HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 79

40 auf 65 Meilen pro Stunde auf 10 Meilen rund 6 Minuten spart, eine Beschleunigung von 65 auf 90 Meilen pro Stunde aber nur noch rund 2,5 Minuten Zeitersparnis pro 10 Meilen bringt – obwohl die Geschwindigkeit in beiden Fällen um 25 Meilen pro Stunde steigt. FOLGEN FÜR DAS MARKETING Eine der tragenden Säulen des modernen Marketings ist die Idee, dass es wichtiger ist, sich auf den Kundennutzen zu konzentrieren als auf die Produktmerkmale, um möglichst viel zu verkaufen. Apple erkannte zum Beispiel, dass ein MP3-Player, der mit „1000 Songs in deiner Tasche“ wirbt, für die Verbraucher attraktiver ist als ein Player mit einem „internen Speicher von 5 GB“. Unsere Untersuchung zeigt hingegen, dass Unternehmen in vielen Situationen stärker davon profitieren, sich auf die Produktmerkmale zu konzentrieren und nicht so sehr auf den Kundennutzen. Die Verbraucher glauben oft, die Bezie- hung zwischen Produktmerkmalen und Nutzen sei linear. Das ist aber nicht immer der Fall. Es gibt viele Situationen, in denen ein Hinweis auf den tatsächlichen Nutzen offenlegen würde, wo die Kunden zu viel bezahlen, was vermutlich zu einer Verhaltensänderung führen würde. Die Druckseiten pro Minute, die Punkte ei- nes Treueprogramms oder der Lichtschutzfaktor bei Son- nenschutzmitteln sind gute Beispiele dafür. Erhöhungen der Bandbreite von Internetzugängen sind ein weiteres. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Preisgestaltung von Internetzugängen linear ist: Eine Steigerung der Band- breite um einen bestimmten Wert kostet die Verbraucher immer dasselbe, unabhängig davon, ob der Ausgangspunkt eine niedrige oder eine bereits hohe Bandbreite ist. Dabei ist die Beziehung zwischen Downloadgeschwindigkeit und Downloadzeit nicht linear. Mit steigender Geschwindigkeit fällt die Dauer zunächst stark und irgendwann nur noch wenig. Ein Upgrade von 5 auf 25 Megabits pro Sekunde (Mbps) spart 21 Minuten pro Gigabyte, eine Steigerung von 25 auf 100 Mbps bringt nur noch vier Minuten Zeiterspar- nis. Wären sich die Verbraucher dieser Tatsache bewusst, würden sie sich vielleicht für billigere, langsamere Inter- netverbindungen entscheiden. Wahrnehmungsfehler der Verbraucher bewusst auszu- nutzen ist natürlich eine fragwürdige Marketingstrategie. Es gilt als unethisch, wenn Unternehmen das Nichtwissen der Kunden ausnutzen (siehe Kasten Seite 75). FAZIT In den vergangenen Jahren haben eine Reihe von Berufs- gruppen – von Ökologen über Physiologen bis zu Ärzten – angefangen, nicht lineare Zusammenhänge bei ihren Ent- scheidungen zu berücksichtigen. Doch im Geschäftsleben sind nicht lineare Beziehungen genauso verbreitet wie in allen anderen Bereichen. Es ist an der Zeit, dass auch Mana- ger ihr Bewusstsein für die Tücken des linearen Denkens in einer nicht linearen Welt schärfen. So können sie ihre eige- nen Einschätzungen verbessern und auch ihrem Umfeld helfen, gute Entscheidungen zu treffen. © HBP 2017 siehe Seite 110 AUTOREN BART DE LANGHE ist Associate Professor für Marketing an der Esade Business School der Ramon-Llull-University und Assistant Professor für Marketing an der Leeds School of Business der University of Colorado Boulder. STEFANO PUNTONI ist Professor für Marketing an der Rotterdam School of Management der Erasmus University. RICHARD LARRICK ist Professor an der Fuqua School of Business der Duke University. JULI 2017 HARVARD BUSINESS MANAGER 79