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Trendwende ist dennoch deutlich erkennbar .
• Ähnlich verhält es sich beim Zahlungsverhalten , was auf eine sinkende Liquiditätsbasis schließen lässt . Die Investitionen bleiben weitgehend aus , der Rückgang bei der Überschuldung von Verbrauchern lässt deutlich nach und die Schuldentragfähigkeit der Betriebe hat sich angesichts der Zinswende verschlechtert . Es sind also zahlreiche Variablen , die auch das Insolvenzgeschehen beeinflussen werden .
Zahlungsmoral |
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Kapitaldienstfähigkeit |
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In besonders betroffenen Branchen verschlechterte sich die Liquidität derart , dass auch die Zahlungsmoral darunter leidet . Sie ist ein wichtiger Indikator zur Krisenfrüherkennung . Die fortlaufende Auswertung von Daten aus dem Debitorenregister Deutschland , Creditreforms Datenbank mit Rechnungsinformationen zu mehr als 1 Mio . Unternehmen , zeigt : Unternehmen aller Größenklassen lassen ihre Kreditgeber derzeit länger und über das gesetzte Zahlungsziel hinaus auf den Geldeingang warten . Der Befund : rund jede fünfte Rechnung wird in Deutschland überfällig gezahlt . Und auch eigentlich krisenresiliente Wirtschaftsbereiche wie die Metall- und Elektroindustrie oder die Bauwirtschaft zeigen eine deutliche Verschlechterung der Liquidität .
Die sinkende Zahlungsmoral deutscher Unternehmen betrifft einzelne Branchen deutlich stärker als andere . Im Baugewerbe kommt als Brandbeschleuniger hinzu , dass die Bautätigkeit im Laufe des letzten Jahres deutlich abgenommen hat . Ursächlich dürfte neben den schon vorhandenen Lieferschwierigkeiten und den damit verbundenen Materialengpässen die mehrfache Erhöhung der Leitzinsen gewesen sein . Es lässt sich jedenfalls im Baugewerbe der bundesweit höchste Zahlungsverzug verzeichnen . Die Bauwirtschaft steht aber auch stellvertretend für eine sogenannte Indikatorbranche , an der sich gut ablesen lässt , wie es um den Zustand der gesamten Wirtschaft bestellt ist , da hier Verflechtungen zu anderen Wirtschaftsbereichen und Branchen bestehen . Hier zeigt sich auch , dass es nicht mehr eine Branche im Gesamten ist , die prosperiert oder leidet , sondern dass es innerhalb eines Wirtschaftsbereichs deutliche Unterschiede gibt . Bezogen auf die Baubranche gibt es auf der einen Seite den Hochbau , worunter vor allem auch Neubautätigkeiten fallen . In Zeiten steigender Zinsen verlieren privatwirtschaftliche Projektentwickler aufgrund schmalerer Renditeaussichten die Lust an zahlreichen Objekten . Ebenso die öffentliche Hand , die unter den oben beschriebenen Verschärfungen leidet und große Neubauprojekte einfriert . Auf der anderen Seite steht der Bereich im Bau und Handwerk , der für die energetische Sanierung der Bestandsimmobilien zuständig ist und weder bei der Geschäftslage noch beim Auftragseingang oder der Finanzierung irgendwelche Krisensymptome verspürt .
Betroffen ist auch der Einzelhandel . Neben dem Trend zum Onlinehandel , der durch Corona stark beschleunigt wurde , drängen auch steigende Mieten den Retail aus den Innenstadtlagen . Weit verbreitet ist auch ein erheblicher Vorfinanzierungsbedarf , der aktuell auf die stark gestiegene Zinsbelastung trifft . Dadurch ist die Zahl der Betriebe im Einzelhandel in den letzten beiden Jahren erheblich gestiegen , die ihre Rechnungen überfällig bezahlen .
Zu beobachten ist bereits eine Trendwende bei den Unternehmensinsolvenzen . Lange Zeit sah es 2022 so aus , als verblieben die Insolvenzen auf dem historisch niedrigen Niveau , das seine Ursachen in den Corona-Hilfsmaßnahmen und der ausgelaufenen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht hatte . Im Jahr 2021 sank die Zahl der Unternehmenspleiten mit rund 14.000 Fällen ( 2020 : 16.300 ) auf einen Tiefstand . Auch noch zum Halbjahr 2022 hat sich dieser Befund nicht geändert . Doch die Zahlen täuschen über den tatsächlichen Zustand der
Unternehmen hinweg . Bedeutet das eine drohende Insolvenzwelle ? Aufschlussreich ist hier der Blick zum Österreichischen Insolvenzgeschehen . Hier hat bereits deutlich vor der deutschen Entwicklung eine Art Normalisierung auf Vorkrisenniveau stattgefunden .
Fazit : Normalisierung statt Welle
Unternehmenslenker sind mit einer Vielzahl von Faktoren konfrontiert , die schon in normalen Zeiten durchwachte Nächte bedeuten würden . Trotz aller Widrigkeiten stehen die deutschen Unternehmen immer noch vergleichsweise gut dar . Am Ende ist es weniger die gesamte Wirtschaft , die unter „ den Krisen “ zu leiden haben wird als vielmehr manche Branchen und selbst innerhalb der Wirtschaftsbereiche gibt es teils riesige Unterschiede . Die zumindest stabile Lage sollte Hoffnung geben , dass sich innovative , effiziente und wettbewerbsfähige Unternehmen auch weiterhin durchsetzen werden . Und insgesamt gilt sowieso , dass nicht jede Pleite zwangsläufig einen Verlust darstellen muss , sie gehört zum Wirtschaftsleben dazu .
Patrik-Ludwig Hantzsch Leiter Wirtschaftsforschung Verband der Vereine Creditreform e . V .
p . hantzsch @ verband . creditreform . de
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