Vorwort zur deutschen Ausgabe
Die Gathas stammen aus der ersten Hälfte der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Hazrat Inayat Khan hat sie als Vorträge im kleinen Kreis seiner Murids gehalten. Sie wurden niedergeschrieben und seither in den Sufi-Zentren aller Welt als Lehrbriefe für die grundlegende spirituelle Schulung verwendet. Östliche Kultur und Spiritualität waren damals in der westlichen Welt weitgehend unbekannt. Manches von dem, was uns heute durch die Fülle östlichen Gedankenguts fast selbstverständlich ist, wusste damals nur eine ganz kleine Elite. So konnte Murshid Inayat Khan viele der esoterischen Grundbegriffe, wie z. B. Chakras, nur andeuten und umschreiben, um verstanden zu werden. Ebenso verstehen sich wissenschaftliche und politische Bezugnahmen sowie die Sprache immer auf diese Zeit. Wenn Hazrat Inayat Khan den großen Krieg erwähnt, ist damit der erste Weltkrieg gemeint. So sind wohl einzelne Textbestandteile zeitgebunden, aber die geistige Essenz seiner Lehren ist zeitlos und heute noch genau so aktuell, ja, vielleicht ist manches noch aktueller als damals, weil seitdem viele religiöse Vorstellungen und geistige Ideale verloren gegangen sind. Trotz oder vielleicht wegen des übergroßen esoterischen Angebots unserer Zeit suchen immer mehr Menschen nach spiritueller Anleitung und sind doch verunsichert, wo sie sie finden können. Vielleicht vermögen die Gathas von Hazrat Inayat Khan, ihnen einen Weg zu einer vertieften geistigen Schulung zu öffnen. Die Sufi-Schulung ist zunächst eine Lebenshilfe, durch die wir unsere Blockierungen und Begrenzungen erkennen und überwinden lernen sollen, um dadurch unsere Alltagsprobleme besser zu bewältigen. Dann erst werden wir offen sein für die echte spirituelle Erfahrung.
Wir sollten die Gathas nicht wie irgendein Buch lesen, sondern uns eine Zeit der Stille dafür nehmen, nur wenige Abschnitte lesen, vielleicht darüber meditieren, sie auf uns einwirken lassen und versuchen, sie in
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