SchollZ 6/2023 Nr. 28 | Page 54

an intergeschlechtlichen Personen ( Menschen mit nicht eindeutig männlichen oder weiblichen Geschlechtsteilen ) durchgeführt werden , ohne Zustimmung der Patienten und Aufklärung über die bevorstehende OP . Es soll sachliche Aufklärung an Schulen über Sexualität und Genderidentität geben . Außerdem soll mehr Sichtbarkeit für Autorinnen ( vor allem queere Autorinnen ) und andere historische Frauen herrschen , die wichtige Erfolge für Literatur und Wissenschaft erzielt haben . Gewalttaten an Personen der Community aufgrund ihrer Sexualität oder Genderidentität sollen gründlich aufgeklärt und intolerante Gesetzesformulierungen geändert werden . Diese Forderungen sind nur wenige Beispiele aus zahlreichen . Hiermit wird klar , dass Lesben , Schwule , Bisexuelle , Transgender Personen und alle anderen queeren Menschen noch viel Verbesserungspotential in Deutschland sehen . Doch der CSD will nicht nur für die Deutschen demonstrieren . In den Veranstaltungen geht es auch um Menschen aus anderen Ländern , die keine Möglichkeit haben , auf die Straße zu gehen . In 66 Ländern können queere Personen strafrechtlich verfolgt werden und zwölf Länder sehen Todesstrafen für Homosexuelle vor . Natürlich können Betroffene in diesen Ländern nicht demonstrieren , wenn sie keine schwerwiegenden Konsequenzen fürchten wollen . Der CSD will also die deutsche Regierung überzeugen , Druck auf solche Länder auszuüben und deren Lage zu verbessern . Zudem setzen sich die Demonstranten auch für andere Minderheiten wie People Of Colour , Frauen und Muslime ein . Die Toleranz in Deutschland ist außerdem nicht so groß , wie man auf den ersten Blick denken könnte . Laut einer amerikanischen Umfrage von „ Pew Research Centers “ aus dem Jahr 2019 verneint mehr als jeder zehnte Deutsche , dass Homosexualität von der Gesellschaft akzeptiert werden sollte . Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen
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Paaren sind erst seit zehn Jahren legal und immer noch erreichen Angriffe auf queere Menschen die Medien . Am vierten Juni diesen Jahres wurde auf einer Demonstration des Christopher Street Days ein junger Transmann ausgeraubt und schwer verletzt , sodass er in das Krankenhaus eingeliefert werden musste . Das Thema Toleranz ist somit noch immer aktuell . Wieso muss der CSD aber so bunt , laut und schrill sein ? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen . Heiner Schulze , Vorstandsmitglied im Schwulen Museum Berlin erzählt : „ Es ist auch immer eine Gelegenheit , stolz zu sein auf die eigenen politischen Erfolge und Errungenschaften , und auf die Held _ innen , die in der Vergangenheit für uns gekämpft haben .“ Offensichtlich gilt auch : Je auffälliger , desto mehr Sichtbarkeit für die Forderungen der Veranstaltung . Zudem haben mehr Menschen Lust auf eine Demonstration , wenn sie mit Kostümen , Musik und Farben begleitet wird . Queere Personen feiern einmal nicht in Unterzahl zu sein und sie freuen sich , in diesem Land die Möglichkeit zum Feiern zu haben . Der Christopher Street Day hat also einen historischen Hintergrund und ist keine Neuerscheinung . Auch wenn die Demonstrationen und Paraden wie bunte Partys aussehen , stehen doch viele Forderungen an die Politik
dahinter . Die Demonstrierenden setzen sich gegen Ungerechtigkeiten in Deutschland , im Ausland und gegenüber Minderheiten aller Art ein . Sie wollen Aufmerksamkeit auf Probleme lenken , die noch gelöst werden müssen . Das gelingt ihnen auch , wenn man die vielen Berichterstattungen und Gespräche über das Thema anschaut . Wie mit jeder Problematik ist es nur förderlich , über sie zu reden und Sichtbarkeit zu schaffen . In einer Demokratie ist das Demonstrieren ein wichtiges Mittel , um die eigene Meinung preiszugeben und dafür darf es auch an ein paar Wochenenden etwas lauter in der Stadt werden .