Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern | Page 19
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern
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die Arbeitslosigkeitserfahrung und die gesellschaftliche Zugehörigkeit (Selbsteinschätzung)
operationalisiert.
3.6
Politische Kultur und Institutionen
Ein anderer, ebenfalls die Politik betreffender Aspekt, ist die politische Unzufriedenheit und
deren mögliche Folgen, die nun kurz erläutert werden. Es gehört zum Grundverständnis der
Demokratie, dass Gleichwertigkeit unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen zu erzeugen und zu stabilisieren ist. Dazu gehört solidarisches Handeln, gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz. Solche Grundsätze können jedoch in Krisensituationen aufgekündigt
werden (Zick et al., 2010). Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 6 dargestellt.
Mit der Aberkennung von Gleichwertigkeit ist die Hierarchisierung gesellschaftlicher Gruppen verbunden, die sich an ökonomischen und kulturellen Leistungen, sowie moralischer
Integrität orientieren (ebd., S.74). Menschen mit Behinderungen wird zum Beispiel unvollständige Leistungsfähigkeit zugeschrieben und so deren Ungleichwertigkeit begründet.
Dieser Zusammenhang von Krisensituationen mit feindseligen Einstellungen gegenüber
Minderheiten kann dadurch verschärft oder begünstig werden, dass sich die betroffenen
Individuen/Gruppen als politisch machtlos empfinden (Heitmeyer/Mansel, 2003). Ein Beispiel für einen politischen Vertrauensverlust ist die von Held (2000) geschilderte Beschleunigung von Entscheidungsprozessen, die womöglich auf Kosten der Souveränität bestimmter Interessensgruppen geht. Solche Entwicklungen werden von Heitmeyer und Mansel als
„Demokratieentleerung“ (2003, S.36) bezeichnet und können in gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit münden. Die Dimensionen der Demokratieentleerung sind nach Heitmeyer (2001): Demokratieermäßigung (Wirtschaft: Effizienzorientierung und Lobbyismus),
Demokratieaushöhlung (staatliche Überwachung, Kontrolle, Einschränkung von Bürgerrechten) und Demokratievernachlässigung (passive Zivilgesellschaft). In dieser Arbeit wurde zur Überprüfung der Theorie politischer Kultur und Institutionen (Kapitel 6.3) die
Merkmale Vertrauen in den Bundestag und politische Desillusionierung operationalisiert.
Abbildung 7: Politische Kultur/Institutionen und GMF
Gefühl der
Machtlosigkeit
Vertrauensverlust
in Demokratie
Feindliche
Einstellungen
geg.
Minderheiten
Zwischen den vorgestellten unterschiedlichen Erklärungsansätzen gibt es Interdependenzen, auf die zum Teil hingewiesen wurde. Damit soll deutlich gemacht werden, dass es in
der Regel das Zusammenspiel verschiedener Aspekte ist, das zu gruppenbezogener Men-