... Aber ich musste es wagen, für die Kinder in der Welt, für Kre, für mich. Ich hob den Becher an meinen Mund und trank entschlossen einen großen Schluck. Dann wartete ich, was wohl gleich mit mir passieren würde? Entweder gar nichts oder aber ich würde in der nächsten Sekunde umkippen und ein halbes Jahr im Koma sein und außerdem würde ich dann alles vergessen, was ich in meinen 1 3 Lebensjahren von Kre gelernt hatte, mal schauen. Es passierte nichts, noch nichts, schließlich hatte ich den Punsch erst vor ein paar Sekunden getrunken. Aber nach elf Minuten stillem Dastehen bewegte ich mich langsam, der Punsch war anscheinend nicht illegal. Sofort lies ich den Becher fallen und der Rest der warmen Flüssigkeit ergoss sich vor meinen Füßen. Ich lehnte mich weit über die Theke und blickte dem Mann mit der roten Knubbelnase fest in die Augen. „ Könnte ich bitte alles von dem Punsch kaufen?“ fragte ich ihn mit fester Stimme. „ Hat er ihnen so gut geschmeckt? Aber es tut mir leid, wir dürfen ihn nicht verkaufen, nicht alles.“ Anscheinend verstand er noch nicht richtig, aber das würde er schon noch tun. Er hielt meinem Blick nicht lange stand und schaute sich hilflos um. Aber da war keiner. „ Passen sie mal auf mein Herr! Ich gebe ihnen 2. 000 Euro, mehr nicht und weniger nicht!“, Kre hatte mir zum Schluss noch gesagt, ich könnte so viel Geld ausgeben wie nötig und er hatte mir unauffällig 5. 000 Euro zugesteckt. Das hatte ich natürlich gemerkt, ich hatte besonders gute Augen und wenn ich wollte konnte ich mit meinem Blick auch Leute zum Weinen bringen. Der Mann blickte mich mit riesengroßen Augen an. „ Na wenn das so ist, werde ich natürlich noch mal mit meinem Chef sprechen, aber sie müssen kurz warten, ich will ihn anrufen!“ beeilte sich der dicke Mann. Er verschwand und die Leute hinter mir regten sich auf und viele gingen einfach zum nächsten Stand. Nur zwei waren noch da, ein Ehepaar. Es unterhielt sich gerade über Atommüll und Babynahrung, ich wartete ungeduldig und lauschte auf das Gespräch des
Punschverkäufers und seinem Chef. Das war doch nicht zu fassen! Sie sprachen gerade über die Bedienung eines Computers! Nach einer gefühlten Stunde wurde es mir zu viel, ich sah mich verstohlen um und huschte schnell um den Stand herum. Da stand er, der Verkäufer und unterhielt sich mit einem seligen Lächeln übers Kochen. Ich wartete bis er mir den Rücken zuwandte und flitzte durch die Hintertür in den Stand. Ich bückte mich schnell hinter der Theke und kramte ungeduldig ein Bündel Geld aus meiner Jackentasche, dass müssten ungefähr 2. 000 Euro gewesen sein. Dann schaute ich mich hastig nach einem Stein um, legte das Geld darunter und kritzelte schnell eine Notiz auf ein Taschentuch: Lieber Herr! Ich bin wahrscheinlich schon über alle Berge wenn sie das hier lesen. Vielen Dank für den Punsch! Die 2. 000 Euro habe ich ihnen hier gelassen! Auf Wiedersehen! Ich ließ das Taschentuch fallen als ich hinter mir hörte wie sich der Verkäufer von seinem Chef verabschiedete und sprang über die Theke und riss aus Versehen einen Porzellan-Weihnachtsmann mit mir, der dann schäppernd auf dem Boden in tausend Teile zersprang. Aber ich rannte trotzdem weiter, meine Mütze wehte mir vom Kopf, aber das war egal, ich hörte nur noch wie eine immer leiser werdende Stimme nach mir schrie. Dann hob ich endlich ab und hörte nichts mehr, nur den rauschenden Wind, mit dem ich jetzt immer höher in die Lüfte stieg und zurück nach Karaban flog.
„ Und was hast du heraus gefunden?“ fragte mich Kre ruhig. Nach meiner Ankunft in Karaban hatte er mich sofort abgefangen, ich konnte ihn noch überreden, mich wenigstens eine Stunde auszuruhen, denn zu fliegen ist sehr anstrengend. Die Kanister mit Punsch hatte ich ihm schon mal dort gelassen. „ Der Punsch ist vorzüglich, keines Falls illegal! Du kannst ihn gerne an alle Kinder verschenken!“ antwortete ich matt. „ Gut gemacht, Lu! Wirklich gut, ich überlegte schon, dich zu befördern, aber das würdest du wahrscheinlich nicht so gerne wollen, hm?“ überlegte er leise. Doch er beantwortete sich seine Frage schon selbst, bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte. „ Nein, ich denke es ist noch zu früh, aber freue dich schon auf die Zeit bei Milo! Sie ist mindestens um das hundertfache so anstrengend wie dein letzter Auftrag! Aber glaub mir, du wirst das schaffen! Du bist schließlich einer meiner besten Wakris!“
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