SchollZ 12/2018 Nr. 21 | Page 24

Allein dieses sprachliche Konstrukt  macht klar, wie das erste Mal  Geschlechtsverkehr einer Frau  jahrhundertelang nega v belastet  war. Der Frau wird etwas  genommen? Wohin geht es denn?  Wer hat es, nachdem es ihr  genommen, quasi gestohlen wurde?  Klingt das nicht absurd? Ist es auch. Der allgemeine Glaube ist, dass man  bei Frauen körperlich erkennen kann,  ob sie bereits Geschlechtsverkehr  ha e oder nicht, während es beim  Mann keiner beweisen kann. Und das  ist ein weitverbreiteter Irrglaube. Es gibt Länder auf der Welt wie  Afghanistan oder Indien, in denen  sogenannte „Virginity‐Tests“  durchgeführt werden (in den meisten  Ländern illegal), um zu bes mmen,  ob die Frau vor der Ehe schon mit  einem Mann geschlafen hat. Denn in  solchen Ländern ist Sex vor der Ehe  24 SchollZ nicht gesta et, die Frau gilt als  unrein, ist sie keine Jungfrau mehr  und sie ist nichts mehr wert, nicht  mehr zu verheiraten, eine Schande  für die Familie. Dass es in  heterosexuellem Verkehr auch eines  Mannes benö gt, der ebenfalls seine  Jungfräulichkeit „verliert“, ist dabei  komple  außen vor. Bei solchen  Untersuchungen, werden Frauen  ohne ihre Einwilligung auf Grund des  Verdachts von Unreinheit zu einem  Frauenarzt gezwungen, der dann  feststellt, in wie fern das  Jungfernhäutchen der Betroffenen  noch intakt ist. Dass die meisten  dieser Untersuchungen nega v für  die Frauen ausfallen, liegt nicht  daran, dass sie tatsächlich alle bereits  Sex ha en. Der Grund liegt wo  anders. Aber dazu gleich mehr. Ein weiterer Indikator soll das Bluten  der Frau bei der Entjungferung sein,  das au reten kann, wenn das  Jungfernhäutchen reißt. So wird in  manchen Kulturen von frisch  verheirateten Frauen in ihrer  Hochzeitsnacht erwartet, das weiße  Laken rot zu beflecken. Es gibt Fälle,  in denen Frauen dieses mit im  Internet erworbenem, künstlichen  Blut fälschen müssen (manche  wurden von ihrem fast Ehepartner  zum Sex überredet und dann aber  doch noch verlassen, manche wurden  vergewal gt und manche haben sich  vorab einfach frei dazu entschieden,  sexuell ak v zu sein), um nega ven  Konsequenzen zu entgehen. Was genau ist nun also der Irrglaube  daran, zu denken, Frauen könnte man  ihre Jungfräulichkeit körperlich  nachweisen und Männern nicht? Eins sollte wohl klar sein, es geht hier  nicht darum, wie man es bei der  männlichen Bevölkerung feststellt,  nein. Es geht darum, dass die  Vorstellung der Jungfräulichkeit auf  Basis eines reißenden und blutenden  Jungfernhäutchens, das sich wie eine  Wand im Eingang des weiblichen  Geschlechtsorgans befindet,  komple er Unfug ist. Ja, es s mmt, dass manche Frauen  bluten, wenn sie entjungfert werden.  Und ja, es s mmt, dass dabei etwas  am sogenannten Jungfernhäutchen  reißen kann. Was aber nicht s mmt,  ist die Erwartung, dass dies immer  der Fall sein muss. In der Regel sind  Jungfernhäutchen nämlich keine  undurchlässigen Häutchen, die sich  wie eine Wand durch den Eingang  ziehen. Sie sind eigentlich sogar  vollkommen individuell und variieren  wie Fingerabdrücke von Mensch zu  Mensch. Sie sind dehnbar und vor  allem sind sie meist durchzogen von  einem oder mehreren Löchern. Sie  ähneln eher einem Zop and als  einem ebenen Tuch und müssen  daher nicht immer bluten oder  schmerzen, wenn eine Frau zum  ersten Mal Geschlechtsverkehr hat. Also zurück zu den Mädchen, die  Virginity‐Tests unterzogen werden.  Vielen dieser zwangsuntersuchten  Betroffenen wird unterstellt, sie  hä en außerehelichen  Geschlechtsverkehr gehabt, nur weil  ihr Körper physisch nicht den  Ansprüchen eines intakten Häutchens