FahrRad 2/2013 | Page 32

Verrückt nach Wales
Radreise
Verrückt nach Wales
„ Welsh Lamb with Vegetables, Jacket Potatoes...“

Welch eine banale Aufgabe war es doch im Jahre 54 v. Chr. für Caesar, als er lediglich fünf Legionen und 2000 Reiter über den Ärmelkanal setzen musste! Ihm standen dabei angeblich 800 Schiffe zur Verfügung, wodurch die logistische Leistung sehr überschaubar wurde. Viel schwieriger war jedoch für mich die Aufgabe, ein einziges Fahrrad auf britischen Boden zu bekommen, das nicht auf einen Pkw aufgeschnallt war, sondern als Fortbewegungsmittel benutzt wurde. Nur eine einzige Gesellschaft lässt in diesen Tagen der Energiewende und der Veränderungen des „ modal mix“ Radfahrer samt Fahrzeug an Bord. Unglücklicherweise sind die einzig möglichen Kanalhäfen Calais und Dünkirchen auf dem Festland, und Dover auf englischer Seite. Dies bedeutet wiederum die Verlängerung der Anreise um einen ganzen Tag und 95 Kilometer. Am Ende war diese zusätzliche Etappe ein Gewinn für das Erlebnis einer Radtour, die mich von Venlo über die Jugendherbergen in Valkenswaard, Zoersel, Gent und Brügge an die Küste brachte – bei kühl­trockenem und sonnigen Wetter und fast optimalem Rückenwind. Die karibischen Immigranten des Vereinigten Königreichs haben für diese erste Hälfte der Fahrt einen wunderbaren Begriff: „ Cool Running“.

Die ersten Monate des Ruhestandes hatten bei mir ein erhebliches Beschäftigungsdefizit entstehen lassen. So war es nur natürlich, nach etwas möglich Verrücktem zu suchen, um mein familiäres
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Umfeld ins Entsetzen zu treiben. In Frage kam nur eine Reise von ansehnlicher Dauer und mit einer Vielzahl von Unwägbarkeiten, was mich auf den Gedanken brach­te, meinen ebenfalls pensionierten Kollegen und Freund Robert in seinem walisischen Wohnsitz als Ziel zu wählen und mich mit den Problemen des britischen Klimas und des Linksverkehrs herumzuschlagen. Das Motto – und die Entschuldigung – dafür fand ich als Wandbild in der Jugendherberge in Brügge:
„ Twenty years from now you will be more disappointed by the things that you didn ' t do than by the ones you did do. So throw off the bowlines. Sail away from the safe harbor. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover.“
Gent ­ eine imposante, historische Wegmarke in Belgien
Das Zitat wird Mark Twain zugeschrieben, weshalb ich nicht bedauern muss, nicht selbst darauf gekommen zu sein. Eine problemlose Fahrt durch die Niederlande, Belgien und Frankreich zu be­