HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 55

einem deutlichen und nachhaltigen Wettbewerbs- vorteil. Die entgegengesetzte Ausrichtung ist eher etwas für kleinere, flexible Unternehmen. Diese könnten dem intensiven Wettbewerb langfristig nur schwer standhalten, sind dafür aber in der Lage, eine Transformation schneller und konsis- tenter zu vollziehen und damit neue Märkte zu schaffen und zu besetzen. Übergang zu einer Big-Data-Plattform mit einem umfassenden Ökosystem an Partnerlösungen. DEN RICHTIGEN WEG EINSCHLAGEN In diesem Artikel beschreiben wir lediglich eindi- mensionale Transformationen. Es gibt aber durch- aus Beispiele von Unternehmen, die ihr Geschäfts- modell gleichzeitig sowohl auf horizontaler als auch auf vertikaler Ebene verändern (um zum Beispiel von einem Produkt- zu einem Lösungs - anbieter zu werden). Die wenigsten sind diesen Weg jedoch in einem Schritt gegangen, sondern haben die Transformation in mehrere Phasen auf- geteilt. Dabei haben einige zuerst ein vollständiges und integriertes Angebot geschaffen und dieses dann schrittweise auf individuelle Kundenbedürf- nisse zugeschnitten. Andere haben zunächst ihr Angebot flexibilisiert und erst später erweitert. Während wir den ersten Ansatz dank der vor - handenen Ressourcen und Netzwerke vor allem bei großen, oft marktführenden Unternehmen be- obachten, wählen kleinere Unternehmen meist eher den zweiten Weg, da dieser ihrer Flexibilität stärker entgegenkommt und einen schrittweisen Lernprozess zulässt. Eine erfolgreiche Geschäftsmodelltransforma- tion verlangt nach einem engen Zusammenspiel von Strategie und unternehmerischer Führung. Während die Definition des Ziels und des Trans- formationspfades eher strategischer Natur ist, erfordert die Implementierung Führungskräfte, die in der Lage sind, ihre Mitarbeiter für die neue Vision und Ausrichtung des Unternehmens zu begeistern. Bei der Definition des Ziels muss entschieden werden, ob ein Unternehmen dem vorherrschen- den Trend in einer Industrie folgen oder sich ge- nau gegen diesen Trend wenden soll. Zum Beispiel streben derzeit die meisten großen Automobilher- steller ein zusätzliches Plattformgeschäftsmodell an, bei dem sie nicht mehr Fahrzeuge, sondern Mobilität verkaufen. Der Gegenentwurf hierzu ist Netflix. Während die etablierte Fernsehbranche größtenteils noch dabei ist, eigene Streamingplattformen zu ent - wickeln, erweitert Netflix sein eigenes Modell ins ehemalige Kernproduktgeschäft der Konkur- renz hinein, nämlich die Produktion von eigenen Inhalten. Im Rahmen unserer Forschung haben wir gese- hen, dass beide Alternativen zum Erfolg führen können. Da es zwischen den Unternehmen, die dem Industrietrend folgen, oft zu einer starken Konsolidierung kommt, ist diese Variante vor al- lem etwas für ressourcenstarke Unternehmen mit FAZIT AUTOREN CARSTEN LINZ leitet das Center for Digital Leadership bei SAP, ist Keynote- Sprecher, Beirat und Vorstands berater zur Geschäftsmodell- transformation. GÜNTER MÜLLER- STEWENS ist Professor an der Universität St. Gallen und forscht zu Fragen der strategischen Unternehmensführung. ALEXANDER ZIMMERMANN ist Assistenzprofessor für Strategie und Organisation an der Universität St. Gallen. Neben diesen strategischen Optionen hat unsere Forschung gezeigt, dass Führungskräfte für eine erfolgreiche Geschäftsmodelltransformation vor allem drei grundlegende Lehren beherzigen sollten: ● Erstens müssen sie die bisherigen Stärken ge- nauso wertschätzen wie die neuen Fähigkeiten. Anders als bei Start-ups blicken Unternehmen, die eine Transformation durchlaufen, auf eine zum Teil lange Evolution zurück. Nur wenn es gelingt, die eigene Historie als Stärke zu nutzen, kann eine Transformation Erfolg haben. Statt eines internen Wettbewerbs mit Grabenkämpfen zwischen Alt und Neu, muss eine Vertrauenskultur, charakteri- siert von gegenseitiger Neugierde und Unterstüt- zung, geschaffen werden. ● Zweitens muss die Mission des Unternehmens von einer Außen-, nicht von einer Innensicht bestimmt werden. Der Kunde und seine Bedürf- nisse müssen dabei im Zentrum stehen, und Mit- arbeiter auf allen Ebenen sollten die Probleme des Kunden in den Mittelpunkt stellen, anstatt primär die eigenen Probleme im Fokus zu haben. ● Und drittens ist entscheidend, nachhaltige in - terne und externe Netzwerke zu etablieren und die eigene in- und externe Kooperations fähigkeit auszubauen. Eine Transformation kann nur durch die enge Zusammenarbeit zwischen Funktions- einheiten, Geschäftseinheiten, Partnern, Zuliefe- rern und Kunden gelingen. Die neuen Informa- tions- und Kommunikationstechnologien und ihre Möglichkeiten der Vernetzung bilden dabei eine gute Grundlage, um das Silodenken in Struk- turen und Prozessen mehr und mehr zu über - winden. Abschließend lässt sich festhalten, dass fast auf jede erfolgreiche Transformation auch eine ge- scheiterte kommt. Eine Transformation sollte also niemals Selbstzweck sein, sondern nur dort um - gesetzt werden, wo sie dem Kunden, dem Unter - nehmen und all seinen Stakeholdern erkennbaren Nutzen stiftet und gewissenhaft überprüft wurde, dass das Unternehmen auch die Fähigkeiten mit- bringt, die Transformation zu meistern. © HBM 2017 siehe Seite 110 JULI 2017 HARVARD BUSINESS MANAGER 55