Praxis | Der CreditManager
Dieses Wachstum geht an vielen ursprünglich stationären Modehändlern vorbei , deren Umsätze 2022 noch immer 6,5 Prozent unter der Marke von 2019 lagen . Sie tun sich oftmals schwer mit der Umstellung auf den Onlinevertrieb : Nach Angaben des Handelsverbands Deutschland ( HDE ) erwirtschafteten diese Fachhändler 2022 nur elf Prozent ihres Umsatzes online – weit weniger als der Onlineanteil am gesamten Fashionumsatz .
Strukturelle Probleme werden deutlicher sichtbar
Die Herausforderungen des Bekleidungshandels allein auf die außergewöhnliche Verkettung von Krisen zurückzuführen , greift indes zu kurz . Die Krisensituation verschärft lediglich eine Reihe von bestehenden strukturellen Problemen . So haben Lockdowns und andere Einschränkungen Kundinnen und Kunden verstärkt zum Einkauf im Netz motiviert und so den Druck auf Modehäuser erhöht . Neu ist der Trend zum Onlinekauf allerdings nicht . Händler hätten sich auch vor der Pandemie darauf einstellen können und sollen , so das Expertenurteil . Vielfach wurden die Zeichen der Zeit ignoriert .
Auch den Attraktivitätsverlust der Innenstädte als klassischer Standort des stationären Bekleidungshandels haben Pandemie und allgemeine Kaufzurückhaltung beschleunigt , jedoch nicht ursprünglich verursacht . Daten des Analyseanbieters Experian zeigen , dass der Besucherstrom in stationären deutschen Einzelhandelsgeschäften zwischen 2008 und 2014 um fast ein Drittel zurückgegangen ist . Der Kundenschwund in den Innenstädten ist also kein neues Phänomen .
Die Abnahme der Kundezahlen läuft parallel zur steigenden Bedeutung des E-Commerce : Je mehr Konsumenten online einkaufen , desto stärker sinkt die Passantenfrequenz in den Innenstädten . Dies führt zu weiteren Ladenschließungen , einer abnehmenden Attraktivität der Innenstädte und letztlich zu noch geringeren Besucherzahlen – eine klassische Abwärtsspirale .
Folgenschwere Insolvenzen
Der insolvenzbedingte Rückzug von Großinvestor René Benko aus Einzelhandels-Großprojekten mit Flaggschiff-Charakter könnte insofern gravierende Folgen nach sich ziehen . Da viele Projekte des Immobilienentwicklers Mixed-Use-Konzepte vorsahen , gehen den betroffenen Innenstädten und Stadtquartieren nun nicht nur Verkaufsflächen verloren , sondern auch Gastronomie-Angebote und andere belebende Elemente . Überdies drohen die Immobilien zu Bauruinen zu werden .
Gerade solche Leerstände sind es , die potenzielle Kunden des innerstädtischen Modehandels laut einer Befragung des BTE abschrecken . Ungenutzte Immobilien tragen für die Befragten zu einem unattraktiven Erscheinungsbild der Innenstädte insgesamt bei , ebenso wie ein schlechter baulicher Zustand , Ramschläden , wenig Grün oder Müll und Dreck . Mehr als die Hälfte der insgesamt 4.170 Befragten stört sich an solchen Gegebenheiten .
Ein attraktives Stadtzentrum dagegen , so die vom HDE durchgeführte „ Deutschlandstudie Innenstadt “, zeichnet sich aus Sicht von Handelskunden durch klimagerecht gestaltete Ruhezonen , Grünflächen , ein gepflegtes Stadtbild und eine ausreichende Zahl öffentlicher Toiletten aus . Vom innerstädtischen Modehandel selbst wünschen sich die Befragten etwa mehr Events , schönere Läden , eine individuelle Stilberatung , die bessere Verknüpfung von Offline- und Online-Angeboten , attraktivere Sortimente sowie mehr Sitzgelegenheiten .
Investieren , aber wie ?
Städtebauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lage des Handels sind jedoch kurzfristig nicht umsetzbar , denn die Entwicklung von Stadtzentren ist Teil langwieriger kommunaler Förder- , Bau- und Planungsprozesse . Die dabei getroffenen Entscheidungen entziehen sich zudem dem direkten Einfluss der ansässigen Händler .
Und auch Veränderungen am eigenen Laden oder Geschäftsmodell fallen Textil- und Schuhhändlern schwer in einer Zeit , in der die Umsätze oftmals nicht ausreichen , um Kostensteigerungen in den Bereichen Energie , Personal oder Mieten auszugleichen . Seien es Investitionen in Ladengestaltung , Digitalisierung oder Nachhaltigkeit – insbesondere kleinere Händler sind oft gezwungen , solche wichtigen Projekte auf unbestimmte Zeit zu verschieben . Dabei wären gerade jetzt Investitionen nötig , um sich für die Zukunft fit zu machen .
Derweil erhöhen Branchengrößen wie Otto oder Amazon , die neben dem eigenem Onlinegeschäft auch die großen Marktplätze für andere Unternehmen zur Verfügung stellen , den Druck zur permanenten Optimierung und Transformation . Die dominante Rolle dieser Branchengiganten wird durch die Einführung neuer Rabattaktionen im Onlinehandel , wie Singles Day oder Black Friday , deutlich . Der stationäre Handel muss diese Aktionen zumin-
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