Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern | Page 12
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern
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3 Ansätze zur Erklärung des Syndroms GMF
Wodurch entstehen Feindseligkeiten zwischen Gruppen? Dies ist eine zentrale Frage der
GMF-Forschung. Denn die Ursachen für ein soziales Phänomen geben auch Hinweise für
den Umgang damit. Im Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bedeutet dies,
dass durch Kenntnis der Entstehungsmechanismen mögliche Ansatzpunkte für Gegenmaßnahmen identifiziert sind.
3.1
Theorie der sozialen Identität
Die Theorie der sozialen Identität (Social Identity Theory, SIT) wurde gemeinsam von Henri
Tajfel und John C. Turner (1986) entwickelt. Die beiden Sozialpsychologen haben sich
hierbei mit Vergleichsprozessen zwischen Gruppen und den zugrundeliegenden Mechanismen befasst. Empirische Grundlage für die Entwicklung der SIT waren Tajfels Analysen
zu Stereotypen und Vorurteilen (z.B. 1978) und sog. „minimal-group“-Experimente (z.B.
1970). In diesen Experimenten werden untereinander unbekannte Versuchspersonen in
Gruppen eingeteilt. Sie werden dann gebeten, bestimmte Geldbeträge zwischen zwei Personen zu verteilen. Ihnen ist dabei lediglich bekannt, dass eine der beiden Personen derselben Gruppe (in-group, dt.: Eigengruppe) angehört, die andere jedoch nicht (out-group, dt.:
Fremdgruppe). Das Ergebnis ist in der Regel: Individuen favorisieren Mitglieder der Eigengruppe, d.h. der zu verteilende Geldbetrag wird nicht zu gleichen Teilen zwischen den
Personen verteilt, sondern zu einem größeren Anteil innerhalb der eigenen Gruppe. Tajfel
und Turner schließen aus diesem Verhalten, dass die soziale Kategorisierung (Einteilung in
Gruppen) in diesem Experiment eine soziale Identität für die Versuchsperson erzeugt und
stellen drei Hypothesen auf:
Individuen streben danach, eine positive soziale Identität zu haben, die durch die
Zugehörigkeit zu einer Gruppe erreicht werden kann.
Eine positive Identität kann durch den vorteilhaften Vergleich der Eigengruppe mit
einer relevanten Fremdgruppe erzeugt werden.
Ist die positive Absetzung der Eigengruppe von der Fremdgruppe unbefriedigend,
versuchen die Individuen in eine andere Gruppe zu gelangen, oder versuchen, ihre
Gruppe stärker positiv zu konturieren.
Die SIT wurde ausgehend von dieser Basis weiterentwickelt und kann nun in vier
Hauptelemente differenziert werden: Soziale Kategorisierung, Soziale Identität, Sozialer
Vergleich und Soziale Distinktheit. Soziale Kategorisierung: Individuen sind im Laufe ihres
Lebens Teil verschiedener Gruppen (zum Beispiel Familie) und weisen diesen Gruppen
nach subjektiven Identifikationskriterien unterschiedliche Bedeutungen zu (vgl. Timmer-