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Hintergrund | Der CreditManager
Unternehmen gegründet . Seit 2012 sind es pro Jahr nur noch 170.000 . Zuletzt sind die Gründungszahlen im Jahr 2022 um weitere sieben Prozent zurückgegangen . So stark wie noch nie zuvor , auch nicht in vorangegangenen wirtschaftlichen Schwächephasen . Während der Weltfinanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 wurden sogar sechs Prozent mehr Unternehmen gegründet als zuvor .
Arbeitsmarkt Sandra Gottschalk , Senior Researcher im Bereich Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik am ZEW , erklärt das vor allem mit der veränderten Arbeitsmarktsituation . 2008 und 2009 hätten sich viele Menschen aus Mangel an Beschäftigungsalternativen selbstständig gemacht . Zudem wurden Gründungen seinerzeit durch die Einführung der Unternehmergesellschaft erleichtert . Für diese Rechtsform mit beschränkter Haftung braucht es lediglich einen symbolischen Euro als Startkapital . Die aktuelle Situation ist anders . Notgründungen sind angesichts von Fachkräftemangel und demografischem Wandel kein Thema . Qualifizierte Beschäftigte können sich förmlich aussuchen , wo sie arbeiten möchten . Da erscheint vielen die Festanstellung sicherer als eine Gründung in Zeiten von unsicheren Konjunkturaussichten und hoher Inflation .
Demografischer Wandel Langfristig verändert auch der demografische Wandel die Gründungsdynamik . Die traditionell sehr gründungsaffine Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen wird immer kleiner . Stellten sie um die Jahrtausendwende noch mehr als 40 Prozent der Gründer , sind es heute nur noch knapp 30 Prozent . Dem gegenüber ist der Anteil der 50- bis 59-Jährigen von knapp 10 auf 20 Prozent gestiegen . „ Wir führen das im Wesentlichen darauf zurück , dass die Menschen in diesem Alter viel gesünder und wohlhabender sind als frühere Generationen “, sagt die ZEW-Ökonomin Sandra Gottschalk . Zudem beobachtet sie , dass Ältere vermehrt als Founding Angels , also als Teil eines Gründungsteams , ihr Wissen und ihr Kapital einbringen .
Aufhalten kann diese Entwicklung den weiteren Rückgang der Unternehmensgründungen allerdings nicht . Zu diesem Ergebnis kommen alle Wirtschaftsforschungsinstitute und Institutionen , die sich damit beschäftigen . Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn ( IfM ) geht noch einen Schritt weiter . Dort setzen die Wissenschaftler die Zahl der Existenzgründungen mit denen der Unternehmensaufgaben und Insolvenzen ins Verhältnis : 2021 war der Saldo positiv . 23.000 mehr Unternehmen wurden eröffnet als geschlossen . Im Jahr 2022 waren es nur noch 6.000 Neueröffnungen mehr .
Weniger Unternehmen Was also bedeutet es für die deutsche Volkswirtschaft , wenn mit der Zahl der Neugründungen bald möglicherweise sogar die Zahl der Unternehmen insgesamt sinkt ? Nichts Gutes . Denn der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig . Für die Transformation der Wirtschaft , hin zu mehr Nachhaltigkeit und mehr Digitalisierung , könnten neu gegründete Unternehmen einen willkommenen Schub bei nachhaltigen Technologien und digitalen Geschäftsmodellen bringen . In gerade diesen Bereichen , im verarbeitenden Gewerbe , Hightech und Dienstleistungen , in der Mobilität und bei IT-Dienstleistungen ist die Gründungstätigkeit im vergangenen Jahr besonders stark eingebrochen . Einzige Gewinner des Krisenjahres 2022 waren die Bereiche Gesundheit und Energie .
Der Wohlstand Deutschlands beruhte in der Vergangenheit vor allem auf den Erfolgen eines starken Mittelstands . Viele dieser Unternehmen , die in den 1950er- , 60er- oder 70er-Jahren gegründet wurden , sind heute unbekannte Marktführer , stark in Bereichen wie Automobil- und Maschinenbau , Elektrotechnik und Chemie . Eine Studie des Venture-Capital-Firma Lakestar vat untersucht , woher diese Unternehmen damals ihr Kapital hatten . Die Gründer Mitte des vergangenen Jahrhunderts erhielten Bankfinanzierungen in Höhe von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts .
Zurückhaltende Banken Heute sieht die Startup-Welt anders aus . Der Anteil der Gründungsfinanzierung am BIP ist auf ein Prozent gesunken . Banken sind sehr viel zurückhaltender , etwa weil sie risikoaverser agieren oder weil Wachstumsunternehmen weniger auf besicherbaren Vermögenswerten wie Maschinen und Anlagen basieren , sondern vielmehr auf Technologie und geistigem Eigentum . Gründungen , die Innovationen vorantreiben und das Potenzial haben , schnell zu wachsen , werden heute deshalb viel mehr von Risikokapitalgebern finanziert . Eine weitere Erkenntnis aus der Lakestar-Studie : Deutschland ist nach wie vor richtig gut darin , Dinge zu erforschen und Patente anzumelden . Aber viel zu selten gelingt es , daraus erfolgreiche Unternehmen zu gründen .
Was es dafür bräuchte , hat McKinsey in der bereits genannten Untersuchung analysiert . Darin zählen die Autoren unter anderem auf : Mehr Ausgründungen aus Universitäten , die gezielte Förderung von Gründerinnen , mehr Wachstumskapital bereitstellen , unternehmerisches Denken schulen und weitere Hindernisse im Gründungsprozess abbauen . Wenn all das gelingt , so die Unternehmensberater , könnten neue erfolgreiche Wachstumsunternehmen in Deutschland bis zum Jahr 2030 fast 1,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen und eine Marktkapitalisierung von gut 2,3 Billionen Euro erreichen . Zum Vergleich : Das wären 20 Prozent mehr als die Gesamtbewertung aller Dax40-Unternehmen .
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