´s Dorfblattl Haiming
Ein Blick in die Geschichte - Haiming 1852
Für ein halbes Kilogramm Kaffee ein Tag schwere Arbeit
W
ir schreiben das Jahr 1852.
Auch in Haiming leidet die
Bevölkerung unter den Nachwirkungen der Wetterkapriolen des
Vorjahres. Nässe und Kälte haben den „Türken“ nicht wachsen
lassen, der Roggen ist im Winter
unter Schnee bei offenem Boden erstickt und ausgestorben.
Die Erdäpfel sind wieder faul
geworden. Durch das knappe
Angebot an bäuerlichen Erzeugnissen explodieren die Preise.
Die Maß Wein kostet 28 Kreuzer, die Halbe Bier 4 1/2 Kreuzer,
Branntwein die halbe Maß 36
bis 40 Kreuzer. Der Mangel an
Silbergeld wirkt sich ebenfalls
negativ auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse aus.
Chronik
In Haiming leben zwischen 930
und 940 Menschen. Die Häuseranzahl in Haiming und Steigge mit Magerbach beträgt 116.
Als Gemeindevorsteher fungiert
Nikolaus Stigger, ihm zur Seite
steht Johann Stigger als erster
Gemeinderat. Weitere bedeutende Funktionen erfüllen der
Kirchprobst und zweite Gemeinderat Isidor Kuen. Er führt
im Dorf, Hausnummer 33, mit
seiner Gattin Maria Scherer eine
Krämerei, seine Tochter Anna
heiratet den Simon Wegleiter
aus Tscherms bei Meran. Dieser führt nach dem frühen Tod
seiner ersten Frau die Krämerei
weiter. Isidor Kuen stirbt im Mai
1876 im 71. Lebensjahr.
Kuen ist an vorderster Front für
die Organisation und Finanzierung der Neugestaltung des
Kirchturmes verantwortlich.
Eben in diesem Jahr 1852 wurde nämlich eine Vergrößerung
und Verzierung des Turms vorgenommen - derselbe wurde
mittels einer Laterne und einer
neuen Kuppel erhöht. Dieser
Baumaßnahme verdanken wir
auch diesen Situationsbericht
über das Leben in Haiming anno
1852 - nach Bau- und Restaurationsmaßnahmen war es üblich,
in der Kirchenkuppel Informationen über die Pfarre und Gemeinde des jeweiligen Jahres zu
hinterlegen.
Für die Seelsorge sind Hochwürden Kurat Franz Leopold Sterzinger und Kooperator Joseph
Grassmayr tätig. Josef Stocker
fungiert als Chirurg, Alois Etschmann als Lehrer und Messner.
Josef Stocker ist auch als Wundarzt und Totenbeschauer tätig,
seine Spuren finden sich in
Haiming noch im Hausnamen
„Bader‘s“ (Familienname: Haid)
- als Bader bezeichnete man
weitläufig die Ärzte der kleinen
Leute. Die Tätigkeit der „Bader“
war vielfältig - sie reichte von Assistenzeinsätzen bei Chirurgen
bis zum Aderlass und Zähne
ziehen.
Den Plan zur Umgestaltung des
Turmes machte der hiesige Zimmermeister Joseph Schöpf, der
mit seinen vier Gesellen Joseph
Nagele, Marinus Gager, Joseph
Scherer und Johann Köttner die
Bauarbeiten zur vollkommenen
Zufriedenheit durchgeführt hat.
Den Putz und die Ausbesserung
des Mauerwerkes machten Marzellus Götsch und Johann Raffl,
Maurer von hier. Der Lohn beträgt für den Meister 44 Kreuzer, der Gesellen 40 Kreuzer am
Tag. Durch den Zimmergesellen
Joseph Nagele wird der neue
Goldknopf mit dem Kreuz auf
den neugestalteten Turm ausgesetzt, dessen Vergoldung
beim dem Goldarbeiter Paulin
Reitmair in Innsbruck mit sieben
Gulden per Quadratschuh bedungen worden ist.
1852 kostet ein Zentner Heu 3 bis
4 Gulden. Für ein Pfund Schmalz
muss man 40 Kreuzer zahlen, für
ein Pfund Zucker 30 Kreuzer, für
ein Pfund Kaffee 40 Kreuzer. Das
Starland Feld wird um 160-200
Gulden verkauft. An Papiergeld
sind folgende Sorten im Umlauf:
6 Kreuzer, 10 Kreuzer, 1 Gulden,
In der Kuppel der Pfarrkirche Haiming wurden für nachfolgende Generationen wertvolle Informationen hinterlegt.
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Herbst 2015
5 Gulden, 10 Gulden, 50 Gulden,
100 Gulden, 1000 Gulden.
Ein weiteres Dokument wurde in
der Kirchenkuppel vom Schmiedemeister Alois Schilcher und
Postmeister Georg Schilcher im
Jahre 1912 hinterlegt. In dem Bericht wird zuerst auf die Familiengeschichte Bezug genommen:“...
von Johann Schilcher (Schmied
aus Telfs) und Hildegard leben
heute noch fünf - Anna, Elisabeth, Aloisia, Alois und Georg. Nur
Alois hat sich mit Agnes Stigger
(Zickeler) getraut, dessen Ehe 8
Kinder, wovon heute 5 leben, der
älteste Sohn Johann ist heute 9
Jahre alt, Georg, Franz, Lina und
Hildegard....“.
Dann beschreiben die Schilcher
ihre Tätigkeit und stellen fest,
dass die jeweiligen Besitzer des
Schmied-Anwesens in finanzieller Hinsicht sehr gut dastehen.
Gewöhnlich arbeiten der Meister, ein Geselle und ein Lehrling. Die gewöhnliche Schmiedearbeit kostet 80-90 Heller. Ein
neues Hufeisen kostet 30 Heller,
ein Waggon Steinkohlen 10.000
kg 40 Kronen. Die Kommunionbank in der Kirche wurde vom
Schmied Alois Schilcher gratis
gemacht.
Anmerkungen:
1 Tiroler Pfund sind ca. 0,56 kg. 1
Starland in Haiming sind 721,58
m2. 1 Gulden (=60 Kreuzer) des
Jahres 1852 entspricht heute ca.
€ 14,80 (Quelle: Inflationscockpit der OENB). Umgerechnet hat
damals also ein Liter Wein rund
7 Euro gekostet, die halbe Bier
einen guten Euro. Die Gesellen haben am Tag etwa 5 Euro
verdient, für den Erwerb eines
Starlandes Feld musste man umgerechnet zwischen 2.300 und
3.000 Euro berappen.
Eine Krone im Jahre 1912 entspricht nach heutiger Kaufkraft
€ 5,24. Ein Waggon Steinkohlen
hat also „nur“ gut 200 Euro gekostet. Ein Hufeisen knapp 2 Euro.
(Text und Fotos: Manfred Wegleiter)