Marco Bair - Ein nicht alltägliches Pflichtpraktikum
´ s Dorfblattl Haiming
KINDERGARTEN , SCHULE , FREIZEIT
AUS DER JUGEND
Marco Bair - Ein nicht alltägliches Pflichtpraktikum
In Norwegen viel für das Leben gelernt
Den Tieren ging es unter Marcos Pflege richtig gut .
Hallo liebe Leser unseres Dorfblattls ! Ich heiße Marco Bair und komme aus Ötztal Bahnhof . Ich bin 17 Jahre alt und besuche die Höhere Bundeslehranstalt für Land-und Ernährungswirtschaft in Kematen . Im 3 . Jahrgang ist es für uns Schüler Pflicht , ein Praktikum von 14 Wochen abzulegen . Von diesem einzigartigen Erlebnis möchte ich euch erzählen :
Am 3 . Juni 2016 verabschiedete ich mich für 14 Wochen von daheim , um in eine atemberaubende und für mich vollkommen fremde Welt einzutauchen . Mit dem Start des Fliegers in München begann meine Reise über München und Molde an die Westküste Norwegens . Der abgelegene Hof befindet sich an einem wunderschönen Fjord . Zuerst ein paar Fakten zum Hof : Dort befinden sich sieben Milchkühe , vier Kälber und ein Stier . Die Kühe stammen von einer alten norwegischen Rasse ab , sind also bei uns in Tirol nicht beheimatet . Weiters gibt es 28 Ziegen und 30 Zicklein sowie vier Hasen und einen Hund . Das einzige Produktionsziel dieses Betriebes liegt in der Käseproduktion . Jeden dritten Tag wird ein sogenannter „ Browncheese “ hergestellt . Der Käse ist wirklich braun , weil er drei Tage lang gekocht wird , bis die Molke karamellisiert . Der Geschmack war für mich gewöhnungsbedürftig , weil er süß ist und vor allem als Nachspeise serviert wird . Wir haben in unserer Schule in Kematen einen Stall für den praktischen Unterricht . Es war für mich sehr interessant , den Stall und die Milchkammer in Kematen mit den Gebäuden in Norwegen zu vergleichen . Es bereitete mir Kopfzerbrechen , wie es sein kann , einen Betrieb so zu führen wie diesen Hof in Norwegen . Die Käseproduktion wurde in den gleichen Klamotten wie die Stallarbeit durchgeführt , wie kann so was erlaubt sein ? Auch ein Lebensmittelkontrolleur war auf dem Hof . Ich erklärte ihm auf Englisch , dass das keine hygienische Produktion ist und , dass die Tiere in verdreckten Räumlichkeiten ihr Dasein fristen müssen . Er versicherte mir , dass in Norwegen die gleichen Gesetze wie in Österreich gelten . Ich persönlich kann mir das nicht vorstellen , weil für eine hygienische Produktion zum Beispiel keine sterile Kleidung wie in der Schule bei uns verwendet wurde . Der unter diesen Zuständen produzierte Käse kostet 35 Euro pro Kilo , allerdings ist Norwegen generell ein Land mit hohen Preisen . Mir taten die Tiere sehr
Seite 22 Herbst 2016
leid und so versuchte ich , ihnen wenigstens in den 14 Wochen meines Aufenthaltes eine schöne Zeit zu ermöglichen . Ich putzte und fütterte die meiste Zeit des Tages , trotzdem musste ich einen Hasen und drei kleine Kitzlein begraben . Womöglich hatten sie wegen der schlechten Hygiene eine Krankheit , das schien dem Bauer aber total egal zu sein . Für ihn zählte offensichtlich nur der verkaufte Käse und nicht die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Tiere . Vielleicht sind jetzt auch Leser unter euch geschockt , ich war sprachlos und auch traurig , dass man so kalt zu Tieren sein kann .
Jetzt beschreibe ich euch noch meinen Tagesablauf auf dem Hof . Der Wecker läutete um 6:30 . Frühstück gab es um 7:00 und die Melkzeit begann um 7:30 , also nicht um 5:00 früh wie in Tirol . Nach dem Melken um 10:00 starteten wir mit der Käseproduktion , aus Ziegenmilch oder Kuhmilch . Um 12:00 gab es Mittagessen , danach musste ich alle 20 Minuten Holz für den Käse nachlegen , weil er ja drei Tage lang kochen musste . Um 16:00 war wieder Zeit zum Melken und um 18:00 hatten wir Feierabend .
Die Landschaft rund um den Bauernhof war atemberaubend schön .
Es gab einige besondere Eindrücke . Während des gesamten Monats Juli wurde es niemals dunkel , es gab keine „ Nacht “. Ich habe direkt vor dem Hof Wale im Meer gesehen . Einmal suchte ich drei Stunden nach einer trächtigen Kuh und half ihr im Wald , ihr Junges auf die Welt zu bringen . Meine Familie kam zu Besuch und ich lernte Sehenswürdigkeiten von Norwegen kennen . Im ganzen Sommer gab es nie Temperaturen über 23 Grad .
Ich hoffe ich konnte euch einen Eindruck über meine Zeit in Norwegen vermitteln . Das Praktikum war durch die Umstände am Hof im landwirtschaftlichen Sinne nicht sehr lehrreich , trotzdem habe ich das Beste daraus gemacht . Persönlich habe ich sehr viel gelernt und mich entwickelt , weil ich so lange Zeit ohne meine Familie verbracht habe . So kam ich als viel selbständigerer Mensch zurück , freute mich aber sehr auf das Heimkommen und Wiedersehen . Gut ist es auch , dass sich mein Englisch sehr verbessert hat . Für ein Praktikum würde ich nicht mehr nach Norwegen gehen , weil die Landwirtschaft nicht so ausgereift erscheint . Als Urlaubsziel finde ich Norwegen mit seinen Seen und Fjorden jedoch wunderschön . ( Text und Fotos Marco Bair )