Allein dieses sprachliche Konstrukt
macht klar, wie das erste Mal
Geschlechtsverkehr einer Frau
jahrhundertelang nega v belastet
war. Der Frau wird etwas
genommen? Wohin geht es denn?
Wer hat es, nachdem es ihr
genommen, quasi gestohlen wurde?
Klingt das nicht absurd? Ist es auch.
Der allgemeine Glaube ist, dass man
bei Frauen körperlich erkennen kann,
ob sie bereits Geschlechtsverkehr
ha e oder nicht, während es beim
Mann keiner beweisen kann. Und das
ist ein weitverbreiteter Irrglaube.
Es gibt Länder auf der Welt wie
Afghanistan oder Indien, in denen
sogenannte „Virginity‐Tests“
durchgeführt werden (in den meisten
Ländern illegal), um zu bes mmen,
ob die Frau vor der Ehe schon mit
einem Mann geschlafen hat. Denn in
solchen Ländern ist Sex vor der Ehe
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SchollZ
nicht gesta et, die Frau gilt als
unrein, ist sie keine Jungfrau mehr
und sie ist nichts mehr wert, nicht
mehr zu verheiraten, eine Schande
für die Familie. Dass es in
heterosexuellem Verkehr auch eines
Mannes benö gt, der ebenfalls seine
Jungfräulichkeit „verliert“, ist dabei
komple außen vor. Bei solchen
Untersuchungen, werden Frauen
ohne ihre Einwilligung auf Grund des
Verdachts von Unreinheit zu einem
Frauenarzt gezwungen, der dann
feststellt, in wie fern das
Jungfernhäutchen der Betroffenen
noch intakt ist. Dass die meisten
dieser Untersuchungen nega v für
die Frauen ausfallen, liegt nicht
daran, dass sie tatsächlich alle bereits
Sex ha en. Der Grund liegt wo
anders. Aber dazu gleich mehr.
Ein weiterer Indikator soll das Bluten
der Frau bei der Entjungferung sein,
das au reten kann, wenn das
Jungfernhäutchen reißt. So wird in
manchen Kulturen von frisch
verheirateten Frauen in ihrer
Hochzeitsnacht erwartet, das weiße
Laken rot zu beflecken. Es gibt Fälle,
in denen Frauen dieses mit im
Internet erworbenem, künstlichen
Blut fälschen müssen (manche
wurden von ihrem fast Ehepartner
zum Sex überredet und dann aber
doch noch verlassen, manche wurden
vergewal gt und manche haben sich
vorab einfach frei dazu entschieden,
sexuell ak v zu sein), um nega ven
Konsequenzen zu entgehen.
Was genau ist nun also der Irrglaube
daran, zu denken, Frauen könnte man
ihre Jungfräulichkeit körperlich
nachweisen und Männern nicht?
Eins sollte wohl klar sein, es geht hier
nicht darum, wie man es bei der
männlichen Bevölkerung feststellt,
nein. Es geht darum, dass die
Vorstellung der Jungfräulichkeit auf
Basis eines reißenden und blutenden
Jungfernhäutchens, das sich wie eine
Wand im Eingang des weiblichen
Geschlechtsorgans befindet,
komple er Unfug ist.
Ja, es s mmt, dass manche Frauen
bluten, wenn sie entjungfert werden.
Und ja, es s mmt, dass dabei etwas
am sogenannten Jungfernhäutchen
reißen kann. Was aber nicht s mmt,
ist die Erwartung, dass dies immer
der Fall sein muss. In der Regel sind
Jungfernhäutchen nämlich keine
undurchlässigen Häutchen, die sich
wie eine Wand durch den Eingang
ziehen. Sie sind eigentlich sogar
vollkommen individuell und variieren
wie Fingerabdrücke von Mensch zu
Mensch. Sie sind dehnbar und vor
allem sind sie meist durchzogen von
einem oder mehreren Löchern. Sie
ähneln eher einem Zop and als
einem ebenen Tuch und müssen
daher nicht immer bluten oder
schmerzen, wenn eine Frau zum
ersten Mal Geschlechtsverkehr hat.
Also zurück zu den Mädchen, die
Virginity‐Tests unterzogen werden.
Vielen dieser zwangsuntersuchten
Betroffenen wird unterstellt, sie
hä en außerehelichen
Geschlechtsverkehr gehabt, nur weil
ihr Körper physisch nicht den
Ansprüchen eines intakten Häutchens