Mein erstes Magazin "S" Magazine | Page 11

19 00 Q u e l l e träumen wiederholten, gewalttäti- gen Öffnungsversuchs, blieben die- se Mauern mir lange undurchdring- lich, hermetisch und abgeschlossen. Die solcherart in den Berg hin- eingesprengte Bühne wurde wie- der mit betoniertem Konglomerat des Mönchsberges verkleidet, mit einem wiederholten, Larven- oder Masken ähnlichem Muster, das wohl die Bergwand imitieren und so die Höhlen, die man mit Dynamit dem Berg abgerungen hatte, wieder ver- stecken sollte. Später verfuhr man mit Altstadthäusern ähnlich, nur ge- schickter: F o t o s : Salzburger Stadtarchiv Man ließ die Fassaden stehen und höhlte das Innere aus. Mein Geborgenheitsgefühl wurde hinaus in die Welt geholt, umgekehrt zum Krach der Sprengungen, der in meine Geborgenheit einbrach, mich einengte und das Fürchten lehrte. Mit dem angenehmen Scheinwer- ferlicht kamen auch wohltuende, unterhaltsame Geräusche vom Mönchsberg zu mir, leicht, verfüh- rerisch, je nach heftigem oder ab- flauendem Wind, lauter oder leiser: Jazz. Diese Musik, aber auch fetzi - ge Big Band und Ragtime Klänge durchlüfteten damals die muffigen Altstadtwohnungen. Sie kam herü- ber von den Terrassen des dama- ligen Tanzcafes Winkler, wo sich heute das Museum der Moderne befindet. „Das ist die Kulturlosigkeit der Amerikaner“, sagten die Erwach- senen. Nach den Versuchen, die Salzburger zu entnazifizieren, sollte die Bevölkerung im „Kalten Krieg “ zu westlichen Werten verführt und für diese gewonnen werden. Früh begann ich diese Welt mei- ner Umgebung auf Papier zu ban- nen. Ich begann Grabendächer, Mauern und bröckelnde Fassa- den zu malen. Sie wurden mir zur schwer durchdringbaren Grenze des Wechselverhältnisses zwischen innerer und äußerer Welt. Mei- ne jugendliche Beschäftigung mit Architekturmalerei ist sinnbildlich Menschenmalerei gewesen. Es galt der Schwermut der Vereinsamten, die sensibel daran festhielten und nicht aufgeben wollten, sich und an- dere wahr zunehmen, in Form von symbolisch gemalter Melancholie nachzuspüren. Die Altstadtarchitek- tur verkörperte mir den Mangel an lebendigen Menschen. Erst als die Felsen, Wände und Mauern in den Sechzigern sich mit Menschenbe-