Neue Debatte - Beiheft #003 - 04/2017 Staatenbildung und das Recht des Stärkeren | Page 2

Gewalt und Glauben Überall entstanden kleine, aristokratische Herrenschichten, die ein kulturell verfei nertes Leben auf dem Rücken der arbei- tenden unteren Bevölkerung erlangten, d. h. die als gesellschaftliche Parasiten dem Volk als ihrem Wirt im Nacken saßen. Ihre Macht beruhte auf zwei Säulen: zum einen auf der waffenmäßigen Gewaltaus- übung, auf rein physischem Zwang. Das wurde der Herrscher- und Königspalast, mit seiner hierarchischen Organisation einer aristokratischen Krieger- und Sa- muraikaste. Zum anderen der Tempel, die subtilere, infamere und mächtige Säule von Religion und Glauben, mit der man die Seelen der unteren Schichten beherrschte und die Produzenten in die emotionale Unterwür- figkeit zwang. Die Ausformung dieser gesellschaftlichen Zustände nennen wir Staat. Staaten waren zwar in der Geschichte im- mer die Organisierung des gesellschaftli- chen Zusammenspiels, der Verwaltung des komplizierten, arbeitsteiligen Gesamtpro- zesses - aber nie als neutrale, gerechte Schiedsrichter. Sie verfolgten immer das Ziel, die Produktion und Ablieferung des Mehrproduktes für die herrschenden ge- sellschaftlichen Wirtschaftsparasiten, d. h. die Ausbeutung der, die Existenzmittel er- arbeitenden Wirte zu garantieren und ab- zusichern. Klassen und Klassenkampf … in der Geschichte Wir sprechen damit zugleich von der Ent- stehung ökonomischer und gesellschaftli- 2 cher Klassen, d.h. von gesellschaftlich zu- sammengehörenden Gruppen gleicher Funktionalität, die antagonistische Inte- ressen trennte. Die herrschenden Klassen waren über ih- ren Staat in dem Bestreben vereint, ihr privilegiertes Drohnendasein abzusichern. Es galt, die produzierenden Menschen zur Ablieferung des Mehrproduktes zu zwin- gen und dafür zu sorgen, dass die über- wältigende Mehrheit ihre Ausbeutung nicht begriff. Sie sollten diese im Sinne früherer naturrechtlicher Egalität zutiefst ungerechten Zustände für normal und gottgegeben halten und sich in ihr Los fü- gen. Demgegenüber standen die ausgebeute- ten und geknechteten riesigen Mehrhei- ten, die trotz aller gegenteiligen, ideolo- gisch-religiösen Beeinflussungen die Unge- rechtigkeit der ökonomischen Ausbeutung und der Anmaßungen der Herren und ih- res Staates wenn schon nicht verstanden, so doch tagtäglich darunter zu leiden hat- ten und sich immer wieder mit ihren oft bescheidenen Mitteln meist aus tiefster Verzweiflung heraus wehrten. Die gesamte Geschichte der Zivilisation, der Staaten und der gesellschaftlichen Klassen ist eine einzige Kette von mehr oder weniger offenen, teilweise brutals- ten Kämpfen zwischen Oben und Unten, ausbeutenden Herrenmenschen und ih- ren Institutionen und den geknechteten, oft um das blanke Überleben kämpfen- den Volksmassen. Wir bezeichnen das als Klassenkampf, in dem das Schicksal der herrschenden ge- sellschaftlichen Parasiten oft am seidenen Faden hing und in denen diese am Ende immer wieder mit gnadenloser Härte und