FahrRad 2/2013 | Page 11

Mit Rosinante auf dem Lüner Leezenpatt
Mit Rosinante auf dem Lüner Leezenpatt

Mein Name ist Rosinante und ich bin ein edles Rad. Tagein, tagaus bewege ich meine Reifen entlang des Leezenpatts, denn schließlich brauche ich meine tägliche Ausfahrt. Dieser Patt, vor langer Zeit extra für uns eingerichtet, ist in die Jahre gekommen. Kanten und Löcher noch und nöcher, und dass wir hier Vorfahrt haben, haben viele dieser vierrädrigen Kutschen immer noch nicht begriffen. Ja, dieses Lünen hat schon was. Nennt sich „ drahteselfreundlich“, aber manches, was ich so erlebe, ist schon eine Beleidigung für meine grauen Verwandten. Mein Herr ­ ich nenne ihn Don, das tut ihm gut – regt sich darüber immer mächtig auf.

Kampf den Windmühlen! Rosinante und ihr Don, hier auch mit Sancho Panza
Lünen
Neulich zum Beispiel waren wir Proviant einholen. Ganz neu der Laden, mich aber sicher anbinden ­ unmöglich. Wie schön ist es dagegen doch, wenn der Don zum Pillendreher muss: silbern glänzende, wunderbare Rahmenbügel, doch dann wieder gegenüber am Hospital – da muss mein alter Herr ja auch gelegentlich hin – das wahre Grauen. Ein Wunder, dass mich noch keiner hat mitgehen lassen. Überhaupt, sind es oft viel zu wenige Stellplätze für die vielen meiner Art. Diese Menschen sind schon komisch. Gesundheit und Umwelt sind ihnen wichtig, aber wenn sie sich endlich ausreichend bewegen und ihre Vehikel, vor allem diese neumodischen Dinger mit Rückenwind, sicher abstellen wollen, dann Pustekuchen. Der Don würde sagen: Windmühlen, Kampf den Windmühlen! Geld ist doch da – neue Gebäude für die Invaliden und sogar ein Haus für die Klepper auf vier Rädern! Na ja, weiter geht’ s. In der Stadtmitte tut sich was! Der Don kriegt hier immer glänzende Augen und weiß gar nicht, an welche der schönen Anlagen er mich anbinden soll. Und erst die breiten Wege, zum Teil sogar gepflastert. Aber welch ein Schock nur wenige Meter weiter: Scharouns geniale und aufwendig sanierte Lehrwerkstatt. Solch einen Stall hätte ich auch gerne. Doch wo sollen die vielen Räder nur hin? Uralte Felgenkiller und sonst nichts. Peinlich. Aber es soll ja schon bald besser werden. Warten wir ' s ab. Weiter geht’ s in Richtung Süden auf dem Leezenpatt entlang durch eine Birkeenallee und dann übers Kanalwasser. Welche Überraschung! Mein Weg am Fuß der Brückenrampe erstrahlt endlich in neuem glatten Rot. Auch die vielen umgewidmeten Wege im Süden sind schon eine Freude. Hier lässt sich fern des Trubels ordentlich rollen. Aber dann ist es wieder soweit. Wo soll ich bleiben? Mein Don kämpft schon wieder mit sich und den Windmühlen. Freud und Leid liegen in Lünen nämlich eng, sehr eng beieinander.
Theo Freihold
FahrRad Herbst 2013
11