Geschichtendock 2020 ePub_Folge_07 | Page 3

Das Handy. Das habe ich vor lauter Aufregung glatt vergessen. Vorhin haben wir es ausgemacht, damit wir vom Schiff aus nicht gesehen werden. Ich nehme es in die Hand und drücke die Taste, ein helles Licht beginnt zu leuchten. Vorsichtig stehe ich auf, gefährlich schwankt unser Boot hin und her. Es gelingt mir, das Gleichgewicht zu halten. Wild schwenke ich das Handy über meinem Kopf. Das Schiff rauscht heran, mächtig wie ein Hochhaus. Als es schon über uns ist, knallen die Segel. Wir werden von einer Welle erst in die Höhe und dann zur Seite gehoben. Ich stürze gegen Murat, mein Arm schrammt an der hölzernen Bordwand entlang. Eine zweite Welle füllt unser Boot mit Wasser. «Wir sinken!», schreit Murat. Gerade als der Bootsrand im kalten Wasser versinkt, lassen die Matrosen Seile zu uns herunter. Wir greifen danach, halten uns fest und werden an Bord gezogen. Gerettet, denke ich, als wir an Deck sitzen und uns umschauen. Das Schiff ist ein stolzer Dreimaster mit grossen Segeln. Die Mannschaft besteht aus etwa zwanzig Seemännern. Sie sind schwer bewaffnet, tragen Messer, altertümliche Pistolen oder lange Säbel. «Wen haben wir denn da?» «Zwei Süsswassermatrosen!» «Schiffbrüchige, nass bis unter die Nase.» Die Matrosen schauen lachend auf uns herunter. «Können Sie uns bitte an Land bringen», frage ich höflich. «Habt ihr gehört», brüllt ein Narbengesicht, «der Kleine will an Land.» «Wenn es Ihnen nichts ausmacht», sagt Murat. «Oh doch», schreit ein Bärtiger, «uns macht es etwas aus!» «Zwei Schiffsjungen können wir gut gebrauchen, die letzten, die wir hatten, sind in einem brasilianischen Hafen abgehauen.»