´s Dorfblattl Haiming
Spuren der Vergangenheit
Ein Hausberg, der viel zu erzählen hat
a und dort sieht man sie noch
– die Spuren der Vergangenheit. Der Amberg, von vielen
als die östliche Säule des ÖtztalEinganges bezeichnet, wurde
von den eiszeitlichen Gletschern
ebenso gezeichnet, wie von Menschenhand viele tausend Jahre
später. Geologe Werner Schwarz
und Geschichtsforscher Adi Meierkord zeichneten bei Vorträgen
in Oetz und Haiming für rund 800
Besucher ein spannendes Bild des
südlichen Hausberges.
Professor Werner Schwarz begann
mit der geologischen Entwicklung des Amberges, der zum Höhepunkt der letzten Eiszeit wohl
etwa 600 Meter unter der Eisdecke begraben war und durch das
Schieben der riesigen Eismassen
seine charakteristische runde
Form erhielt. Er entführte die Zuhörerschaft mit stimmungsvollen
Bildern zum Naturjuwel Brandsee
und sensibilisierte für diesen ökologisch einzigartigen Moorsee,
der von außen immer weiter zu
wächst. Obwohl der Amberg auf
nicht kalkhaltigem Gestein basiert,
blüht dort im Frühjahr die Erika,
die ausschließlich auf Kalkböden
gedeiht.
Doch durch den Tschirgant-Felssturz vor etwa 3000 Jahren lagerten sich kalkhaltige Partikel am gegenüber liegenden Amberg ab, die
noch heute die perfekte Unterlage
für das Wachstum der Erika bilden.
Abgesehen von diesen geologischen Merkmalen findet man am
Amberg unzählige von Menschenhand geschaffene Mundlöcher und
Stollen. „Als Kind bin ich beim Pilze
suchen mit meiner Oma immer
wieder vor diesem großen schwarzen Loch gestanden, von dem uns
die unglaublichsten Schauergeschichten erzählt wurden, sodass
wir uns damals nie hineingetraut
haben“, erzählte der Haiminger
Bürgermeister Josef Leitner. Diese
Stollen entstanden in der Zeit des
Zweiten Weltkrieges, obwohl das
zugrunde liegende Kraftwerksprojekt schon im Jahr 1931, also in der
Ersten Republik, geboren wurde.
Damals wollte man das Längenfelder Talbecken mit einem
Stausee fluten, der 600 Millionen
Kubikmeter Wasser hätte fassen
sollen. Davon hätte ein 15 Kilometer langer Stollen durch das Ötztal
heraus geführt werden sollen und
am Fuß des Amberges am Gelände
der heutigen Firma „Westbeton“
hätte ein Kraftwerk mit 850 Megawatt Spitzenleistung entstehen
sollen. Doch einerseits war das
Riesenprojekt nach der Weltwirtschaftskrise quasi unfinanzierbar
und vor allem stellte man bei Bodenbohrungen am Winkler Berg
in Längenfeld fest, dass der Untergrund instabil und wasserdurchlässig ist, wodurch das Errichten
der Staumauer so gut wie unmöglich wurde. So wurde das Projekt
fallen gelassen und man dachte
ein neues dezentrales Projekt mit
neun Kleinkraftwerken und unzähligen kleineren Aufstauungen an.
Dabei hätte man zum Beispiel das
Venter Tal, Zwieselstein, Niederthai
und Ochsengarten fluten wollen,
aber auch diese Idee wurde mangels Finanzierung fallen gelassen.
Der Stollen durch den Amberg ist an zwei Stellen so gut wie fertig betoniert.
Heute ist er Lebensraum für Fledermäuse und Spielplatz für Abenteuerlustige.
1941, Österreich war inzwischen
Teil des großdeutschen Reiches,
war die deutsche Luftfahrtbehörde auf der Suche nach einem
geeigneten Standort für den weltgrößten Windkanal, der Windgeschwindigkeiten bis zu 1000 km/h
simulieren hätte sollen. Dabei stieß
man auf die Kraftwerkspläne im
Ötztal und wollte auf diese aufbauen, um die Anschlussleistung von
76 Megawatt elektrischer Energie
zu erzeugen. Man wollte im Nedertal, das von Ötz hinauf ins Kühtai
führt, einen Stausee errichten und
das Wasser in einem 1,6 Kilometer
langen, fast ebenen Stollen durch
den Amberg leiten, wo das Wasser dann am Ende 590 Meter in die
Tiefe gestürzt wäre, um dort zwei
gegenläufige Pelton-Turbinen anzutreiben, an deren Achsen direkt
die Windräder hätten sitzen sollen.
Baufertigstellung war Ende 1945
geplant.
Insgesamt bestand das Riesenprojekt aus rund 50 Baustellen.
Um das Baumaterial befördern zu
können, errichtete man eine riesige
kuppelbare Materialseilbahn, die
Im Frühjahr 1945 war der Windkanal so gut wie fertig. Nach Ende des Krieges wurde er nach Frankreich verfrachtet.
Winter 2015
von Ötztal-Bahnhof freitragend
über den Amberg bis ins Nedertal
führte. Dort wurde ein mehrere Kilometer umfassendes Gleissystem
sowie eine eigene Betonmischanlage installiert. Die 2500 am Bau
beteiligten Arbeiter lebten in eigens für sie errichteten Lagern in
Schlatt über Oetz, am Brandsee
oder am Haimingerberg über dem
Weiler Larchet. Zu Kriegsende im
Frühjahr 1945 waren rund 75 Prozent der gesamten Anlage fertig
gestellt und die Besatzungsmacht
Frankreich zögerte nicht lange
und ließ den Windkanal zerlegen
und in der Nähe von Grenoble in
Frankreich wieder zusammenbauen. Für den Transport der teilweise
riesigen Einzelteile waren 13 Güterzüge notwendig. Dieser Windkanal
ist bis heute in Betrieb und man
nutzte ihn maßgeblich zur Grundlagenforschung für die Concorde
oder den französischen Kampfjet
Mirage.
In und rund um den Amberg blieben die Stollensysteme und viele
Betonfundamente, die mit den
Jahren von der Natur überwuchert wurden und mit den Jahren
immer unsichtbarer werden. Der
Ambergstollen wurde vor einigen
Jahren von den Touristikern für den
Abenteuersport im Sommer wiederentdeckt, während sich in den
Wintermonaten von November bis
Mai unzählige Mopsfledermäuse
hier im zweitgrößten Winterquartier Österreichs zusammenfinden
und in Ruhe gelassen werden
wollen. (Text und Fotos: 1 mams,
1 Dokumentationszentrum Ambergstollen)
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Chronik
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