HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 46
STRATEGIEN TRANSFORMATION
ast 20 Jahre lang dominierte die Videoverleihkette
Blockbuster den US-amerikanischen Markt. Den
1997 von Reed Hastings gegründeten Online -
videoverleih Netflix ignorierte das Management
jahrelang. Erst im August 2004 reagierte Block-
buster mit einem eigenen Onlineverleih. Zu spät.
Schon ein Jahr später kehrten sich die Verhältnisse
um: Netflix verbuchte einen Gewinn von 42 Mil -
lionen Dollar, Blockbuster schrieb einen herben
Verlust. 2010 meldete der ehemalige Marktführer
Konkurs an, und Netflix erreichte einen Börsen-
wert von zehn Milliarden Dollar. Das Blockbuster-
Management hatte den richtigen Zeitpunkt für
eine radikale Geschäftsmodelltransformation ver-
säumt und das neue Geschäftsmodell von Netflix
massiv unterschätzt.
In der deutschen Autoindustrie zeigt sich ein
ähnliches Bild. Viele Jahre verteidigten die Her-
steller mit allen Mitteln das traditionelle Ge-
schäftsmodell des Autoherstellers. Neue Wett -
bewerber wie Tesla oder neue Perspektiven zum
Thema Mobilität, wie Apples und Googles Experi-
mente mit selbstfahrenden, intelligenten Autos
oder Ubers Onlinevermittlungsdienste zur Perso-
nenbeförderung, belächelten viele Automanager
aus ihrer vermeintlichen Position der Stärke her-
aus. Seit Mitte der 2010er Jahre jedoch fassen
mehr und mehr Vorstände den Vorsatz, ihre Un -
ternehmen zu Mobilitätsanbietern umzubauen.
Sie beteiligen sich an Mobilitätsdiensten, be -
nennen Chief Digital Officers, stoßen Elektroauto-
initiativen an, fordern von der Politik Subven -
tionen für den Wandel oder kooperieren beim
Aufbau von Ladestationen.
Die Geschäftsmodelle etablierter Unternehmen
werden mittlerweile in fast jeder Branche heraus-
gefordert. 62 Prozent der CEOs weltweit gehen
davon aus, dass die nächsten drei Jahre für die Zu-
kunft ihrer Branche eine größere Rolle spielen
werden als die 50 Jahre zuvor. Die Printmedien be-
finden sich mitten in der Auseinandersetzung mit
den sozialen Medien, das klassische Banken-
geschäftsmodell wird von Fintech-Unter-
nehmen und neuen Technologien wie der
Blockchain bedroht. Ein halbherziges digitales
Finetuning – wie etwa die Onlineversion einer
gedruckten Tageszeitung oder der E-Com-
merce-Vertriebskanal einer Buchhandelsket -
te – reicht nicht aus, um den Veränderungen
gerecht zu werden. Nötig sind vielmehr Wege zu
einer radikalen und umfassenden Transformation
des Geschäftsmodells.
In einem mehrjährigen Forschungsprojekt ha-
ben wir über 380 Unternehmen und Geschäftsbe-
reiche im Hinblick auf ihre radikale Transforma-
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HARVARD BUSINESS MANAGER JULI 2017
KOMPAKT
DAS PROBLEM
Vor allem der technische
Fortschritt ermöglicht
heute Newcomern,
Marktführer anzugreifen –
und innerhalb weniger
Jahre auszuschalten.
DIE LÖSUNG
Die Analyse von
380 Geschäftsmodell -
trans formationen zeigt
vier Wege auf, ein
stagnierendes Unterneh -
men wieder in Fahrt
zu bringen. Die vielen
Dutzend existierenden
Geschäftsmodelle lassen
sich dabei in vier Typen
kategorisieren: Produkt-,
Plattform-, Projekt-
und Lösungs geschäft. Ein
Wechsel in jedes dieser
Modelle ist denkbar,
aber jeder Pfad ist mit
spezifischen Heraus -
forderungen verbunden.