LUTHER 2017 Eröffnung der Lutherdekade in Wittenberg
Fiktive Rede des Rektors der Leucorea
Martin Pollich von Mellerstedt bei der
Ankunft Martin Luthers 1508 an der Elbe
Ich bin Martin Pollich von Mellerstedt, Ratgeber und Leibarzt
unseres verehrten Kurfürsten, Friedrich III.
Unsere Kurfürstliche Gnaden hat einen Sinn fürs Geistige,
eine Leidenschaft für Reliquien
und einen ganz eigenen Kopf.
Er ist wichtig - und übergewichtig.
Ich bin Professor der freien Künste, der Künste der Freiheit.
Der Rektor
der Leucorea
Martin Pollich
von Mellerstedt
geleitet den
künftigen
Reformator.
Liebes Volk von Wittenberg!
Wir sind nicht so pompös über den Rhein geschifft wie der
Papst von Rom in Köln, sondern so bescheiden, wie es sich bei
uns ziemt, im kleinen Boot über die Elbe in Wittenberg
gerudert! Hier geht es nicht mediale Repräsentanz, sondern
um geistige Präsenz!
Ich seziere beruflich den Körper.
Ihr, Martinus Luder, seziert den Geist – aber seid auch Ihr immer
ganz vorsichtig… Und lasst Euch immer recht und rechtzeitig,
klar und unmissverständlich hören.
Und Ihr Studenten, Ihr Bestallten und Bestellten, sowie Ihr
Ehrlich-Wissbegierigen, gebt weiter, was Ihr wisst und was Ihr
gelernt habt und was anderen nützt.
Aber petzt nicht weiter, was anderen schadet.
Wir sind hier zwar weit weg von Rom, aber überall gibt’s
gänzlich humorlose Scholastiker, überall wuseln Günstlinge der
Macht, die kaum zu einem eigenen Gedanken fähig sind, aber
fremde Gedanken gern – und sei’s gegen Geld - weitertragen.
Ich sehe hier am Ufer stehen den Buchdrucker Lotter,
dort den Professor Zieglerus. Auch der Bürgermeister ist an
Bildung und Kultur interessiert - und deshalb auch hier.
Und da hinten sehe ich auch den verdienten Juristen des
Volkes, Hieronymus Schurff, sowie den Medizinprofessor
Augustin Schurff. Und natürlich die Großen und die Kleinen
aus dem Volk, jeder mit seinem Eigensinn und jeder mit seiner
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