ganzen Anlage nicht eine Ziege und nicht einen Liter
Milch gesehen. Plötzlich kam da jemand und hat uns
Ziegenmilchjoghurt zum Probieren angeboten. Jemand
hat dann gefragt, wo die Ziegen und die Milch sind,
und die Antwort war dann, dass die Ziegen im Moment
nicht so viel Milch geben, deshalb sei es gerade sehr
ruhig in der Anlage. Natürlich hat man da dann das
Gefühl, dass das nicht stimmen kann, und wir haben
uns gedacht, dass diese Joghurts wohl extra für uns aus
der Hauptstadt in die Anlage gebracht worden sind.
Auf dem Deckel der Joghurts war nämlich das Logo der
Heilsarmee zu sehen. Auch auf einer der Maschinen war
dieses Logo drauf und wir haben dann erfahren, dass das
Geschenke von der australischen Heilsarmee waren. Es
hat mich sehr erstaunt, dass das erlaubt war, dass diese
Maschinen nicht versteckt oder weggeholt wurden.
K: Hat man sonst westliche Einflüsse im Land gesehen?
JH: In der Hauptstadt habe ich einmal jemanden mit
Inlineskates gesehen. Man hat auch überall einfach Äpfel
kaufen können, in Restaurants und so. Aber sonst haben
wir nicht gross westliche Einflüsse gesehen. Die Leute
tragen auch alle die gleichen Kleider, nicht wie bei uns.
An einem Abend waren wir im 1.-Mai-Stadion gewesen,
da hat es eine riesige Show gegeben. Im Voraus konnte
man Karten kaufen, und die billigsten für Touristen
haben 80 Euro gekostet. Jepp und ich sind dann
zwischen Nordkoreanern gesessen, und jemand hat uns
gefragt wo wir herkommen. Als wir gesagt haben, dass
wir aus Holland sind, hat er nicht gewusst, was das ist.
Das war das erste und einzige Mal, dass wir von fremden
Nordkoreanern angesprochen worden sind, die Leute
waren sonst wirklich sehr zurückhaltend.
Dieses 1.-Mai-Stadium ist riesig, mit etwa 150‘000
Sitzplätzen, aber nur ein Drittel davon war voll. Wir
hatten eigentlich erwartet, dass die Leute dann doch mit
Begeisterung bei der Show dabei sein würden, aber man
hat gemerkt, die Leute haben einfach geklatscht, wenn
geklatscht werden musste. Es war alles sehr strukturiert.
Die Leute waren schon mit Freude dabei, aber sehr
zurückhaltend für unser Empfinden.
K: Was hat man vom nordkoreanischen Alltagsleben
gesehen?
JH: Wenn man über Land fährt, sieht man hunderte
und tausende von Leuten unterwegs, alle laufend.
Man sieht sehr wenige Fahrräder, die Leute laufen von
A nach B und tragen immer etwas bei sich. Auf den
16
Feldern arbeiten sie alle von Hand, nur ab und an sieht
man einen Ochsen, zweimal haben wir von weitem auch
einen Traktor gesehen, aber die waren unglaublich alt.
Öffentliche Verkehrsmittel gibt es auf dem Land nicht,
nur in der Stadt. Man sieht oft Geleise, aber wir haben
nur einmal eine Lokomotive ohne Waggons gesehen,
sonst nichts, und das war in der Hauptstadt. Auf dem
Land haben wir nie einen Zug gesehen. Man sieht kaum
alte Leute, und Behinderte, etwa im Rollstuhl, sieht man
überhaupt nicht. Dafür sieht man überall Soldaten, aber
auch sie arbeiten auf den Feldern.
Überall auf dem Land gibt es Checkpoints, man kann
also nicht einfach so von A nach B gehen, sondern man
muss ständig anhalten. Wir selber sind nie aus dem Bus
gestiegen, sondern die Reiseführer haben das immer
geregelt. Man wird also ständig kontrolliert, aber nicht
nur wir als Touristen, sondern auch die Einheimischen.
K: Welches Erlebnis hat den grössten Eindruck
hinterlassen?
JH: Das Mausoleum von Kim Ilsung. Man bekommt
dort einen Kassettenrekorder mit Kopfhörern, auf dem
Texte zum Mausoleum eingespielt sind. Das erste, was
man sieht ist ein Bild an der Wand, auf dem die trauernde
Bevölkerung abgebildet ist. Auf der Kassette wird dann
sehr dramatisch geredet, „Das ganze Land weinte Tag
und Nacht“, und das geht immer so weiter, „alle Bauern
weinten Tag und Nacht“, und am Ende kommt man auf
ein Bild, auf dem Ausländer abgebildet sind, und auf
der Kassette heisst es, „Die ganze Welt weinte Tag und
Nacht“.
Danach kommt man in eine riesige Halle, ein bisschen
kleiner als ein Fussballfeld, alles aus Marmor und
mit farbigem Licht beleuchtet. Man hört eine Art
Trauermusik. Am Ende der Halle steht Kim Ilsung in
Marmor. Das hat einem dann wirklich beeindruckt, mit
der Musik und allem, dass man dann plötzlich das Gefühl
gehabt hat, ja, das ist traurig. Danach kommt man in die
Halle, wo er aufgebahrt ist, und das ist wirklich traurig.
Als wir herausgekommen sind, sagte Jepp zu mir, „Du,
ich musste fast weinen.“ Das hat mich sehr berührt.
K: Gab es negative Erlebnisse oder etwas, das Ihnen
Angst gemacht hat?
JH: Nein, überhaupt nicht. Man bekommt gar keine
Chance dazu, weil das alles im Voraus so geplant. Es gab
keinen Moment, in dem ich mich unsicher gefühlt hätte.
Es wird nichts gestohlen und man wird nicht betrogen.