HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 58

STRATEGIEN GESCHÄFTSMODELLE eit vielen Jahren warten Wirtschaftsführer und Investoren aus aller Welt darauf, dass Afrikas lang versprochener Aufschwung endlich Reali - tät wird. Der Kontinent steht seit der Jahr - tausendwende im Fokus wachsender Investitio- nen und Aufmerksamkeit: Afrika verfügt über eine junge, zunehmend in Städten lebende Bevölkerung, über unermessliche Ressourcen und eine erstarkende Mittelschicht. Das scheinen die Zutaten für ein überragendes w irtschaftliches Wachstum zu sein, das selbst die Erfolge der sogenannten Tigerstaaten Ostasiens vor wenigen Jahr- zehnten in den Schatten stellen könnte. Tatsächlich hat das McKinsey Global Institute bereits 2010 in seinem Bericht „Lions on the Move“ („Löwen auf dem Vor- marsch“) diesen Vergleich gezogen. Damals sagte es voraus, dass Afrikas Konsumausgaben zwischen 2008 und 2020 um 40 Prozent und das Bruttoinlandsprodukt des Kontinents um eine Billion US-Dollar wachsen würden. KOMPAKT DAS PROBLEM Immer wieder heißt es, Afrika werde der nächste Wachstumskontinent sein. Doch viele westliche Multis sind dort geschei - tert. Die Gründe: die all - ge gen wärtige Korruption, eine unzuverlässige Infrastruktur, der Mangel an Fachleu ten und der Irr glaube, die Mittel - schicht sei der vielver - sprechend ste Markt. DIE LÖSUNG Erfolgreiche Innovatoren setzen sich in Afrika über lang gepflegte Überzeu - gungen hinweg – indem sie Geschäftsmodelle für die arme Bevölkerung schaffen, Risiken interna- lisieren und Betriebs - bereiche integrieren, um der Korruption so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. 58 Und doch blieb diese verlockende Vision nichts als ein Traum, der jeden Moment Wirklichkeit werden sollte. Eine ganze Reihe multinationaler Unternehmen hat sich seitdem wieder von Afrika abgewendet. Ihre Manager sind an denselben Hin- dernissen gescheitert, die angehenden Investoren seit Jahren zu schaffen machen: die allgegenwär- tige Korruption, ein Mangel an Infrastruktur und ausgebildeten Talenten sowie ein unterentwickel- ter Endkundenmarkt. In den vergangenen Jahren haben wir ausführ- lich erforscht, wie Innovationen in aufstrebenden Märkten zu Erfolgen oder Misserfolgen wurden. Dabei haben wir uns in erster Linie mit den Län- dern Afrikas und Ostasiens beschäftigt und von den Chefs einiger der erfolgreichsten Unterneh- men der Welt gelernt, wie gewaltig die Hürden sein können. Andererseits haben wir uns auch mit dem Erfolg einiger afrikanischer Innovatoren be- schäftigt, die sich über gängige Überzeugungen hinwegsetzen – indem sie Geschäftsmodelle ent- wickelt haben, die sich an ärmere Schichten der Bevölkerung richten; indem sie Märkte geschaffen haben, die das enorme Potenzial unerfüllter Konsumbedürfnisse anzapfen; indem sie Risiken internalisieren, um starke, selbstständige Unter- nehmen mit niedriger Kostenstruktur aufzu- bauen; und indem sie Betriebsbereiche integrie- ren, um so externe Korruptionsherde zu meiden. Ihre Erfahrungen stehen für das hoffnungsfrohe Bild eines Afrika, das sehr wohl das Versprechen von wachsendem Wohlstand erfüllen kann. Ein HARVARD BUSINESS MANAGER JULI 2017 junger Unternehmer fasste treffend zusammen, welche Kräfte solche selbst entwickelten Erfolge freisetzen können: „Wenn die Lösung von innen kommt, beginnen wir, an uns selbst zu glauben. Wir schöpfen Vertrauen, dass wir das schaffen können – dass wir vorankommen.“ Wie haben diese Innovatoren, von denen viele aus der Region stammen, ihren Weg gefunden, wo so viele größere, mit weit besseren Ressourcen ausgestattete Konzerne gegen die Wand gefahren sind? In diesem Beitrag skizzieren wir ihr Innova- tionsmodell, das seine eigenen Märkte schafft, und zeigen, wie es Umsatz und Beschäftigung wachsen lässt. Außerdem beschreiben wir Metho- den, latente Konsumpotenziale aufzudecken – also jene wirtschaftlichen Chancen, auf denen dieses Modell aufbaut. Und schließlich haben wir einige Anregungen für politische Entscheider, In- vestoren und Unternehmer, die wissen wollen, wie sich Anzahl und Wirkkraft solcher innovativer Unternehmen steigern lassen. In ihrem bahnbrechenden Artikel „The Fortune at the Bottom of the Pyramid“ aus dem Jahr 2002 haben C. K. Prahalad und Stuart L. Hart die un - geheuren Möglichkeiten beschrieben, die sich multinationalen Konzernen eröffnen, wenn sie mit ihren Geschäftsmodellen die Bedürfnisse der Milliarden „aufstrebender Armer“ in Entwick- lungsländern bedienen (siehe dazu auch den Hin- weis auf Seite 59). In jüngerer Zeit haben uns Hart und seine Kollegen gelehrt, unsere Perspektive zu korrigieren: Statt ein Vermögen aus dem unteren