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KOLUMNE DES PRÄSIDENTEN
Liebe Leserin , lieber Leser ,
kennen Sie Ihre Kunden ? Vermutlich wundern Sie sich über diese Frage , denn die Prüfung der Kunden stellt ja seit vielen Jahren einen wesentlichen Grundpfeiler unserer Arbeit im Credit Management dar . Dennoch wurde der aus dem Bankensektor kommende Begriff „ KYC “ in jüngerer Zeit ins Spiel gebracht und erweckte manchmal den Eindruck , es bestehe hier in den Unternehmen noch Nachholbedarf . Natürlich ist Kenntnis über den Kunden mehr als eine reine Bonitätsprüfung unter Nutzung des vielfältigen Informationsangebotes der Auskunfteien . Gut organisierte Credit Managementeinheiten nutzen seit Langem zusätzliche Informationen aus dem Markt und den wichtigen Vor-Ort-Kenntnissen des eigenen Vertriebs sowie dem Einkaufs- / Bestellverhalten ihrer Kunden , um die Informationslage so breit wie möglich zu gestalten . „ KYC “ dürfte also aus meiner Kenntnis kein wirkliches Problem für die Kolleginnen und Kollegen des Credit Managements darstellen . Zu bedenken ist jedoch , dass es Situationen geben kann , in denen die beste Kenntnis des eigenen Kunden nicht ausreicht , um sinnvolle Kreditentscheidungen treffen zu können . Vielmehr kommt es vielleicht darauf
an , den / die Kunden unseres Kunden ebenfalls in unsere Überlegungen einzubeziehen ( also : kenne den Kunden deines Kunden „ KYCC “). Dieses Wissen ist besonders wertvoll , wenn unser Kunde mit seinem Geschäft im Wesentlichen von einem oder sehr wenigen Abnehmern abhängig ist und deshalb trotz guter Bonität einem erheblichen Risiko ausgesetzt ist . Aber auch wenn wir Kunden bedienen , die zwar gute Arbeit leisten , jedoch in der kaufmännischen Abwicklung Mängel haben , kann das zu schwacher Zahlungsweise führen und deren Bonitätsbewertung verschlechtern . Die Frage ist , ob es auch in solchen Situationen noch Einflussmöglichkeiten für das Credit Management gibt oder ob dann als einziges Mittel die Einstellung der Geschäftsverbindung bleibt ( was wir ja so weit wie möglich vermeiden wollen ). Nach meiner Meinung ist es möglich , diesen Kunden Unterstützung zur Verbesserung ihrer Organisation zu geben . Zwar nicht durch direktes Eingreifen ( kein Kunde wird wollen , dass wir seine Buchhaltung oder Fakturierung übernehmen ), aber durch Hinweise auf Veränderungs- / Verbesserungsmöglichkeiten mit der Nutzung der vielfältigen Angebote des Marktes rund um die kaufmännische Abwicklung , denn oft fehlt diesen Unternehmen die Kenntnis dieses Angebotes oder sie gehen davon aus , dass das nur etwas für „ Große “ ist . Wenn es uns so gelingt , die Prozesse des Kunden zu optimieren ( vielleicht heißt das dann „ OYC “?), wird nicht nur seine Bonität besser , sondern eine erhöhte Liquidität wird auch uns durch schnelleren Geldeingang und vermutlich sogar mit mehr Geschäft Nutzen bringen . Ich sehe hier durchaus Ergänzungspotential für die Arbeit der Credit Managerinnen und Credit Manager bei der Aufgabe , Unternehmenserfolg zu steigern und gleichzeitig für eine Weiterentwicklung des Berufsbildes im Hinblick auf die viel diskutierten Fragen der Digitalisierungsfolgen . Wenn Sie in diesem Thema auch Potential sehen , dürfen Sie Ihre Meinung , Ihre Vorschläge gerne beim BvCM einbringen . Vielleicht ist es auch nutzbringend , eine Arbeitsgruppe dazu zu gründen . Wir sind hier offen für Ihre Ideen und ich gehe davon aus , dass sich da einiges bewegen lässt .
Ich wünsche Ihnen in der gerade massiv veränderten Welt weiterhin viel Erfolg und alles Gute .
Herzliche Grüße , Ihr Rudolf Keßler CCM
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