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Business World Eine böse Überraschung nach der Kundeninsolvenz

Die Insolvenzzahlen steigen in diesem Jahr deutlich an . Wenn ein Geschäftspartner Konkurs anmelden muss , ist das schon ärgerlich genug , da dies in der Regel zum Verlust von Forderungen führt . Wenn sich dann aber auch noch der Insolvenzverwalter meldet und Geld zurückfordert , das der Kunde vor Jahren für Lieferungen oder Dienstleistungen bezahlt hat , wird es richtig unangenehm . Was hat es mit dieser Insolvenzanfechtung auf sich ? Eine Erläuterung von Utz Brömmekamp , Geschäftsführer der Unternehmensberatung Plenovia
Dr . Utz Brömmekamp . Foto : Plenovia
EA : Was genau bedeutet Insolvenzanfechtung ? UB : Letztlich dient die Insolvenzanfechtung dem durchaus nachvollziehbaren Zweck einer bestmöglichen , gleichmäßigen und gleichberechtigten Gläubigerbefriedigung . Werden Vermögensgegenstände in der Krise und im Vorfeld einer Insolvenz an Dritte übertragen , stehen sie zur gleichberechtigten Gläubigerbefriedigung nicht mehr zur Verfügung . Dies will das Anfechtungsrecht , das es in Deutschland im Übrigen seit ehedem auch außerhalb einer Insolvenz gibt , dadurch korrigieren , dass masseund gläubigerschädigende Zahlungen und Leistungen entsprechend zurückverlangt werden . Um es einmal plastisch zu machen , argumentiert ein Insolvenzverwalter vereinfacht so : Meine Verwalterbestellung dokumentiert , dass die Beseitigung der Krise gescheitert ist . Also waren die zuvor ergriffenen Maßnahmen und Gläubigerbeiträge unzureichend . Deshalb gehört alles zurück in den großen Topf der Insolvenzmasse , aus der nunmehr erneut und diesmal gleichmäßig , also quotengerecht , von mir verteilt wird .“
EA : Wie kann man sich als Gläubiger dagegen schützen ? UB : Es gilt der Grundsatz , dass jede Zahlung , die man von einem kriselnden Geschäftspartner erhält , sei es auch im Rahmen eines Vergleichs oder einer gütlichen Einigung , immer eine Wette auf die Zukunft ist . Erholt sich der Geschäftspartner und überwindet vielleicht gerade durch Zugeständnisse von Gläubigern seine Krise , ist es eine Win-Win-Situation für beide Seiten . Misslingt dies aber und der Geschäftspartner gerät in Insolvenz , ist die Gefahr groß , dass der Insolvenzverwalter vor der Tür steht .
EA : Darf man einem kriselnden Geschäftspartner überhaupt noch entgegenkommen ? UB : Das ist eine sehr gute Frage . Fakt ist , dass die deutsche Anfechtungspraxis nicht gerade die Bereitschaft von Gläubigern fördert , in der Krise ihres Geschäftspartners zu helfen . Nach dem Motto : „ Warum sollte ich meinem kriselnden Geschäftspartner helfen , indem ich mich zum Beispiel mit einer Zahlung von 50 % meiner Forderung begnüge , wenn ich Gefahr laufe , selbst diese 50 % wieder herausgeben zu müssen ,
und das unter Umständen noch nach vielen Jahren .“ Aber ich möchte an dieser Stelle durchaus Mut machen : Es gibt zum einen einige einfache Maßnahmen , Schritte und Handlungsempfehlungen , die bei der Behandlung eines kriselnden Geschäftspartners stets beachtet werden sollten , um eine Anfechtung zu vermeiden , und zum anderen macht es sehr viel Sinn , anders als häufig in der Praxis dem Verlangen eines Insolvenzverwalters nicht einfach nachzugeben , sondern sich dagegen nach Kräften zu wehren . Häufig ist der Anspruch keineswegs so greifbar und beweisbar , wie es der Insolvenzverwalter vermittelt und glauben macht . Rechtlich ist die Anfechtungsmaterie nicht einfach und sehr komplex . Aber es lohnt sich immer , einen Anfechtungsexperten hinzuzuziehen , um Chancen und Risiken bewerten und abwägen zu lassen . Das ist gut investierter Aufwand !
EA : Die Rechtsgrundlage für die Insolvenzanfechtung hat sich in den vergangenen Jahren verändert . Gibt es schon Verfahren auf der neuen Grundlage ? Wie sind die Erfahrungen ? UB : Die Rechtsgrundlage für die Insolvenzanfechtung
hat sich in Deutschland seit einer letzten Reform aus dem Jahr 2017 nicht mehr grundlegend geändert , und auch diese Reform war eher Kosmetik an der einen oder anderen Vorschrift . Das eigentliche Thema in diesem Zusammenhang ist die höchstrichterliche und damit maßgebliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Anfechtungsrecht . Diese hatte sich lange Zeit immer gläubiger- , also verwalterfreundlicher entwickelt . Anfechtungsgegner hatten bei der Abwehr von Anfechtungsansprüchen einen immer schwereren Stand . Dies hat sich in den letzten Jahren etwas verändert und zumindest relativiert , gerade was Sanierungssituationen und damit verbundene Gläubigerbeiträge anbetrifft . Aber die Anfechtung bleibt im Grundsatz ein scharfes Schwert in der Hand eines Insolvenzverwalters , so dass nach wie vor gilt : Besondere Wachsamkeit im Umgang mit einem kriselnden Geschäftspartner , und zwar auch oder gar insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen .
42 edelstahl aktuell | Ausgabe 6 | September 2024