SchollZ SchollZ 10/2013 (Ausgabe 8) | Page 35

Die Stimme der Nacht Nach einer Einleitung von Franz Hohler Eines Nachts, als Frau Meier allein zu Hause war, hörte sie im Estrich Schritte. Zuerst glaubte sie, sich verhört zu haben, doch als die Schritte nicht aufhörten, wurde es ihr unheimlich. Schließlich konnte es ein Einbrecher sein. Da fasste sie sich ein Herz, nahm die Pistole ihres Mannes aus dem Nachttischschrank, stieg die Treppe hoch, öffnete vorsichtig die Tür, drückte ganz rasch auf den Lichtschalter und rief: „Ergeben Sie sich! Ich habe bereits telefonisch die Polizei verständigt. Ein Einsatzwagen wird in wenigen Minuten vor Ort sein!“ Aber ihre Angst war umsonst gewesen. Es war nur ihr Mann, der nach Hause gekommen war und nun von der Kugel niedergestreckt zu Boden sank. [...] Von Kiara Pollmar (Kl. 7a) demselben Tag vor einem Jahr hörte Frau Meier wieder die Schritte auf dem Dachboden. Die Schritte kamen näher und näher und dann hörte sie eine Stimme leise flüstern: „Warum hast Du das getan?“ Frau Meier erschrak, da sie die Stimme ganz genau kannte. Es war die Stimme ihres Mannes, die nach ihr rief. Vor Angst sank sie in ihrem Wohnzimmer zusammen und verlor das Bewusstsein. Als sie am nächsten Morgen erwachte, fand sie sich in ihrem Bett wieder. Noch immer war ihr der Schrecken der vergangenen Nacht anzusehen. „Hatte sie das alles nur geträumt?“, fragte sie sich und schüttelte die schlechten Träume der Nacht von sich ab. Aber so einfach sollte dies nicht sein. Von diesem Tage an hatte Frau Meier keine Ruhe mehr. Jede Nacht hörte sie die Stimme aufs Neue flüstern: „Warum hast du das getan?“ Irgendwann hielt sie es nicht mehr in dem Haus aus und zog um, doch es half nichts, es war, als läge ein Fluch auf ihr denn die Stimme schien sie zu verfolgen. Sie zog noch mehrere Male um, aber die Stimme fand den Weg stets zu ihr. Irgendwann hielt Frau Meier es nicht mehr aus. Sie erschoss sich mit der gleichen Waffe, mit der sie auch schon ihren Mann erschossen hatte. Doch jeder, der in dem Haus, in dem vor vielen Jahren Herr Meier erschossen wurde, einzog, hört noch heute jede Nach die flüsternde Stimme: …. Anzeige Frau Meier erschrak. Was hatte sie nur getan? Sie hatte ihren Mann erschossen und die Polizei würde auch in wenigen Minuten vor Ort sein. Das hieß, sie hatte keine andere Wahl, als sich zu stellen. Da hörte sie auch schon die Sirenen des Polizeiwagens. Sie rannte aus dem Haus und rief den Polizisten entgegen: „Kommen Sie schnell, es ist etwas schreckliches passiert!“ Die Polizisten kamen sofort und riefen einen Krankenwagen. Doch es half nichts. Herr Meier war bereits tot. Frau Meier hatte genau in sein Herz getroffen. Von diesem Tage an lebte Frau Meier nur noch in Trauer. Sie konnte es sich nicht verzeihen, was sie getan hatte. Jeden Tag ging sie zum Grab ihres Mannes und flehte um Vergebung, doch auch das befreite sie nicht von ihrer Schuld. So verging ein Jahr und der Tag, an dem sie ihren Mann erschossen hatte, jährte sich. Es wurde Nacht. Ihr grauste vor der Dunkelheit, vor der Stille. Sie flehte, die Nacht möge schnell vorbeigehen. Doch da hatte sie sich geirrt. Nur leise vernahm sie das Knarren der Balken. Es kam vom Estrich. Wie an 35