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Q u e l l e
träumen wiederholten, gewalttäti-
gen Öffnungsversuchs, blieben die-
se Mauern mir lange undurchdring-
lich, hermetisch und abgeschlossen.
Die solcherart in den Berg hin-
eingesprengte Bühne wurde wie-
der mit betoniertem Konglomerat
des Mönchsberges verkleidet, mit
einem wiederholten, Larven- oder
Masken ähnlichem Muster, das wohl
die Bergwand imitieren und so die
Höhlen, die man mit Dynamit dem
Berg abgerungen hatte, wieder ver-
stecken sollte. Später verfuhr man
mit Altstadthäusern ähnlich, nur ge-
schickter:
F o t o s :
Salzburger
Stadtarchiv
Man ließ die Fassaden
stehen und höhlte das
Innere aus.
Mein Geborgenheitsgefühl wurde
hinaus in die Welt geholt, umgekehrt
zum Krach der Sprengungen, der in
meine Geborgenheit einbrach, mich
einengte und das Fürchten lehrte.
Mit dem angenehmen Scheinwer-
ferlicht kamen auch wohltuende,
unterhaltsame Geräusche vom
Mönchsberg zu mir, leicht, verfüh-
rerisch, je nach heftigem oder ab-
flauendem Wind, lauter oder leiser:
Jazz. Diese Musik, aber auch fetzi -
ge Big Band und Ragtime Klänge
durchlüfteten damals die muffigen
Altstadtwohnungen. Sie kam herü-
ber von den Terrassen des dama-
ligen Tanzcafes Winkler, wo sich
heute das Museum der Moderne
befindet. „Das ist die Kulturlosigkeit
der Amerikaner“, sagten die Erwach-
senen. Nach den Versuchen, die
Salzburger zu entnazifizieren, sollte
die Bevölkerung im „Kalten Krieg “
zu westlichen Werten verführt und
für diese gewonnen werden.
Früh begann ich diese Welt mei-
ner Umgebung auf Papier zu ban-
nen. Ich begann Grabendächer,
Mauern und bröckelnde Fassa-
den zu malen. Sie wurden mir zur
schwer durchdringbaren Grenze
des Wechselverhältnisses zwischen
innerer und äußerer Welt. Mei-
ne jugendliche Beschäftigung mit
Architekturmalerei ist sinnbildlich
Menschenmalerei gewesen. Es galt
der Schwermut der Vereinsamten,
die sensibel daran festhielten und
nicht aufgeben wollten, sich und an-
dere wahr zunehmen, in Form von
symbolisch gemalter Melancholie
nachzuspüren. Die Altstadtarchitek-
tur verkörperte mir den Mangel an
lebendigen Menschen. Erst als die
Felsen, Wände und Mauern in den
Sechzigern sich mit Menschenbe-