divingEurope 2|2025 | Nr. 42 | Page 771

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KEINE LUST“ VON RAMMSTEIN
Doch ich bin schon lange nicht mehr Herr meiner Bewegungen. Knicke ein. Falle zurück ins Wasser.
Bevor ich wieder zu mir komme und es tatsächlich ohne fremde Hilfe schaffe aufzutauchen, ist die Sache gelaufen. Technisch gesehen war das ein Blackout, weil die Atemwege wieder unter dem Wasserspiegel waren. Zwar hatte ich einen Guinness-Rekord angemeldet, wo das Auftauchprotokoll nicht wichtig ist, aber ich hatte vorher mehrfach deutlich gesagt, dass ich den Rekord mit dem AIDA- Wettkampfprotokoll brechen wolle, um klar zu zeigen, dass ich weit innerhalb meiner Grenzen getaucht bin. Dazu muss man zunächst auftauchen, die Maske abnehmen, ein okay- Zeichen formen und „ I am okay“ sagen.
Stattdessen von den Schiedsrichtern meine erste rote Karte, der erste Blackout, das ganze vor meinem Bürgermeister, dem Sponsor und Zuschauern. „ Scheiße wie peinlich“. Das Handy ist voll und die kommenden Tage sind die Hölle. Am liebsten würde ich mich verkriechen und erst wieder raus kommen, wenn der Rekord gebrochen ist. Eine Woche später hatte ich vor den Rekord ohne Flossen am Weissensee zu brechen.
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Nun bin ich am Weissensee und erkenne schnell, dass hier perfekte Bedingungen herrschen: Der See liegt nur auf 900 Meter. Die Höhenluft, die mangelnde Anpassung hatten mir am Garichtesee den Rekord vermasselt. Ich bin konzentriert, lächle noch einmal um mich in eine positive Stimmung zu versetzen. Mein letzter Atemzug, ich gleite ins Wasser und höre das Summen der Scooter der Sicherungstaucher. Alles läuft fabelhaft, der Atemreiz kommt wieder früh, aber ab 70 Meter verhält sich mein Körper normal. Ich bin voll bei mir, konzentriere mich auf jede Bewegung, gleiche durch Körperspannung unterschiedliche Tiefen während der abgesteckten 110 Meter aus und schaue nur auf die Führungsleine. Markierungen verraten mir, dass ich nur noch 20 Meter vor mir habe. Jetzt kommt das Auftauchen: zuerst die Atemwege über Wasser, dann das Seil greifen um mich festzuhalten, dreimal atmen, Maske ab, Zeichen und „ I am okay“. Ich sehe die weiße Karte. Rekord anerkannt. Am Ende waren es 108 Meter und ich bin überglücklich.
Nie wieder werde ich unter Eis tauchen, da bin ich mir sicher. Nie wieder Verantwortung für so ein Projekt übernehmen, nie wieder Sicherungstaucher unter Eis bringen, nie wieder Stress der sich schon Wochen vorher breit macht.
Hab keine Lust es zu riskieren Hab keine Lust vom Schnee zu geh‘ n hab keine Lust zu erfrier’ n Ich bleibe einfach liegen
( Rammstein)
Nachtrag: Das Alles war 2011. Schon zwei Jahre später habe ich das Ganze vergessen und zwei weitere Rekorde unter Eis gebrochen.
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