divingEurope 2|2025 | Nr. 42 | Page 770

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„ MIR IST KALT SO KALT / MIR IST KALT“ – SONGTEXT „ ICH HAB
Foto: Nikolay Linder

E s sind die letzten Atemzüge vor dem Abtauchen. Noch einmal ventiliere ich meine Lungen, indem ich sehr langsam tief ein- und sehr tief ausatme. So erreiche ich die gewünschte Gratwanderung aus optimaler Sauerstoffversorgung bei niedrigen Puls. Doch leider ist der heute gar nicht so niedrig. Hinter mir liegen harte Tage. Genau vor einer Woche habe ich einen Rekordversuch vermasselt. 120 „+ x“ war mein ehrgeiziger Plan, als Axel und Holger, meine Sicherungstaucher am Eis, erklären, dass es nun 126 Meter seien, machte sich eine leichte Aufregung breit. Nicht definierbar ob Angst oder Vorfreude.

Ich folgte meiner Routine und war mir meiner Sache sehr sicher. In anstrengenden Trainings zuhause in Freiburg hatte ich unter schlechten Bedingungen schon mehr geschafft. Die Bestmarke, die zu brechen ist, liegt bei 100 Meter, aufgestellt von Christian Redl. Sehr lange hatte ich auf diesen Augenblick gewartet und 100 Meter zu brechen schien kein Hexenwerk. Ich konnte schon immer gut mit der Kälte umgehen, mit der Eisdecke die mich am Auftauchen hindert. Alles kein Problem. Doch letzte Woche konnte ich endlich eine der meist gestellten Fragen an mich beantworten: „ Und was machen Sie, wenn das Loch zu weit weg ist?“ tra meinen Bürgermeister mit in die Berge geschleppt, mein Sponsor von der Wasseraufbereitungsfirma war ebenfalls am See auf 1700 Meter Höhe über Null.
Ich folgte meiner Routine, atmete voll ein, ließ mich ins Wasser sinken und startete mit dem Flossenschlag. Sehr früh, aber wie erwartet,
Nik Linder stammt aus Freiburg
Als Eistaucher versucht man mit wenigen Löchern auszukommen. Für den Athleten sind die Löcher nicht wichtig. Wenn man unter Eis taucht und die Augen haben sich an das etwas dämmrige Licht gewöhnt, dann erkennt man keinen Unterschied ob man unter einem Loch oder unter Eis taucht. Man orientiert sich am Seil und taucht im Allgemeinen so lange bis das Seil aufhört. Dabei sollte die goldene Regel beachtet werden, immer etwas unter seiner Bestleistung zu bleiben. Auch das war er Plan vor genau einer Woche am Garichtesee in der Schweiz. Für das Guinness Buch der Rekorde habe ich exsetzt der Atemreiz bereits nach ungefähr 20 Meter Strecke ein. Nach 70 Meter merke ich, dass irgendwas nicht stimmt. Normal müsste ich gerade locker die Kontraktionen des Zwerchfells verarbeiten und konzentriert auf meinen Tauchgang sein. Aber es scheint mir den Sauerstoff wegzuziehen.
Ich merke relativ bald, dass die 126 heute nicht drin sind und hebe den Kopf um das erste Loch zu erkennen. Das erste Loch ist bei 105 gesägt. Das geplante Minimalziel, Rekord gebrochen. Knapp, aber gebrochen. Meine Sicherungstaucher, merken bereits dass dass etwas nicht stimmt. Ist der Kopf nicht komplett auf die Orientierungsleine, sondern nach oben gerichtet, dann scheint der Tauchgang nicht optimal zu laufen. Ich erreiche das erste Loch und versuche noch mich am Eis festzuhalten.
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