Personalbeschaffung in China Oktober 2016 | Page 2

© KOJI_ISHII / THINKSTOCKPHOTOS.DE 49 Ein herzlicher Empfang ist deutschen Expats in China sicher. Oft folgen verlockende Übernahmeangebote. denn, man investiert in eine Unternehmenskultur, die Bindung schafft.“ Für Voss Automotive heißt das etwa, dass alle internationalen Mitarbeiter genauso behandelt werden wie ihre deutschen Kollegen. Wer sich je in China einen Eindruck verschafft hat, wird bestätigen, wie weit viele Unternehmen von solchen Zielen entfernt sind. Ebenso schwer fällt vielen auch die Auswahl und Vorbereitung ihrer Expats. Mangels personellen Alternativen kommt es bei der Auswahl zu teils bizarren Verfahren, beobachtet die in Deutschland und China tätige interkulturelle Trainerin Nan Li. Oft werde für die Entsendung jemand von außen rekrutiert oder ein Mitarbeiter vorgeschlagen, über dessen Qualifikation man im Zweifel sei. „Es wird sogar gelost.“ Doch für Expats, die nicht hinreichend auf die in China gänzlich ande ren Bedingungen vorbereitet worden sind, betont Jonas Polfuß, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ostasienkunde der Universität Münster und interkultureller Trainer, sind Probleme vorprogrammiert. Chinesische Mitarbeiter erwarten zum Beispiel eine völlig andere Führungs- und Kommunikationskultur. „Das ist Anlass für Reibereien.“ Ebenfalls problematisch ist aus Sicht der Expats der Zeitunterschied. „Morgens muss man mit 11 / 16 personalmagazin chinesischen Kunden sprechen, während die deutsche Zentrale bis zum Feierabend um 17 Uhr mit Feedback rechnet. In China ist es dann bald Mitternacht“, so Polfuß. Man sollte diese anspruchsvollen Aufgaben nicht verschweigen, sondern Expats am besten gründlich darauf vorbereiten. Hier Frust, dort materielle Verlockung Galten Expats vor Jahren noch als Stars, sei von dieser Aura nicht mehr viel übrig geblieben, beobachtet Brigitte Hild von der Unternehmensberatung Going Global in München. Viele fühlen sich im Heimatunternehmen unprofessionell behandelt. „Fällt der Arbeitgeber in seiner Wertschätzung gegenüber dem eigenen Mitarbeiter deutlich zurück, wird ein Absprung attraktiver“, warnt Hild. Wie man seine Expats möglichst lange bei der Stange hält, ist alles andere als Hexerei. Wer bereits eine erfolgreiche Entsendung verbuchen kann, tut sich laut Polfuß als Arbeitgeber leichter, individuell auf seine Expats einzugehen. So ließen sich Projekte in Etappen gliedern mit mehr oder weniger problembehafteten Marksteinen. Zur Zufriedenheit trägt ebenfalls bei, dem Expat rechtzeitig einen Karriereplan zu präsentieren. „So weiß er genau, was auf dem Spiel steht, würde er sich für einen beruflichen Wechsel in China entscheiden“, erklärt der China-Experte. Doch solche Tipps bleiben in vielen mittelständischen Unternehmen ungehört. Teilweise lassen sie Expats und ihre mitreisenden Familien jahrelang warten, bis das Projekt endlich starten kann. Doch belässt man die Beteiligten zu lange im Unklaren, wird man kaum eine tragfähige Verbindung zum Mutterhaus aufbauen, die in schwierigen Projektphasen unabdingbar ist. Umgekehrt entwickelt sich mancher Berufsweg von Expats anders als erhofft. Einige wollen als Berater reüssieren, überschätzen jedoch die eigene Kompetenz. „Wer stets in Konzernen gearbeitet hat, wird tendenziell beratungsresistente Mittelständler beim Eintritt in den chinesischen Markt nicht beraten können“, betont Sommer vom German Centre in Shanghai. Das Schicksal, nach bitteren Erfahrungen die Rückreise anzutreten, wartet auf manchen Glücksritter. Kaum hatte Voss Automotive den Verlust des Werkleiters verdaut, scheiterte dieser in seiner neuen Position. Frustriert und ohne Job kehrte er nach Deutschland zurück, erinnert sich Baumeister. „Ich kann Expats nur davor warnen, alleine den materiellen Verlockungen zu erliegen.“  WINFRIED GERTZ ist freier Journalist in München Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]