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Hintergrund | Der CreditManager
Die zusätzliche Liquidität , die dann gebraucht würde , ist so kurzfristig gar nicht verfügbar und für viele auch gar nicht bezahlbar , insbesondere beim jetzigen Zinsniveau . Und vergessen wir bitte nicht , dass in der Regel alle Unternehmen beide Positionen einnehmen : Sie sind sowohl Verkäufer als auch Käufer . So schön das auch ist , seine Forderungen nach 30 Tage beglichen zu bekommen , so müsste man ja auch selbst nach 30 Tagen zahlen . Und wenn das nicht möglich ist , drohen wie bereits erwähnt erhebliche Zinszahlungen .
DCM : Apropos Verzugszinsen : Ein Kritikpunkt ist , dass die Verordnung die Vertragsfreiheit der Unternehmen in den Lieferketten empfindlich einschränkt . Wie beurteilen Sie das aus juristischer Sicht ? UH : Die starre Vorgabe fester maximaler Zahlungsziele und auch das Verbot , auf Verzugszinsen zu verzichten , stellen in der Tat einen empfindlichen Eingriff in die Vertragsfreiheit dar . Das Prinzip der Vertragsfreiheit bzw . der unternehmerischen Freiheit ist in Deutschland verfassungsrechtlich durch Art . 2 Abs . 1 des Grundgesetzes und auch auf europäischer Ebene geschützt . Ungeklärt sind darüber hinaus wichtige Folgefragen , wie z . B . in welchem Rahmen bzw . ob Stundungen , Vergleiche oder Teilerlasse von Forderungen zulässig sind . Dies sind wichtige Instrumente bei der Vermeidung von Insolvenzen . Ein Ziel , das der Gesetzgeber bei der Einführung des StaRUG ( Anm . d . Red .: Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz ) ebenfalls verfolgt .
DCM : Sie haben als Kreditversicherer einen Überblick über gängige Zahlungsvereinbarungen . Gibt es Branchen oder Länder , die bereits heute mit den angestrebten 30 Tagen arbeiten ? JB : Man kann eigentlich von einem Nord-Süd-Gefälle sprechen . Je weiter man in Europa auf der Landkarte nach unten geht , desto länger werden die Zahlungsziele . Wir stellen auch fest , dass verderbliche Güter in der Regel ein sehr kurzes Zahlungsziel haben .
Dann kommt es auch darauf an , welche Position die Marktteilnehmer einnehmen . So kann z . B . der große Lebensmitteleinzelhandel längere Zahlungsziele bei seinen Lieferanten durchsetzen .
DCM : Und zur Gegenfrage : Welche Branchen oder Länder sind von einem Zahlungsziel von 30 Tagen heute weit entfernt ? JB : Im Grunde betrifft das fast alle Länder und Branchen in Europa und vor allem die Bereiche , die besonders lange Zahlungsziele aufrufen . Ich denke da an den Reifenhandel , Dünger und Saatgut oder Investitionsgüter wie beispielsweise Maschinen , um nur einige wenige zu nennen . Es liegt hier ganz einfach in der Natur der Dinge , dass längere Zahlungsziele benötigt werden , um den Einkauf zu finanzieren . Wir sprechen hier von der klassischen Funktion des Lieferantenkredits .
DCM : Um die Einhaltung der Zahlungsfristen sicherzustellen , sollen neue öffentliche Durchsetzungsbehörden weitreichende Überwachungs- und Eingriffsrechte erhalten . Wie blicken Sie auf diesen Plan ? UH : Der deutsche Gesetzgeber spricht derzeit oft von der Bürokratieentlastung für Unternehmen . Die Einführung einer neuen Durchsetzungsbehörde steht im klaren Widerspruch zu diesem Ziel . Eine solche Behörde mit weitreichenden Informations- und Überprüfungsrechten würde für weitere Belastungen bei Unternehmen mit Berichtspflichten etc . sorgen . Hinzukommt , dass die Durchsetzungsbehörden nicht nur mit Überwachungsund Kontrollfunktionen ausgestattet sein sollen , sondern zusätzlich auch zur Anordnung von Zahlungen des Schuldners an den Gläubiger und insbesondere zur Verhängung von Bußgeldern berechtigt sein sollen . Das würde zu weiteren finanziellen Belastungen für Unternehmen führen .
DCM : Inwiefern würde die EU-Zahlungsverzugsverordnung die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen verschlechtern ? JB : Innerhalb von Europa wären ja alle
im selben Boot . Aber hinsichtlich der starken Wettbewerber aus Asien oder den USA hätte dies erhebliche Nachteile . Schon heute haben deutsche Exporteure hart zu kämpfen , um mit der asiatischen Konkurrenz gleichzuziehen . Hier punkten wir noch bei der Qualität unserer Produkte . Aber das Thema Lieferantenkredit spielt zunehmend eine wichtige Rolle .
Ursula Hildner Senior Legal Counsel Coface
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Jochen Böhm Risk Underwriting Director Nordeuropa Coface
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